ÜbersichtDieter Schlamp, Frank Beer und Franz Joseph Freisleder, München

Medikamentöse Behandlungsstrategien der ADHS im Kindes- und Jugendalter

Die hyperkinetische Störung oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist mit einer Häufigkeit von etwa 5% (bezogen auf Kinder und Jugendliche) eine sehr verbreitete Störung. In jedem Einzelfall bedarf es einer differenzierten Betrachtung, um herauszufinden, wie den betroffenen Patienten unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren mit einer multimodalen Behandlung im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts am besten geholfen werden kann. Für die medikamentöse Therapie stehen insbesondere das Amfetamin-Derivat Methylphenidat und der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Atomoxetin zur Verfügung. Diese verbessern über unterschiedliche Wirkungsmechanismen die dopaminerge und/oder noradrenerge Transmission in den funktionellen Systemen des Gehirns, die für die Steuerung von Aufmerksamkeit und Verhalten verantwortlich sind. Unter besonderen Umständen kommen im Rahmen eines individuellen Heilversuchs auch andere Substanzen für eine Therapie infrage. Welches therapeutische Vorgehen am besten geeignet ist, ist vor allem von individuellen Gegebenheiten des Patienten sowie etwaigen komorbiden Störungen abhängig.
Schlüsselwörter: ADHS, multimodale Behandlung, Methylphenidat, Amfetamin, Atomoxetin, Komorbidität
Psychopharmakotherapie 2011;18:48–58.

FlaggeEnglish abstract

Pharmacological treatment strategies in child and adolescent ADHD

Attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD) is a rather common disorder with a prevalence of about 5% in children and adolescents. Each case needs a thorough evaluation of all relevant factors in order to establish an individual multimodal treatment concept. For psychopharmacological treatment methylphenidate and atomoxetine are approved in Germany. By different mechanisms these substances improve dopaminergic and/or noradrenergic transmission in functional systems of the brain, which are responsible for the control of attention and behaviour. Comorbidity in ADHD is high and should be considered also in respect to psychopharmacological treatment. If possible, therapy with a single substance should be preferred, in combination drug therapy possible interactions have to be regarded.

Key words: ADHD, multimodal treatment, methylphenidate, amfetamine, atomoxetine, comorbidity

OriginalarbeitEdith Holsboer-Trachsler, Basel, Pierre Baumann, Prilly, Paul Höck, Zug, Josef Hättenschwiler, Zürich, Martin Jost, Meilen, Fritz Ramseier, Brugg, Erich Seifritz, Zürich, und Rico Nil, Glattbrugg

Escitalopram in der klinischen Praxis

Eine Erhebung von Praxiserfahrungen bei Patienten mit Depressionen und Angststörungen

Die Wirkung neuer Arzneimittel wird in kontrollierten klinischen Studien mit streng selektierten Patienten nachgewiesen. Das Ziel der vorliegenden offenen Beobachtungsstudie war es, die Befunde aus klinischen Studien mit Escitalopram zu Depressionen und Angststörungen an einem großen und heterogenen Patientenkollektiv zu überprüfen. Mit einem einfachen Patientenbogen dokumentierten die 626 teilnehmenden Allgemeinpraktiker und niedergelassenen Psychiater aus der Schweiz den Krankheitsverlauf von Patienten, für die routinemäßig eine Behandlung mit Escitalopram in einer Dosis von 10 bis 20 mg/Tag vorgesehen war, über etwa sechs Wochen. Teilgenommen hatten insgesamt 5649 Patienten, wovon zwei Drittel weiblich waren. Bei 4282 Patienten wurde eine Depression, bei 539 Patienten eine Angsterkrankung und bei 708 Patienten eine Depression mit Angst als Komorbidität angegeben (bei 120 Patienten keine Angabe). Wirksamkeit und Verträglichkeit wurden bei allen Patientengruppen gleich beurteilt. Bei 52% der Patienten wurde eine Remission angegeben. Eine Besserung der Symptomatik wurde im Durchschnitt nach 14 Tagen angegeben, eine Remission bereits nach 24 Tagen. Die Analyse der berichteten Nebenwirkungen ergab qualitativ dasselbe Profil, wie es in der Produktinformation beschrieben ist, allerdings auf einem niedrigeren Häufigkeitsniveau. Es wurden keine bis dahin unbekannten Nebenwirkungen gemeldet.
Mit dieser Erhebung konnte das aus klinischen Studien bekannte Profil von Escitalopram bei einem heterogenen Patientenkollektiv bestätigt werden. Offene Beobachtungsstudien wie diese können darüber hinaus weitere Erkenntnisse liefern, zum Beispiel über das subjektive Befinden der Patienten, den zeitlichen Verlauf einer Therapie und ab wann eine Änderung der Therapie bei ungenügendem Ansprechen in Betracht gezogen werden sollte.
Schlüsselwörter: Escitalopram, Depression, Angst, Komorbidität, Beobachtungsstudie
Psychopharmakotherapie 2011;18:59–65.

FlaggeEnglish abstract

Escitalopram in clinical practice: Results of an observational study in patients with depression and anxiety

Evidence of efficacy of new drugs is based on clinical studies which include highly selected patient samples. The aim of the present observational study was to verify the findings of clinical escitalopram studies in depression and anxiety with a large and heterogenous patient sample. By means of a simple questionnaire, 626 general practitioners and psychiatrists in private practices from Switzerland documented the course of illness over about 6 weeks in patients for whom a treatment with escitalopram was intended. The questionnaire included information on demographics, severity of illness and related disabilities in daily life, treatment efficacy and tolerability, as well as a rating on the subjectively most disturbing symptom, time to onset of effect and remission. The sample included 5649 patients of whom 2/3 were female. 4282 patients were diagnosed as suffering from depression, 539 from anxiety, and 708 from both depression and anxiety (no information available for 120 patients). “Depressive mood” was rated the most disturbing symptom among the depressive and comorbid patients and “inner tension” was the most disturbing symptom among the anxiety patients. The comorbid patient sample was most often rated as being severely ill (34% vs. 18% [anxiety patients] and 19% [depression patients]), had most often received a previous pharmacological treatment (43% vs. 26% and 31%, respectively) and was most often treated with the higher dose of 20 mg/d escitalopram (34% vs. 22% and 19%, respectively). Treatment outcome was equal between the diagnostic groups and reached values of over 80% for the ratings “good” or “very good”. Remission was achieved in 52% of the patients. The average time until patients reported onset of effect was 14 days, and time until remission was stated as early as 24 days. Interestingly, patients achieving remission reported a better tolerability than patients who did not achieve remission. The analysis of adverse events revealed the same profile, albeit with lower frequencies, for side effects as is reported in the product information. No as of yet unknown adverse events were reported. The present evaluation confirmed the clinical profile of escitalopram as it is reported from clinical studies. It became evident that observational studies of this scale may also generate interesting general information such as subjective feelings of patients, the time course of the illness during treatment, and the time at which a change of therapy should be considered in the event of an unsatisfactory response.

Key words: Observational study, escitalopram, depression, comorbidity

OriginalarbeitDaniela Roesch-Ely, Heidelberg, Laura Speck, Karlsbad-Langensteinbach, Sven Ulrich, Magdeburg/Berlin, und Matthias Weisbrod, Heidelberg/Karlsbad-Langensteinbach

Adjuvantes Tranylcypromin mit Antipsychotika der zweiten Generation in der Behandlung schizophrener…

Retrospektive Studie zur Therapieroutine von 53 Patienten und Kurzübersicht zur Literatur

Der irreversible Monoaminoxidase-(MAO-)Hemmer Tranylcypromin (TCP), ein Antidepressivum, wird seit seiner Einführung in die klinische Praxis auch als Adjuvans zu Antipsychotika der ersten Generation bei schizophrenen Patienten mit überwiegender Negativsymptomatik eingesetzt. Mechanistisch geht man dabei heute von einem Ausgleich dopaminerger und noradrenerger Hypofrontalität aus, die in Verbindung mit den Negativsymptomen der Schizophrenie gefunden wurde. In einer retrospektiven Datenauswertung der Therapieroutine des SRH-Klinikums Karlsbad-Langensteinbach, Abteilung Psychiatrie, wurden 53 Patienten erfasst, die zwischen 2001 und 2006 eine Kombination von Antipsychotika der zweiten Generation mit TCP (20 bis 50 mg/Tag) erhielten. Andere erfolglos gegebene Antidepressiva zur Behandlung der Negativsymptome waren zuvor abgesetzt worden. Arzneimittelwechselwirkungen und schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht registriert. Eine Exazerbation von zuvor geringer Positivsymptomatik trat nicht auf. Es wurden keine Hinweise gefunden, dass schizophrene Patienten und ihre Umgebung mit der Umsetzung der notwendigen tyraminarmen Diät weniger gut zurechtkommen als depressive Patienten. Für 43% der Patienten (n=23) lag nach durchschnittlich neun Wochen Therapiedauer eine Besserung der Negativsymptomatik vor, was am häufigsten einen gesteigerten Antrieb einschloss (n=20). Für 47% der Patienten (n=25) wurde die Besserung mindestens eines Symptoms der Negativsymptomatik oder von Depression gefunden. Trotz der Grenzen des Studiendesigns ist das Ergebnis angesichts der Schwere der Erkrankung als klinisch bedeutsam und mit einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis einzuschätzen. Auch in einem modernen Therapieumfeld und mit Antipsychotika der zweiten Generation ist die kombinierte Therapie schizophrener Negativsymptomatik mit TCP sinnvoll, zumindest nach zuvor erfolglosen Versuchen mit anderen Antidepressiva. Die Bestätigung in kontrollierten Studien ist notwendig.
Schlüsselwörter: Tranylcypromin, MAO-Hemmer, negative Schizophrenie, Antipsychotika
Psychopharmakotherapie 2011;18:66–74.

FlaggeEnglish abstract

Adjuvant tranylcypromine with second generation antipsychotic drugs in the treatment of schizophrenia with negative symptoms: Retrospective analysis of treatment routine of 53 patients and short review of the literature

Since introduction into clinical practice, the irreversible MAO-inhibitor tranylcypromine (TCP), an antidepressant drug, has also been used as an adjuvant to first generation antipsychotic drugs in the treatment of schizophrenic patients having predominantly negative symptoms. The approach is derived today from the concept of an improved balance of neurotransmitter function in dopaminergic and norepinephrinergic hypofrontality, which has been found in association schizophrenia with predominantly negative symptoms. In a chart review from 2001 to 2006, treatment routine has been analysed for 53 patients who were treated with a combination of a second generation antipsychotic drug and TCP (20 to 50 mg/day). Other antidepressants which were used unsuccessfully for treatment of schizophrenia with predominantly negative symptoms before TCP were discontinued.

No drug interactions or severe adverse effects were encountered. There was no exacerbation of positive symptoms. No data was found for a lower compliance with tyramine restrictive diet in schizophrenics compared with depressive patients. Improvement of negative symptoms occurred in 43% of patients (n=23) after a mean duration of treatment of 9 weeks. Mostly, this included an improvement in reduced activity (n=20). For 47% of patients (n=25) an improvement in at least one symptom of negative schizophrenia or depression was found. Despite the limits of the study design, the result is evaluated as clinical significant and shows a positive risk-benefit-ratio taking into account the severity of the disease. In a modern clinical environment, treatment with a combination of second generation antipsychotics and TCP is a reasonable approach for schizophrenia with predominantly negative symptoms, at least after unsuccessful trials with other antidepressants. A confirmation in controlled trials is needed.

Key words: Tranylcypromine, MAO-inhibitor, negative symptoms, schizophrenia, second generation antipsychotics

OriginalarbeitMichael Riedel, München/Rottweil, Florian Seemüller, Rebecca Schennach-Wolff, Richard Musil, Ilja Spellmann, Birgit Oppolzer, Hans-Jürgen Möller, München, Jürgen Köhler, Wedel, und Emanuel Severus, München

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Quetiapin im klinischen Alltag

Analyse einer Anwendungsbeobachtung bei Patienten mit schizophrenen Störungen in Deutschland (CLINPEP)

Ziel: Die Bewertung der Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Quetiapin-Monotherapie bei der Behandlung von ambulanten Schizophrenie-Patienten unter Alltagsbedingungen.
Methoden: Zu Studienbeginn erfolgte die Aufzeichnung der Gründe für die Umstellung auf Quetiapin durch Psychiater (n=1625) und der durch Ärzte und Patienten beurteilten Wirksamkeit und Verträglichkeit der vorherigen Medikation sowie des Schweregrads der Erkrankung gemäß CGI-S-Skala (Clinical global impression – severity). Nach etwa 4 und 8 Wochen wurden die von Ärzten und Patienten beurteilte Wirksamkeit und Verträglichkeit von Quetiapin, die Verbesserung des klinischen Zustands (CGI-I), Vitalfunktionen, Compliance und unerwünschte Ereignisse (UE) erfasst.
Ergebnisse: An der Studie nahmen 2332 auswertbare ambulante Patienten mit Schizophrenie (ICD-10) teil, deren Alter im Mittel 42,2 Jahre betrug. Bei 64% (n=1493) dieser Patienten lautete die Diagnose „paranoide Schizophrenie“. Zum Ausgangszeitpunkt betrug die durchschnittliche Dauer der Erkrankung 12,8 Jahre und der Wert auf der CGI-S-Skala lag bei 4,9. Die häufigsten zuvor verordneten Antipsychotika waren Olanzapin (17,5%), Risperidon (16,6%) und Haloperidol (10,7%). Mangelnde Wirksamkeit (55,7%), Gewichtszunahme (27,8%) und extrapyramidal-motorische Störungen (26%) waren die häufigsten Gründe für die Umstellung der antipsychotischen Medikation auf Quetiapin.
Nach etwa 8 Wochen der Behandlung mit Quetiapin hatten 71,5% der Patienten auf das Präparat angesprochen (definiert als „sehr starke“ oder „starke“ Verbesserung auf der CGI-I-Skala). Von den Patienten bewerteten 83,9% die Wirksamkeit und 78,2% die Verträglichkeit von Quetiapin als „sehr gut“ oder „gut“. Die Psychiater beurteilten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Quetiapin bei 89,6% bzw. 79,4% der Patienten ebenfalls als „sehr gut“ oder „gut“. Die endgültige Quetiapin-Dosis betrug im Mittel 463 mg/Tag. Quetiapin wurde allgemein gut vertragen, nur 55 Patienten (2,4%) berichteten von arzneimittelbezogenen unerwünschten Ereignissen.
Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass Patienten mit paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie, ohne medizinische oder psychiatrische Komorbiditäten, jedoch mit kurzer Krankheitsdauer und mit sexueller Dysfunktion als Umstellungsgrund am meisten von einer Behandlung mit Quetiapin profitieren.
Schlussfolgerungen: Im Rahmen dieses Projekts mit ambulanten Patienten, das unter Alltagsbedingungen stattfand, wurde Quetiapin sowohl von Ärzten als auch von Patienten für die Behandlung von Schizophrenie als wirksam und allgemein gut verträglich bewertet.
Schlüsselwörter: Quetiapin, Schizophrenie, Anwendungsbeobachtung, Nebenwirkungen, Medikamentenwechsel, Antipsychotika
Psychopharmakotherapie 2011;18:75–83.

FlaggeEnglish abstract

Efficacy and tolerability of quetiapine under ‘real-life’ conditions. Analysis of an observational study in patients with schiophrenia in Germany (CLINIPEP)

Objective: To evaluate the efficacy and tolerability of quetiapine for the treatment of patients with schizophrenia in the out-patient setting under ‘real-life’ conditions.

Methods: Psychiatrists (n=1625) recorded at baseline the reasons for switching to quetiapine, physician and patient’s assessment of efficacy and tolerability of previous medication, and Clinical Global Impression Severity (CGI-S) of Illness score. Physician and patient’s judgment of efficacy and tolerability of quetiapine, CGI Improvement (CGI-I), vital signs, treatment compliance and adverse events (AEs) were assessed at 4 and 8 weeks.

Results: 2332 evaluable patients with schizophrenia (ICD-10) were included into the study. The mean age was 42.2 years. Of these, 64% (n=1493) had a diagnosis of paranoid schizophrenia. At baseline, the average duration of illness was 12.8 years. CGI-S at baseline was 4.9. The most common antipsychotics used as prior medication were olanzapine (17.5%), risperidone (16.6%) and haloperidol (10.7%). Lack of efficacy (55.7%), weight gain (27.8%) and extrapyramidal symptoms (26%) were the most common reasons for switching antipsychotic medication to quetiapine.

After 8 weeks on quetiapine, 71.5% of the patients had responded to the drug (defined as ‘very much’ or ‘much’ improved on the CGI-I scale). The mean final CGI-S was 3.46. 83.9% of patients considered the efficacy and 78.2% the tolerability of quetiapine to be ‘very good’ or ‘good’, respectively. Similarly, psychiatrists scored quetiapine as ‘very good’ or ‘good’ in 89.6% and 79.4% of patients for efficacy and tolerability, respectively. The mean final dose of quetiapine was 463 mg/day. Quetiapine was generally well tolerated, with only 55 patients (2.4%) reporting drug related adverse events.

This study suggests that patients suffering from paranoid hallucinatory schizophrenia and patients without any medical or psychiatric comorbidity but with short illness duration and sexual dysfunction as reason for medication switch were most likely to benefit from treatment with quetiapine.

Conclusions: In this ‘real-life’ out-patient project, quetiapine was considered by both physicians and patients to be effective and generally well tolerated for the treatment of schizophrenia.

Key words: Quetiapine, schizophrenia, effectiveness, adverse events, medication switch, antipsychotics

OriginalarbeitFrank Wild, Köln

Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

Eine Analyse der Verordnungen von Methylphenidat und Atomoxetin für Versicherte privater Krankenversicherungen

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist die häufigste psychische Störung bei Kindern und Jugendlichen. Daten zur Verordnungspraxis von Arzneimitteln, die für die Therapie der ADHS zugelassen sind, lagen in Deutschland bislang nur für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) vor. Deshalb wurden nun die Verordnungen dieser Präparate an Versicherte von neun privaten Krankenversicherungsunternehmen (PKV) analysiert. Für Versicherte der GKV wurden 2008 pro Kopf mehr Arzneimittel zur Therapie der ADHS verschrieben als für Versicherte der PKV (6607 vs. 4371 Defined daily doses/1000 Kinder und Jugendliche). Zwischen 2006 und 2008 nahm die Anzahl der verordneten Tagesdosen bei Versicherten der PKV relativ betrachtet stärker zu als bei Versicherten der GKV. 2008 entfielen 92% aller Verordnungen von ADHS-Medikamenten an Versicherte der PKV auf Personen im Alter zwischen 6 und 17 Jahren, für die diese Arzneimittel zugelassen sind, 8% der Verordnungen wurden off Label an Personen außerhalb dieser Altersgruppe verordnet. Männliche PKV-Versicherte erhielten etwa viermal so häufig Arzneimittel zur Therapie der ADHS wie weibliche PKV-Versicherte. Dabei deutete sich eine Altersabhängigkeit an: bei Mädchen unter 7 Jahren war der Anteil der Verordnungen dieser Präparate höher als bei Jungen dieses Alters.
Schlüsselwörter: ADHS, PKV, GKV, Altersverteilung, Geschlechterverteilung
Psychopharmakotherapie 2011;18:84–8.

FlaggeEnglish abstract

Pharmacotherapy of attention-deficit hyperactivity disorder in private health insurance

Attention-deficit hyperactivity disorder (ADHD) is the most frequent psychiatric disorder in childhood and adolescence. Prescribing habits in persons covered by private health insurance (nine companies in Germany) were analysed and compared to those in persons covered by public sick funds. Children and adolescents covered by sick funds receive more DDDs (daily defined dosages) per person (6607 DDDs/1000) than those covered by private insurance (4371 DDDs/1000). From 2006 to 2008, the growth of prescriptions in the private health insurance was higher than in the sick funds. Eight percent of the evaluated receipts were prescribed “off-label”. The frequency of prescriptions is four times higher in males than females. There seems to be a trend towards an age-dependency: females below seven years receive more ADHD prescriptions than their male counterparts.

Key words: ADHD, private health insurance, statutory health insurance, age distribution, gender distribution

Arzneimittelsicherheit/AMSPDavid Fischer-Barnicol, Basel, Renate Grohmann, München, und Gabriela Stoppe, Basel

Kognitive und affektive Nebenwirkungen unter Aripiprazol

Ein 37-jähriger Patient kam mit einem affektgestörten Syndrom und kognitiven Störungen unter Therapie mit Aripiprazol in die Klinik. Vordiagnostiziert war eine schizoaffektive Psychose. Nach zusätzlicher Gabe von Biperiden kam es zu einer Remission. Nach dem Absetzen von Aripiprazol und etwas später von Biperiden traten akustische Halluzinationen auf, woraufhin Aripiprazol erneut angesetzt wurde. Da es darunter erneut zu Affektstörungen und kognitiven Auffälligkeiten kam, wurde Biperiden ebenso wieder angesetzt. Unter dieser Therapie kam es zu einer vollständigen Remission. Der Patient konnte mit einer geringeren Dosis Aripiprazol in Kombination mit Biperiden nach Hause entlassen werden.
Schlüsselwörter: Aripiprazol, Biperiden, Nebenwirkungen, Depression, kognitive Defizite
Psychopharmakotherapie 2011;18:89–91.

FlaggeEnglish abstract

Cognitive and affective side effects with aripiprazole

A 37-year-old patient was admitted as a psychiatric inpatient with a depressive syndrome and cognitive impairment. He had been treated previously with aripiprazole under a diagnosis of schizoaffective disorder. Symptoms disappeared completely after co-treatment with biperiden. When aripiprazole was stopped he developed auditory hallucinations so aripiprazole was re-established. Also biperiden was given again to treat a recurrent depressive mood and cognitive impairment. With a lower dose of aripiprazole and biperiden in combination he could leave the hospital with complete remission of all side effects.

Key words: Aripiprazole, anticholinergics, side effects, depression, cognitive impairment

Referiert & kommentiertDr. Alexander Kretzschmar, München

Immunvermittelte Neuropathien

Gute Evidenz für intravenöse Immunglobuline

Auf dem Gebiet der Neuroimmunologie ist der Forschungsbedarf noch groß. Die steigende Zahl von klinischen Studien lässt aber auf eine Verbesserung der Therapiemöglichkeiten hoffen. Thema eines von der Firma CSL Behring anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie veranstalteten Satellitensymposiums war der Einsatz von Immunglobulinen bei der chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie und der multifokalen motorischen Neuropathie.

Referiert & kommentiertDipl.-Biol. Anne Bleick, Stuttgart

Demenzen

Leitliniengerechte Pharmakotherapie in der Praxis

Ende 2009 wurde die S3-Leitlinie „Demenzen“ veröffentlicht, in der unter anderem Empfehlungen zur Therapie verschiedener Demenzerkrankungen gegeben werden. Bei einem von den Firmen Sanofi-Aventis und Novartis veranstalteten Symposium im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) wurde beleuchtet, wie diese Empfehlungen in der Paxis umgesetzt werden und in welchen Bereichen die Versorgung der Patienten noch verbessert werden könnte.

Referiert & kommentiertSimone Reisdorf, Erfurt-Linderbach

Demenzerkrankungen

Ginkgo-biloba-Spezialextrakt wirksam in Prävention und Therapie

Die positiven Wirkungen des Ginkgo-biloba-Spezialextrakts EGb 761® auf das Zentralnervensystem sind vielfältig. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen klinischer Studien mit Demenzpatienten wider. Entsprechende Daten wurden bei einem von der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG veranstalteten Symposium präsentiert und diskutiert.

Referiert & kommentiertAbdol A. Ameri, Weidenstetten

Multiple Sklerose

Bei der Therapieauswahl Nutzen und Risiken abwägen

Ärzte haben bei der Auswahl einer Therapie die schwierige Aufgabe, für jeden Patienten den Nutzen und mögliche Risiken verschiedener Therapien gegeneinander abzuwägen. Bei Wirkstoffen, die seit Jahren für die Therapie der multiplen Sklerose eingesetzt werden, liegen mittlerweile umfangreiche Erfahrungen aus der Langzeitanwendung vor. Die Ergebnisse der 15-Jahres-Auswertung einer der Zulassungsstudien von Glatirameracetat wurden bei einem von den Firmen Sanofi-Aventis Deutschland und TEVA Pharma veranstalteten Satellitensymposium im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Mannheim vorgestellt.

Referiert & kommentiertPriv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Schwere Depression

Agomelatin stärker wirksam als Fluoxetin

In einer 8-wöchigen Doppelblindstudie wurde die antidepressive Wirksamkeit von Agomelatin (25–50 mg/Tag) mit der von Fluoxetin (20–40 mg/Tag) bei 515 Patienten mit schwerer Depression verglichen. Der Score auf der Hamilton Depression Rating Scale, 17-Item-Version (HAMD17) betrug bei diesen Patienten zu Beginn der Studie mindestens 25 Punkte. Nach acht Wochen war der Score bei den Patienten unter Agomelatin signifikant stärker reduziert als bei den Patienten unter Fluoxetin (p=0,024). Auch bei den sekundären Endpunkten zeigte sich eine überlegene Wirksamkeit von Agomelatin.

Referiert & kommentiertPriv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Bipolar-II-Störung

Fluoxetin in der Prävention depressiver Episoden besser wirksam als Lithium

Patienten mit einer Bipolar-II-Störung, die sich unter einer offenen Fluoxetin-Monotherapie über 12 Wochen von einer depressiven Episode erholt hatten, erhielten randomisiert und doppelblind eine Erhaltungstherapie mit Fluoxetin, Lithium oder Plazebo über 50 Wochen. In der Fluoxetin-Gruppe betrug die mittlere Zeit bis zu einem Rückfall in eine depressive Phase rund 36 Wochen, in der Lithium-Gruppe rund 22 Wochen und in der Plazebo-Gruppe rund 27 Wochen. Die Häufigkeit des Auftretens manischer Symptome unterschied sich zwischen den Behandlungsgruppen nicht signifikant.

Referiert & kommentiertDipl.-Biol. Anne Bleick, Stuttgart

Schizophrenie

Olanzapin-Depot in der Langzeittherapie

Der Einsatz einer Olanzapin-Depotformulierung in der Langzeittherapie der Schizophrenie war Thema eines von der Firma Lilly Deutschland veranstalteten Pressegesprächs im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin.