Wirksamkeit und Verträglichkeit von Quetiapin im klinischen Alltag


Analyse einer Anwendungsbeobachtung bei Patienten mit schizophrenen Störungen in Deutschland (CLINPEP)

Michael Riedel, München/Rottweil, Florian Seemüller, Rebecca Schennach-Wolff, Richard Musil, Ilja Spellmann, Birgit Oppolzer, Hans-Jürgen Möller, München, Jürgen Köhler, Wedel, und Emanuel Severus, München

Ziel: Die Bewertung der Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Quetiapin-Monotherapie bei der Behandlung von ambulanten Schizophrenie-Patienten unter Alltagsbedingungen.
Methoden: Zu Studienbeginn erfolgte die Aufzeichnung der Gründe für die Umstellung auf Quetiapin durch Psychiater (n=1625) und der durch Ärzte und Patienten beurteilten Wirksamkeit und Verträglichkeit der vorherigen Medikation sowie des Schweregrads der Erkrankung gemäß CGI-S-Skala (Clinical global impression – severity). Nach etwa 4 und 8 Wochen wurden die von Ärzten und Patienten beurteilte Wirksamkeit und Verträglichkeit von Quetiapin, die Verbesserung des klinischen Zustands (CGI-I), Vitalfunktionen, Compliance und unerwünschte Ereignisse (UE) erfasst.
Ergebnisse: An der Studie nahmen 2332 auswertbare ambulante Patienten mit Schizophrenie (ICD-10) teil, deren Alter im Mittel 42,2 Jahre betrug. Bei 64% (n=1493) dieser Patienten lautete die Diagnose „paranoide Schizophrenie“. Zum Ausgangszeitpunkt betrug die durchschnittliche Dauer der Erkrankung 12,8 Jahre und der Wert auf der CGI-S-Skala lag bei 4,9. Die häufigsten zuvor verordneten Antipsychotika waren Olanzapin (17,5%), Risperidon (16,6%) und Haloperidol (10,7%). Mangelnde Wirksamkeit (55,7%), Gewichtszunahme (27,8%) und extrapyramidal-motorische Störungen (26%) waren die häufigsten Gründe für die Umstellung der antipsychotischen Medikation auf Quetiapin.
Nach etwa 8 Wochen der Behandlung mit Quetiapin hatten 71,5% der Patienten auf das Präparat angesprochen (definiert als „sehr starke“ oder „starke“ Verbesserung auf der CGI-I-Skala). Von den Patienten bewerteten 83,9% die Wirksamkeit und 78,2% die Verträglichkeit von Quetiapin als „sehr gut“ oder „gut“. Die Psychiater beurteilten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Quetiapin bei 89,6% bzw. 79,4% der Patienten ebenfalls als „sehr gut“ oder „gut“. Die endgültige Quetiapin-Dosis betrug im Mittel 463 mg/Tag. Quetiapin wurde allgemein gut vertragen, nur 55 Patienten (2,4%) berichteten von arzneimittelbezogenen unerwünschten Ereignissen.
Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass Patienten mit paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie, ohne medizinische oder psychiatrische Komorbiditäten, jedoch mit kurzer Krankheitsdauer und mit sexueller Dysfunktion als Umstellungsgrund am meisten von einer Behandlung mit Quetiapin profitieren.
Schlussfolgerungen: Im Rahmen dieses Projekts mit ambulanten Patienten, das unter Alltagsbedingungen stattfand, wurde Quetiapin sowohl von Ärzten als auch von Patienten für die Behandlung von Schizophrenie als wirksam und allgemein gut verträglich bewertet.
Schlüsselwörter: Quetiapin, Schizophrenie, Anwendungsbeobachtung, Nebenwirkungen, Medikamentenwechsel, Antipsychotika
Psychopharmakotherapie 2011;18:75–83.

Bei Plazebo-kontrollierten, randomisierten klinischen Studien werden strenge Ein- und Ausschlusskriterien angewendet, die eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf größere Populationen wie Patienten in psychiatrischen und hausärztlichen Praxen einschränken können. In klinischen und in Forschungskreisen wird kritisiert, dass kontrollierte Studien für die eigentliche Entscheidungsfindung des Klinikers nur einen begrenzten Informationswert böten [1]. Die Autoren gehen davon aus, dass bei Wirksamkeitsstudien zu Antipsychotika nur eine Untergruppe von Patienten untersucht wird, und zweifeln die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse dementsprechend an. In klinische Studien werden in der Regel jüngere Patienten aufgenommen, die, im Gegensatz zum typischen Patienten, keine Komorbiditäten aufweisen. Naturgemäß entsprechen die wenigsten Patienten des klinischen Alltags dieser Definition, vor allem nicht in der Psychiatrie.

Quetiapin (Seroquel®) ist ein atypisches Antipsychotikum, das in den USA nach der Zulassung durch die FDA 1997 eingeführt wurde. Mittlerweile ist es weltweit in mehr als 70 Ländern zugelassen. Quetiapin zeigt zwei bis drei Stunden nach Einnahme einer Einzeldosis eine nur vorübergehende Besetzung der D2-Rezeptoren von 58 bis 64%. Dieses Profil gilt als Grund für die geringe Inzidenz von extrapyramidal-motorischen Störungen (EPS) und erhöhten Prolactinspiegeln, während die antipsychotische Wirkung dennoch ausreichend ist.

Es reicht jedoch nicht aus, die Wirkung eines Arzneimittels nur unter den kontrollierten Bedingungen von klinischen Studien zu kennen; naturalistische Studien sind ebenfalls erforderlich.

Diese „real life“-Studien spiegeln die tägliche klinische Praxis genauer wider und sind für die Beurteilung der Wirksamkeit eines Arzneimittels von wesentlicher Bedeutung. Dank des naturalistischen Studiendesigns können Daten erfasst werden, die für die Beurteilung des realen Nutzens eines Arzneimittels bei der tatsächlichen Behandlung erforderlich sind. Der hier vorgestellten Analyse liegen die während einer 8-wöchigen Beobachtungsphase unter Alltagsbedingungen erfassten Ergebnisse eines Programms zur Evaluation des klinischen Alltags in Deutschland (CLINPEP) zu Quetiapin bei ambulanten Schizophrenie-Patienten zugrunde. Einige dieser Ergebnisse wurden bereits in stark gekürzter Zusammenfassung in einem englischsprachigen Journal publiziert [17].

Die Ärzte wurden gebeten, den Grund für die Umstellung und die vorherige Behandlung der Schizophrenie-Patienten anzugeben, bei denen sie die Verordnung von Quetiapin beschlossen hatten. Die Quetiapin-Dosis, mit der die Patienten behandelt wurden, wurde entsprechend dem Verhältnis von Ansprechen und Nebenwirkungen angepasst. Dann erfolgte in Woche 4 und Woche 8 die Bewertung der Patienten. Aufgrund der großen Anzahl von Patienten, die an dieser Studie teilnahmen, konnten wir die folgenden Fragen in Bezug auf die klinische Situation in Deutschland behandeln

  • Wie sehen Wirksamkeit und Verträglichkeit von Quetiapin bei ambulanten Schizophrenie-Patienten unter naturalistischen Bedingungen aus?
  • Welche Gründe gibt es für die Umstellung von anderen Antipsychotika auf Quetiapin?
  • Welche soziodemographischen Variablen und welche Umstellungsgründe sind geeignete Prognosefaktoren für das Ansprechen auf Quetiapin?

Materialien und Methoden

In dieser multizentrischen, prospektiven, nichtinterventionellen Studie, die ausschließlich in Deutschland durchgeführt wurde, erfassten 1625 niedergelassene Psychiater Ausgangs- und Verlaufsdaten von ambulanten Patienten mit Schizophrenie. Diese Psychiater hatten eine mindestens dreijährige Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie in Krankenhäusern absolviert. Jeder erfasste für die Studie die Daten von maximal zwei bis drei Patienten. Alle Bewertungen wurden von diesen Fachärzten vorgenommen.

Die CLINPEP-Studie war nicht darauf ausgelegt, die normale Behandlungsroutine zu verändern. Alle Patienten wurden zu Beginn und nach etwa 4 und 8 Wochen (letzte Verlaufskontrolle) der Monotherapiebehandlung mit Quetiapin einer standardisierten Untersuchung unterzogen.

In die Studie aufgenommen wurden Patienten im Alter von ≥18 Jahren, bei denen gemäß Internationaler Klassifikation der Krankheiten, Revision 10 (ICD-10) eine Schizophrenie diagnostiziert worden war und bei denen eine Umstellung oder der Beginn einer antipsychotischen Behandlung angezeigt war. Nicht aufgenommen wurden Patienten mit folgenden Diagnosen gemäß ICD-10: Bipolar-I-Störung, substanzinduzierte Psychose oder medizinisch/somatisch bedingte Psychose.

Zum Ausgangszeitpunkt wurde die bisherige antipsychotische Behandlung auf eine Monotherapie mit Quetiapin umgestellt. Mögliche Gründe für die Umstellung waren mangelnde Wirksamkeit oder/und unzureichende Verträglichkeit der vorherigen Medikation oder der Wunsch des Patienten. Die Behandlung mit Quetiapin konnte jederzeit beendet werden. Die Quetiapin-Dosierung erfolgte flexibel und auf Anweisung des behandelnden Arztes.

Der erste Patient wurde im Mai 2002 in die Studie aufgenommen; die letzte Verlaufskontrolle des letzten Patienten fand im September 2004 statt. In Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen wurden die Patienten darüber informiert, dass anonymisierte klinische Daten für die Analyse der Ergebnisse einer nichtinterventionellen Behandlungsauswertung verwendet werden konnten. Eine schriftliche Einwilligungserklärung und die Genehmigung des Prüfplans durch die zuständigen Ethikkommissionen waren gesetzlich nicht erforderlich. Sämtliche Patienten erteilten zumindest mündlich ihre Einwilligung.

Untersuchungen

Zu den durch die Psychiater erfassten Ausgangsdaten gehörten soziodemographische Daten, Prävalenz von Drogenmissbrauch, Diagnose gemäß ICD-10, Krankengeschichte (z.B. frühere stationäre Aufenthalte, Dauer der aktuellen Episode), relevante Begleiterkrankungen, Gründe für die Umstellung auf Quetiapin und bisher verordnete Medikamente. Die aktuelle Psychopathologie wurde zum Ausgangszeitpunkt und in den Wochen 4 und 8 mit der standardisierten „Clinical Global Impression“-Skala (CGI) erfasst. Außerdem wurden Vitalfunktionen, unerwünschte Ereignisse, Begleitmedikationen, Quetiapin-Dosis (bei den Verlaufskontrollen) sowie die Beurteilung der Wirksamkeit und Verträglichkeit der aktuellen Behandlung (als „sehr gut“, „gut“, „zufriedenstellend“ und „unzureichend“) durch den Arzt und den Patienten erfasst. Die allgemeine klinische Bewertung erfolgte anhand der CGI-Skala.

Statistik

In die Analyse aufgenommen wurden Patienten, für die neben den Daten der Ausgangsuntersuchung auch die Daten von mindestens einer späteren Untersuchung vorlagen. Aus der Studie ausgeschlossene Patienten (mit mindestens einer zweiten CGI-Beurteilung) und Drop-outs wurden auf einer Intention-to-treat-Basis in die Analyse eingeschlossen, wobei die LOCF(Last observation carried forward)-Methode angewandt wurde. Es wurden nur solche Nebenwirkungen als unerwünschte Ereignisse aufgeführt, die der Arzt in einem möglichen oder wahrscheinlichen Zusammenhang mit der Medikation sah. Die primären Zielparameter waren CGI-Schweregrad (CGI-S) und CGI-Verbesserung (CGI-I).

Definition für ein therapeutisches Ansprechen war eine „starke“ oder „sehr starke“ CGI-Verbesserung. Remission wurde als ein CGI-Schweregrad „keine Symptome“ oder „minimale Symptome“ definiert. Abgesehen von den üblichen deskriptiven statistischen Analysen wurden, soweit angemessen, exakte Fisher-Tests, t-Tests und Wilcoxon-Tests verwendet.

Für die Vorhersage des Ansprechens wurde ein hypothesenfreies, dreistufiges Verfahren verwendet. In der ersten Stufe erfolgte mit univariaten Tests ein Screening auf einfache Assoziationen mit den erhobenen Ausgangsvariablen, zu denen auch die Prämedikation und der Umstellungsgrund zählten. Zweitens wurden logistische Regressionsmodelle geschätzt, für die alle zuvor assoziierten Variablen mit einem Signifikanzniveau von höchstens 0,1 herangezogen wurden, um zuverlässige Prädiktoren für das therapeutische Ansprechen zu ermitteln. Um das hinsichtlich der Anpassungsqualität am besten geeignete Modell auszuwählen, wurden Kovariablen mit geringer Assoziation anschließend gemäß Devianzanalysen für verschachtelte Modelle entfernt. Die dritte Stufe bestand aus einer CART-Analyse (CART: Classification and regression trees) derselben Ausgangsvariablen, um die aus dem Regressionsmodell abgeleiteten Prädiktoren zu bestätigen. In einem solchen Klassifikationsbaum wird versucht, die Gruppe der Responder von der Gruppe der Nonresponder anhand der Ausgangsvariablen zu trennen. Dazu werden rekursiv binäre Aufteilungen der Stichprobe vorgenommen, die jeweils zu einer bestmöglichen Trennung von Respondern und Nonrespondern anhand der Ausgangsvariablen führen.

Alle statistischen Analysen wurden mit der Statistik-Software R 2.5.1 durchgeführt.

Ergebnisse

Patienten

Insgesamt nahmen 2442 ambulante Patienten mit Schizophrenie an der CLINPEP-Studie teil. Es mussten 58 Patienten aufgrund unvollständiger Ausgangsdaten und 52 Drop-outs (2,1%) aus der Analyse ausgeschlossen werden. Letztendlich stand für die Analyse ein vollständiger Datensatz von 2332 Patienten zur Verfügung. Bei etwa der Hälfte (52,6%) der Studienteilnehmer handelte es sich um Frauen. Das mittlere Alter aller Patienten betrug 42,2±15,4 Jahre, wobei die meisten Patienten zwischen 21 und 60 Jahren alt waren (Tab. 1). Die Mehrheit der Patienten litt unter dem Subtyp „paranoid-halluzinatorische Schizophrenie“ (64%), gefolgt von 8,8% mit schizophrenem Residuum, 5,6% mit nicht näher bezeichneter Schizophrenie und 5,4% mit undifferenzierter Schizophrenie. Insgesamt betrug die mittlere Krankheitsdauer 12,83 Jahre. Bei 19,5% handelte es sich um Schizophrenie-Patienten mit einer ersten Episode und bei 80,5% um Patienten mit multiplen Episoden. Die aktuelle Episode hatte eine mittlere Dauer von 2,7±5,4 Monaten. Komorbiditäten (somatische und psychiatrische) bestanden bei 23% der Patienten. Die häufigste somatische Komorbidität war Hypertonie (6,7%) und die häufigsten psychiatrischen Komorbiditäten waren Alkoholabhängigkeit (14%) und Missbrauch illegaler Drogen (10,1%), gefolgt von majorer Depression (1,5%) (Tab. 2).

Tab. 1. Klinische Daten der Patienten

Parameter

Gesamt

(n=2332)

Responder

(n=1666)

Nonresponder

(n=666)

p-Wert

Geschlecht

Männlich
Weiblich

1105 (47,4%)
1210 (52,6%)

782 (33,5%)
870 (37%)

323 (14%)
340 (14,5%)

0,55

Alter [Jahre]*

42,2±15,4

41,7±15,4

43,6±5,4

0,006

Body-Mass-Index [kg/m2]*

26,0±4,3

25,9±4,2

26,3±4,7

0,0518

Aktuelle psychiatrische Diagnose

F20.0 – Paranoide Schizophrenie

1493 (64%)

1129 (67,7%)

364 (54,6%)

<0,0001

Dauer der Schizophrenie [Jahre]*
(1. Quartil, Median, 2. Quartil)

12,83±14,00 (3, 8, 19)

11,97±13,54 (2, 7,5, 18)

14,98±14,91 (4, 11, 21)

<0,0001

Abhängigkeit

Alkohol

327 (14%)

227 (13,6%)

100 (15%)

0,4841

Andere, illegale Drogen

235 (10,1%)

162 (9,7%)

73 (11%)

Sedativa

108 (4,6%)

58 (3,5%)

50 (7,5%)

Nicotin

669 (28,7%)

503 (30,2%)

166 (24,9%)

Coffein

335 (14,4%)

237 (14,2%)

98 (14,7%)

Dauer der aktuellen Episode [Monate]*

2,7±5,4

3,7±6,2

2,4±5,0

<0,0001

Frühere Episoden

Erste Episode

455 (19,5%)

327 (19,6%)

128 (19,2%)

0,8623

Multiple Episoden

1877 (80,5%)

1339 (80,4)

538 (80,2%)

Anzahl der früheren Episoden** (1. Quartil, Median, 2. Quartil)

4,34±4,65 (1, 3, 6)

4,72±4,54 (1, 3, 6)

4,72±4,91 (1, 4, 7)

0,01784

Bisherige stationäre Behandlungen [n]* (1. Qu., Median, 2. Qu.)

2,30±2,91 (0, 2, 3)

2,07±2,56 (0, 1, 3)

2,87±3,60 (1, 2, 4)

<0,0001

Komorbiditäten

0

1795 (77%)

1324 (79,5%)

471 (70,7%)

<0,0001

>1

537 (23%)

342 (20,5%)

195 (29,3%)

Medikamentennaive Patienten [n]

465 (19,9%)

376 (22,6%)

82 (12,3%)

<0,0001

Häufigste zuvor verordnete Antipsychotika

Olanzapin

409 (17,5%)

271 (16,3%)

138 (20,7%)

0,01139

Risperidon

388 (16,6%)

261 (15,7%)

127 (19,1%)

0,04894

Haloperidol

249 (10,7%)

179 (10,7%)

70 (11,5%)

0,9408

Ausgangs-CGI*

4,94±0,9

4,95±0,87

4,91±1

0,385

*Mittelwert ± Standardabweichung; für den Vergleich Responder/Nonresponder

Tab. 2. Somatische (>1%) und psychiatrische Komorbiditäten (außer Abhängigkeit)

Komorbiditäten

Anzahl

Anteil

Somatisch

Hypertonie

157

6,73%

Diabetes mellitus

78

3,50%

Adipositas

38

1,63%

Psychiatrisch

Depression

36

1,54%

Mentale Retardierung

17

0,73%

Angststörung

4

0,17%

Zwangsstörung

4

0,17%

PTBS

3

0,13%

Persönlichkeitsstörung

2

0,09%

PTBS: posttraumatische Belastungsstörung

Umstellungsgründe und vorherige Medikation

Zu Beginn der CLINPEP-Studie waren 19,9% der Patienten unbehandelt. Die häufigsten zuvor verordneten Medikamentenklassen waren atypische Antipsychotika (47%) und typische Antipsychotika (38,5%) (Tab. 3). Die häufigsten zuvor verordneten Antipsychotika waren Olanzapin (17,5%), Risperidon (16,6%) und Haloperidol (10,7%) (Tab. 1).

Tab. 3. Medikation vor der Quetiapin-Behandlung

Medikation

Gesamt

Responder

Nonresponder

p-Wert

Atypische Antipsychotika

1097 (47%)

725 (43,5%)

372 (55,9%)

<0,0001

Typische Antipsychotika

897 (38,5%)

623 (37,4%)

274 (41,1%)

0,0991

Trizyklische Antidepressiva

144 (6,2%)

97 (5,8%)

47 (7,1%)

0,294

Benzodiazepine

240 (10,3%)

176 (10,6%)

64 (9,6%)

0,5462

Phasenprophylaktika

70 (3%)

46 (2,8%)

24 (3,6%)

0,2842

SSRI

187 (8%)

120 (7,2%)

67 (10,1%)

0,0279

SSNRI

28 (1,2%)

17 (1%)

11 (1,7%)

0,2107

SSRI: selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer; SSNRI: selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Der wichtigste alleinige Grund für eine Umstellung war bei 55,7% der Patienten mangelnde Wirksamkeit. Andere Patienten wollten die Medikation aus folgenden Gründen umstellen: Gewichtszunahme (30,7%), extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen (26%), sexuelle Dysfunktion (12,9%) sowie Hyperprolaktinämie (6,6%) (Tab. 4, Abb. 1).

Tab. 4. Gründe für die Umstellung auf Quetiapin

Grund

Gesamt

Responder

Nonresponder

p-Wert

EPS

606 (26%)

438 (26,3%)

168 (25,2%)

0,64

Gewichtszunahme

715 (30,7%)

497 (29,8%)

218 (32,7%)

0,18

Hyperprolaktinämie

154 (6,6%)

116 (7%)

38 (5,7%)

0,31

Sexuelle Dysfunktion

300 (12,9%)

228 (13,7%)

72 (10,8%)

0,06

Mangelnde Wirksamkeit

1298 (55,7%)

932 (56%)

366 (55%)

0,68

EPS: extrapyramidal-motorische Symptome

Abb. 1. Gründe für die Umstellung auf Quetiapin bei Patienten, die zuvor Haloperidol, Risperidon oder Olanzapin erhalten hatten. EPS: extrapyramidal-motorische Störungen

Bei den mit Risperidon behandelten Patienten waren die häufigsten Gründe für eine Umstellung mangelnde Wirksamkeit (64,6%), gefolgt von EPS (45,9%) und Gewichtszunahme (19,1%), während es bei den mit Olanzapin behandelten Patienten Gewichtszunahme (71,2%), mangelnde Wirksamkeit (50,5%) und sexuelle Dysfunktion (17,3%) waren. Bei den Patienten, die Haloperidol eingenommen hatten, waren die Umstellungsgründe hingegen EPS (67,1%), mangelnde Wirksamkeit (66,2%) und Gewichtszunahme (28,8%) (Abb. 1). Frauen gaben als Umstellungsgründe häufiger Gewichtszunahme (34% gegenüber 21,4%) und erhöhte Prolactinspiegel (9,4% gegenüber 3,6%) an als Männer, die eine Umstellung häufiger aufgrund sexueller Dysfunktion wünschten (17,4% gegenüber 8,6%) (Abb. 2).

Abb. 2. Gründe für die Umstellung auf Quetiapin bei allen, bei Männern und bei Frauen

Dosierung

Alle Patienten erhielten während der gesamten 8 Wochen eine Quetiapin-Monotherapie. Die mittlere Tagesdosis Quetiapin betrug 100 mg an Tag 1, 125 mg an Tag 2, 200 mg an Tag 3, 300 mg an Tag 4 und 350 mg an Tag 5. Nach etwa 4 bzw. 8 Wochen betrug die mittlere Tagesdosis Quetiapin 441 mg bzw. 463 mg. Allerdings erhielten 34,2% bzw. 37,0% der Patienten in Woche 4 bzw. Woche 8 Tagesdosen von mindestens 600 mg.

Wirksamkeit

CGI-Schweregrad. Zum Ausgangszeitpunkt betrug der mittlere Wert auf der CGI-S-Skala 4,9, was bedeutete, dass die Patienten im Durchschnitt „deutlich krank“ waren. Nach ungefähr 4 bzw. 8 Wochen (CGI-S 4,04 bzw. 3,46) zeigten die Patienten eine kontinuierliche Verbesserung. Nach 8 Wochen hatten 53% der Patienten nur noch minimale oder gar keine Symptome und der CGI-S-Wert lag zwischen 1 und 3, das heißt, die Patienten befanden sich in Remission.

CGI-Verbesserung. Wie in Abbildung 3 veranschaulicht wird, betrug der Anteil der CGI-Responder, also der Patienten, denen es „sehr viel besser“ oder „viel besser“ ging, nach etwa 4 Wochen 47% und nach 8 Wochen 71,4%, was eine klinisch bedeutsame Verbesserung darstellt.

Abb. 3. CGI-Verbesserung während der Beobachtungsphase

Verträglichkeit

Unerwünschte Ereignisse (UE) wurden von 69 Patienten (3%) gemeldet. Insgesamt meldeten 55 Patienten (2,36%) UE, die von den Ärzten auf Quetiapin zurückgeführt wurden. Sedierung, Schwindel, Müdigkeit und Gewichtszunahme waren die am häufigsten genannten UE (Tab. 5).

Tab. 5. Prävalenzraten der unerwünschten Ereignisse (UE), die Ärzte auf die Quetiapin-Behandlung zurückführten

Ereignis

Häufigkeit [n]

Sedierung

15

Schwindel

14

Müdigkeit

12

Gewichtszunahme

5

Rhinitis

2

Akathisie

2

Gastrointestinal

2

Hypertonie

1

Hypotonie

1

Pruritus

1

Gesamt

55 (2,36%)

Es gab keine signifikante Änderung des mittleren Körpergewichts vom Ausgangszeitpunkt bis zum Endpunkt: Das mittlere Gewicht betrug zum Ausgangszeitpunkt 77,12±13,87 kg und beim letzten Besuch 76,87±13,62 kg.

Bei zwei Patienten traten schwere UE auf: Ein Patient wurde aufgrund von neuromuskulärer Hyperaktivität stationär behandelt und ein Patient starb an Pneumonie. Der Todesfall stand nicht in Zusammenhang mit der Behandlung.

Gesamteindruck der Patienten und Ärzte

Nach ungefähr 8 Wochen der Behandlung mit Quetiapin beurteilten mehr als 80% der Patienten die Wirksamkeit der Behandlung als „sehr gut“ (35,4%) oder als „gut“ (48,5%). Von den Ärzten bewerteten etwas mehr die Wirksamkeit von Quetiapin als „sehr gut“ (45%) oder als „gut“ (44,6%) (Abb. 4).

Abb. 4. Beurteilung der Wirksamkeit von Quetiapin während der Beobachtungsphase durch Ärzte und Patienten

Die Verträglichkeit von Quetiapin wurde nach etwa 8 Wochen von 78,2% der Patienten als „sehr gut“ (30,5%) oder als „gut“ (47,7%) beurteilt. Die Ärzte bewerteten die Verträglichkeit etwas besser als die Patienten, und zwar 34,6% als „sehr gut“ und 44,8% als „gut“ (Abb. 5).

Abb. 5. Beurteilung der Verträglichkeit von Quetiapin während der Beobachtungsphase durch Ärzte und Patienten

Prädiktoren für das Ansprechen auf Quetiapin

Univariate Assoziationen mit dem Ansprechen nach etwa 8 Wochen

Die folgenden Variablen waren positiv mit dem Ansprechen assoziiert: geringeres Alter, Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie (ICD-10: F20.0), kürzere Krankheitsdauer, kürzere Dauer der aktuellen Episode, geringere Anzahl vorheriger Episoden, geringere Anzahl bisheriger stationärer Aufenthalte, weniger Komorbiditäten, keine Vorbehandlung mit einem atypischen Antipsychotikum oder einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI).

Interessanterweise waren weder Alkohol- noch Drogenmissbrauch mit einem schlechteren Ansprechen auf Quetiapin assoziiert (Tab. 1). Ein Trend bestand bei sexueller Dysfunktion als Umstellungsgrund (Tab. 4).

Logistische Regressionsmodelle

Die logistischen Regressionsmodelle ergaben die folgenden Prädiktoren für ein positives Ansprechen auf Quetiapin: sexuelle Dysfunktion als Umstellungsgrund, keine Vorbehandlung mit atypischen Antipsychotika, keine Komorbiditäten, geringere Krankheitsdauer und Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie (Tab. 6).

Tab. 6. Signifikante Prädiktoren für das Ansprechen auf die Quetiapin-Behandlung gemäß logistischer Regression

Schätzwert

p-Wert

Sexuelle Dysfunktion

0,51

0,0208

Prämedikation mit atypischem Antipsychotikum

–0,57

<0,0001

Keine Komorbidität

0,34

0,0029

Krankheitsdauer

–0,01

0,0032

Diagnose F20.0

0,49

<0,0001

CART-Analyse

Mit der CART-Analyse konnten als signifikante Prädiktoren die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie (ICD-10: F20.0), keine Vorbehandlung und eine kurze Episodendauer bestätigt werden. Dementsprechend waren 88% der medikamentennaiven Patienten mit einer F20.0-Diagnose und einer Dauer der aktuellen Episode von weniger als 8 Monaten Responder (Abb. 6).

Abb. 6. CART-Analyse der möglichen Prädiktoren für das Ansprechen auf die Quetiapin-Behandlung. CART: Classification and regression trees

Diskussion

Mit dieser offenen, 8-wöchigen Studie wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Quetiapin-Monotherapie bei Schizophrenie-Patienten untersucht, die ambulant von niedergelassenen Psychiatern behandelt wurden. Das primäre Ziel – die Auswertung einer repräsentativen Stichprobe – wurde erreicht, wie zum Beispiel an der hohen Rate von Patienten mit multiplen Episoden (80%), der langen mittleren Krankheitsdauer von 13 Jahren und der hohen Komorbiditätsrate deutlich wird. Diese klinischen Daten sind insgesamt mit den Daten der Patienten vergleichbar, die an der CATIE-Studie teilnahmen [2]. Der CGI-Ausgangswert in der hier vorliegenden Studie von annähernd 5 war jedoch weitaus höher und deutet somit auf eine Stichprobe mit einer akuteren Erkrankung hin als bei den Patienten der CATIE-Studie, deren mittlerer CGI-Wert bei Studieneinschluss 4 betrug [2].

Die Abbruchrate lag insgesamt bei 2,1%, die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen betrug 2,8% und nur bei zwei Patienten traten schwere unerwünschte Ereignisse auf. Diese Daten bestätigen die Ergebnisse eines kürzlich veröffentlichten Berichts von 693 Schizophrenie-Patienten, die mit einer mittleren Quetiapin-Dosis von 555 mg/Tag behandelt wurden und bei denen die gesamte mittlere Inzidenzrate der therapiebedingten unerwünschten Ereignisse 3,7% betrug [3].

Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen außerdem frühere Studien, mit denen die Wirksamkeit von Quetiapin bei Schizophrenie nachgewiesen wurde [1, 4]. Da es sich nur um einen kurzen Beobachtungszeitraum handelte, haben wir uns auf das CGI-Ansprechen als primäre Zielvariable konzentriert. Ungefähr 47% der Patienten waren nach Woche 4 Responder und nach Woche 8 betrug die Responder-Rate 71,4%, was einer „starken“ oder „sehr starken“ CGI-Verbesserung entsprach. Darüber hinaus bewerteten nach etwa 8 Wochen 83,9% der Patienten die Wirksamkeit von Quetiapin als „gut“ oder „sehr gut“. Diese Einschätzung stimmte weitgehend mit der Einschätzung der Ärzte überein, die die Wirksamkeit von Quetiapin bei 89,6% der Patienten ebenfalls als „gut“ oder „sehr gut“ beurteilten.

Die zuvor bereits erwähnte Studie über die Wirksamkeit von Quetiapin hatte ähnliche Ergebnisse gezeigt. Nach 12 Wochen der Behandlung mit Quetiapin war die Wirksamkeit von den Ärzten in 82,7% der Fälle als „sehr gut“ oder „gut“ beurteilt worden, während 78,8% der Patienten das Urteil „sehr gut“ oder „gut“ abgegeben hatten [3]. Eine Metaanalyse anderer sogenannter Effectiveness-Studien wie der CATIE-Studie erbrachte teils andere Ergebnisse. Es gibt Hinweise darauf, dass Quetiapin im direkten Vergleich mit anderen atypischen Antipsychotika (second generation antipsychotics – SGA) möglicherweise weniger wirksam ist [5–8]. Die beobachtete überlegene Wirksamkeit einiger SGA gegenüber anderen lässt sich eventuell durch die Tatsache erklären, dass die optimalen Dosisbereiche für Olanzapin, Risperidon und Amisulprid zum Zeitpunkt der Studie besser definiert waren als die für Quetiapin, Ziprasidon und Aripiprazol [5]. In der vorliegenden Studie betrug die mittlere Dosis in Woche 8 etwa 463 mg, wobei etwa 37% der Patienten eine Dosis von mehr als 600 mg erhielten und somit eindeutig im oberen Dosisbereich von Quetiapin lagen. Demgemäß können zumindest bei chronisch Erkrankten zur Erzielung eines optimalen Therapieergebnisses höhere Quetiapin-Dosierungen erforderlich sein.

Bei der Beurteilung der Wirksamkeit eines Medikaments unter Alltagsbedingungen wird vor allem auch die Verträglichkeit untersucht. Nach der 8-wöchigen Quetiapin-Monotherapie wurde die Verträglichkeit von den Ärzten in 44,8% der Fälle als „gut“ und in 34,6% der Fälle als „sehr gut“ eingestuft.

Unerwünschte Ereignisse wurden in dieser Studie allerdings nicht systematisch erfasst, weshalb Aussagen über die Verträglichkeit nur unter Einschränkungen erfolgen können. EPS werden häufig mit standardisierten Erhebungsinstrumenten wie der Simpson-Angus-Skala erfasst und somit liegt bei dieser Studie möglicherweise eine Unterschätzung der tatsächlichen Inzidenz an EPS vor.

Das mittlere Gewicht blieb während der Studie bemerkenswerterweise konstant. Zum Ausgangszeitpunkt betrug das mittlere Gewicht 77,12±13,87 kg und bei der letzten Visite bei 76,87±13,62 kg, so dass von keiner signifikanten Gewichtszunahme gesprochen werden kann. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu den Daten aus randomisierten, kontrollierten 6-Wochen-Studien, die eine mäßige mittlere Gewichtszunahme von 2,08 kg verzeichneten. In Langzeitstudien zeigen sich jedoch auch mäßige Zunahmen im Bereich von 0,5 kg pro Jahr. Tatsächlich scheint die Gewichtsstabilität jedoch das Ergebnis eines systematischen Fehlers der vorliegenden Studie zu sein und nicht eine tatsächliche Gewichtsneutralität von Quetiapin darzustellen: Gewichtszunahme war bei mehr als 70% der mit Olanzapin behandelten Patienten der Umstellungsgrund und Olanzapin wiederum war das am häufigsten zuvor verordnete Medikament. Olanzapin gehört zu den atypischen Antipsychotika mit der deutlichsten Wirkung auf das Körpergewicht; es bewirkt bei etwa 30% der Patienten eine Gewichtszunahme, während dies mit Quetiapin zum Beispiel in der CATIE-Studie nur bei 14% der Patienten der Fall war [9]. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die zuvor durch Olanzapin bewirkte Gewichtszunahme die mäßige Zunahme bei Quetiapin übertrifft, weshalb es nach der Umstellung der Medikation zu keiner wesentlichen Gewichtsveränderung kommt.

Die Ergebnisse dieser CLINPEP-Studie und der CATIE-Analyse deuten darauf hin, dass die Wirksamkeit und Akzeptanz antipsychotischer Medikamente stark von den klinischen Umständen abhängen können, zu denen natürlich auch individuelle Gründe für die Umstellung der Medikation zählen [6]. Anders ausgedrückt: die bisherige Therapie und das vorbekannte Ansprechen/Nichtansprechen auf bestimmte Medikamente sowie bereits bekannte Nebenwirkungen haben bei der Auswahl des neuen Antipsychotikums einen hohen Stellenwert.

Diese Auffassung wird durch die Tatsache bestätigt, dass sich sexuelle Dysfunktion als signifikanter Prädiktor für ein gutes Ansprechen auf Quetiapin erwiesen hat. Eine der häufigsten Ursachen für durch Neuroleptika verursachte sexuelle Dysfunktion ist Hyperprolaktinämie. Zusammen mit sexueller Dysfunktion war Hyperprolaktinämie der dritthäufigste Grund (bei etwa 20% der Patienten) für die Umstellung auf Quetiapin. Die geringe Inzidenz während der Behandlung mit Quetiapin stimmt mit den Ergebnissen aus randomisierten kontrollierten Studien überein. Bei drei klinischen Studien zeigte die Analyse der Prolactinspiegel im Blut, dass bei den untersuchten Dosisbereichen nach einer sechswöchigen Behandlung kein Unterschied zwischen Quetiapin und Plazebo bestand, was die Wirkung auf die Prolactinspiegel im Plasma betraf. Darüber hinaus zeigen die Daten der CATIE-Studie, dass mit Quetiapin behandelte Patienten die höchste Gesamtverringerung der Prolactinwerte nach Studienbeginn aufwiesen, im Mittel –2,7 ng/dl. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden jedoch keine Blutspiegel erfasst, wodurch die Aussagen der CLINPEP-Studie diesbezüglich eingeschränkt sind.

Folgende weitere Variablen waren in der vorliegenden Analyse durchgehend mit einem guten Ansprechen auf Quetiapin assoziiert: keine Prämedikation, vor allem keine Vorbehandlung mit einem atypischen Antipsychotikum, keine medizinischen oder psychiatrischen Komorbiditäten, kürzere Krankheitsdauer und die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie (Tab. 6). Interessant ist, dass dem paranoiden Subtyp in der Vergangenheit wiederholt ein gutes Ansprechen auf Clozapin zugeordnet wurde [10–12], jedoch bisher nicht auf andere atypische Antipsychotika. Bedenkt man jedoch die beachtliche Überschneidung der Rezeptorprofile beider Sustanzen, so ist dies nicht weiter erstaunlich. Dagegen haben sich bei medikamentennaiven Patienten und insbesondere bei Patienten mit erstmaliger Episode durchgehend hervorragende Ansprechraten auf sämtliche antipsychotischen Therapien gezeigt [13]. Insgesamt lässt sich festhalten, dass medikamentennaive Patienten mit paranoidem Subtyp oder Patienten mit kurzer Krankheitsdauer, die über sexuelle Dysfunktion klagen und aus diesem Grund eine Umstellung der Medikation wünschen, sowie Patienten ohne Komorbiditäten wahrscheinlich zu denjenigen gehören, die am meisten von einer Behandlung mit Quetiapin profitieren. Einige dieser Prädiktoren, die mit Regressionsmodellen ermittelt wurden, konnten durch eine zweite, statistisch unabhängige CART-Analyse bestätigt werden. Diese Analyse ergab als wichtigste Prädiktoren den paranoid-halluzinatorischen Subtyp, keine Prämedikation und kürzere Krankheitsdauer. Dementsprechend waren 88% der Patienten, auf die alle dieser drei Prädiktoren zutrafen, nach etwa 8 Wochen Responder (Abb. 6). Ganz ähnliche Ausgangsvariablen wurden bei der oben genannten Wirksamkeitsstudie zu Quetiapin als Prädiktoren für eine symptomatische Remission ermittelt. Wobrok et al. identifizierten die Diagnose des paranoid-halluzinatorischen Subtyps, weniger Komorbiditäten, eine kürzere Krankheitsdauer, geringere Anzahl bisheriger stationärer Aufenthalte und geringeres Alter als signifikante Prädiktoren für eine Rückbildung der Symptome nach einer 12-wöchigen Behandlung [3].

Naturalistische Studien sind nicht ohne Einschränkungen. Eine Erklärung für die hervorragenden Wirksamkeitsergebnisse für Quetiapin bei der CLINPEP-Studie könnte der besondere Kontext der Medikationsumstellung sein. Diese Studie unterscheidet sich ganz wesentlich von Studien zu Patienten mit einer ersten Episode und ohne jegliche Vorbehandlung, da 80% der Patienten zuvor bereits behandelt worden waren. Dementsprechend wurden Patienten, die möglicherweise bereits negative Erfahrungen mit einer Quetiapin-Behandlung gemacht hatten, systematisch ausgeschlossen (da sie kaum daran interessiert gewesen wären, Quetiapin erneut einzunehmen), während Patienten, die mit anderen Medikamenten unbefriedigende Erfahrungen gemacht hatten, systematisch der Studienpopulation hinzugefügt wurden, wodurch schließlich die Chancen auf ein Ansprechen auf Quetiapin maximiert wurden.

Andere Einschränkungen, wie die fehlende Randomisierung und Verblindung, sind in der Literatur hinlänglich diskutiert worden. Allerdings sind naturalistische Studien in der Regel groß angelegt, und können so wertvolle Informationen liefern, mit denen die Resultate kontrollierter Studien ergänzt werden können. Eine Einschränkung der Studie besteht darin, dass die Diagnosen von den behandelnden Ärzten kodiert und nicht systematisch mit einem Diagnoseinstrument erfasst wurden. Da es sich um eine große Beobachtungsstudie der Alltagspraxis handelte, waren einige methodische Einschränkungen nicht zu vermeiden. Die Bewertungen wurden durch den behandelnden Arzt vorgenommen, der somit gegenüber den Patienten oder deren Vorgeschichte nicht verblindet war. Eine Verzerrung der Beurteilungen aufgrund ärztlicher Befangenheit ist somit potenziell denkbar. Wie bereits angemerkt, kann es gut möglich sein, dass Ärzte genau solchen Patienten Quetiapin verschrieben haben, bei denen sie eine Besserung der Symptome oder geringere Nebenwirkungen erwarteten. Diese Positivauswahl könnte die Ergebnisse hin zu einem positiveren Ergebnis verschoben haben. Des Weiteren wurde die Interrater-Reliabilität für die CGI-Erfassung nicht bestimmt. Daneben wurden keine Gründe für das Abbrechen der Quetiapin-Monotherapie erfasst. Eine weitere bedeutende Einschränkung unserer Studie besteht in der fehlenden Bewertung weiterer potenziell relevanter Prädiktoren wie der Dauer einer unbehandelten Psychose, dem prämorbiden Anpassungsgrad, der beruflichen Situation oder der neuropsychologischen Leistung. Auch erfolgte keine detaillierte Erfassung der Psychopathologie durch standardisierte Erhebungsinstrumente wie beispielsweise PANSS (Positive and negative syndrome scale), der Parameter der funktionellen Remission (z.B. Berufstätigkeit, eigenständiges Leben) und der Lebensqualität bzw. des subjektiven Wohlergehens. Die CGI-Skala wurde jedoch speziell als Bewertungsinstrument für psychiatrische Studien entwickelt und hat sowohl eine hohe Augenscheinvalidität als auch hohe Korrelationen mit PANSS-Werten gezeigt. Deshalb wurde sie verwendet, um die optimalen Schwellenwerte des prozentualen Rückgangs auf der PANSS oder BPRS (Brief psychiatric rating scale) zu bestimmen, die am besten der jeweiligen CGI-Verbesserung „stark“ oder „sehr stark“ entsprachen, welche in dieser Studie als primäre Endpunkte verwendet wurden [14–16].

Die Stärke dieser Studie besteht in der großen Stichprobe und der niedrigen Rate von Drop-outs aufgrund mangelnder Wirksamkeit oder inakzeptabler Verträglichkeit. In der CATIE-Studie brachen die meisten Patienten ihre anfängliche Behandlung aufgrund mangelnder Wirksamkeit ab (etwa 23%). In unserer Studie erwies sich Quetiapin als wirksam, da es bei den meisten ambulanten Patienten mit Schizophrenie nach der relativ kurzen Behandlungsdauer von zwei Monaten ein Ansprechen bewirkte.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass diese große Open-Label-Studie zu Quetiapin, an der 2332 von Fachärzten in Deutschland behandelte Patienten teilnahmen, eine heterogene Gruppe von Patienten umfasste, einschließlich solcher mit begleitenden psychiatrischen Störungen, Erkrankungen und Begleitmedikationen sowie unterschiedlichsten Alters. Es handelte sich somit um die Art von Patienten, die typischerweise in der Praxis eines niedergelassenen Arztes anzutreffen sind. Die Behandlung mit Quetiapin war mit hohen Ansprechraten assoziiert und die Verträglichkeit war in der Regel sehr gut.

Literatur

1. Rabinowitz J, Bromet EJ, Davidson M. Are patients enrolled in first episode psychosis drug trials representative of patients treated in routine clinical practice? Schizophr Res 2003;61:149–55.

2. Lieberman JA, Stroup TS, McEvoy JP, et al. Effectiveness of antipsychotic drugs in patients with chronic schizophrenia. N Engl J Med 2005;353:1209–23.

3. Wobrock T, Kohler J, Klein P, Falkai P. Achieving symptomatic remission in out-patients with schizophrenia – a naturalistic study with quetiapine. Acta Psychiatr Scand 2009;120:120–8.

4. Shajahan P, Keith S, Majjiga C, et al. Comparing the effectiveness of aripiprazole and quetiapine in schizophrenia and related psychoses: a naturalistic, retrospective chart review study. J Clin Psychiatry 2009;70:692–8.

5. Tandon R, Belmaker RH, Gattaz WF, et al. World Psychiatric Association Pharmacopsychiatry Section statement on comparative effectiveness of antipsychotics in the treatment of schizophrenia. Schizophr Res 2008;100:20–38.

6. Stroup TS, Lieberman JA, McEvoy JP, et al. Effectiveness of olanzapine, quetiapine, and risperidone in patients with chronic schizophrenia after discontinuing perphenazine: a CATIE study. Am J Psychiatry 2007;164:415–27.

7. Rosenheck RA, Davis S, Covell N, et al. Does switching to a new antipsychotic improve outcomes? Data from the CATIE trial. Schizophr Res 2009;107:22–9.

8. Leucht S, Pitschel-Walz G, Abraham D, Kissling W. Efficacy and extrapyramidal side-effects of the new antipsychotics olanzapine, quetiapine, risperidone, and sertindole compared to conventional antipsychotics and placebo. A meta-analysis of randomized controlled trials. Schizophr Res 1999;35:51–68.

9. Baptista T, ElFakih Y, Uzcategui E, et al. Pharmacological management of atypical antipsychotic-induced weight gain. CNS Drugs 2008;22:477–95.

10. Lieberman JA, Kane JM, Safferman AZ, et al. Predictors of response to clozapine. J Clin Psychiatry 1994;55(Suppl B):126–8.

11. Chung C, Remington G. Predictors and markers of clozapine response. Psychopharmacology (Berl) 2005;179:317–35.

12. Umbricht DS, Wirshing WC, Wirshing DA, et al. Clinical predictors of response to clozapine treatment in ambulatory patients with schizophrenia. J Clin Psychiatry 2002;63:420–4.

13. Möller HJ, Riedel M, Jager M, et al. Short-term treatment with risperidone or haloperidol in first-episode schizophrenia: 8-week results of a randomized controlled trial within the German Research Network on Schizophrenia. Int J Neuropsychopharmacol 2008;11:985–97.

14. Levine SZ, Rabinowitz J, Engel R, Etschel E, et al. Extrapolation between measures of symptom severity and change: an examination of the PANSS and CGI. Schizophr Res 2008;98:318–22.

15. Leucht S, Kane JM, Etschel E, Kissling W, et al. Linking the PANSS, BPRS, and CGI: clinical implications. Neuropsychopharmacology 2006;31:2318–25.

16. Leucht S, Kane JM, Kissling W, Hamann J, et al. What does the PANSS mean? Schizophr Res 2005;79:231–8.

17. Riedel M, Severus E, Schennach-Wolff R, Musil R, et al. Effectiveness of quetiapine in outpatients with schizophrenia assessed under „real-life“ conditions: a German clinical-practice evaluation programme. J Clin Psychopharmacol 2011;31:120–2.

Dr. med. Florian Seemüller, Dr. med. Rebecca Schennach-Wolff, Dr.med. Richard Musil, Dr.med. Ilja Spellmann, Birgit Oppolzer, Prof. Dr.med. Hans-Jürgen Möller, Dr.med. Emanuel Severus, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München, Nussbaumstr. 7, 80336 München

Priv.-Doz. Dr. med. Michael Riedel, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München, Nussbaumstr. 7, 80336 München und Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Vinzenz von Paul Hospital gGmbH, Schwenninger Straße 55, 78628 Rottweil

Dr. rer.nat. Jürgen Köhler, AstraZeneca GmbH, Medizinische Abteilung, Tinsdaler Weg 183, 22876 Wedel

E-Mail: florian.seemueller@med.uni-muenchen.de

Efficacy and tolerability of quetiapine under ‘real-life’ conditions. Analysis of an observational study in patients with schiophrenia in Germany (CLINIPEP)

Objective: To evaluate the efficacy and tolerability of quetiapine for the treatment of patients with schizophrenia in the out-patient setting under ‘real-life’ conditions.

Methods: Psychiatrists (n=1625) recorded at baseline the reasons for switching to quetiapine, physician and patient’s assessment of efficacy and tolerability of previous medication, and Clinical Global Impression Severity (CGI-S) of Illness score. Physician and patient’s judgment of efficacy and tolerability of quetiapine, CGI Improvement (CGI-I), vital signs, treatment compliance and adverse events (AEs) were assessed at 4 and 8 weeks.

Results: 2332 evaluable patients with schizophrenia (ICD-10) were included into the study. The mean age was 42.2 years. Of these, 64% (n=1493) had a diagnosis of paranoid schizophrenia. At baseline, the average duration of illness was 12.8 years. CGI-S at baseline was 4.9. The most common antipsychotics used as prior medication were olanzapine (17.5%), risperidone (16.6%) and haloperidol (10.7%). Lack of efficacy (55.7%), weight gain (27.8%) and extrapyramidal symptoms (26%) were the most common reasons for switching antipsychotic medication to quetiapine.

After 8 weeks on quetiapine, 71.5% of the patients had responded to the drug (defined as ‘very much’ or ‘much’ improved on the CGI-I scale). The mean final CGI-S was 3.46. 83.9% of patients considered the efficacy and 78.2% the tolerability of quetiapine to be ‘very good’ or ‘good’, respectively. Similarly, psychiatrists scored quetiapine as ‘very good’ or ‘good’ in 89.6% and 79.4% of patients for efficacy and tolerability, respectively. The mean final dose of quetiapine was 463 mg/day. Quetiapine was generally well tolerated, with only 55 patients (2.4%) reporting drug related adverse events.

This study suggests that patients suffering from paranoid hallucinatory schizophrenia and patients without any medical or psychiatric comorbidity but with short illness duration and sexual dysfunction as reason for medication switch were most likely to benefit from treatment with quetiapine.

Conclusions: In this ‘real-life’ out-patient project, quetiapine was considered by both physicians and patients to be effective and generally well tolerated for the treatment of schizophrenia.

Key words: Quetiapine, schizophrenia, effectiveness, adverse events, medication switch, antipsychotics

Psychopharmakotherapie 2011; 18(02)