ÜbersichtMichael Sarholz und Hans-Jörg Assion, Bochum

Psychopharmaka in der Schmerztherapie

Jenseits psychiatrischer Indikationen haben vor allem Antidepressiva und Antikonvulsiva/Phasenprophylaktika, aber auch Antipsychotika und Anxiolytika einen festen Platz in der Behandlung chronischer Schmerzsyndrome. Obwohl diese Substanzen bei verschiedenen Indikationen Mittel der ersten Wahl sind, werden sie in der Praxis noch zu selten genutzt. Während für Antidepressiva eine eigene analgetische Wirkung in einer Vielzahl von Studien mit hoher Evidenz nachgewiesen ist, wird dies für die Klasse der Antipsychotika kontrovers beurteilt. Die folgende Übersicht fasst den aktuellen wissenschaftlichen Stand über die analgetische Wirkungsweise, die Indikationen, die Dosisempfehlungen und den Zulassungsstatus der einzelnen Substanzgruppen in der Schmerztherapie zusammen.
Schlüsselwörter: Schmerz, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Antipsychotika, Anxiolytika
Psychopharmakotherapie 2005;12:77–82.

FlaggeEnglish abstract

Psychotropic drugs in pain management

Anticonvulsants, neuroleptics, benzodiazepines and especially antidepressants are not only used in psychiatric pharmacotherapy, but also in the treatment of chronic pain syndromes. Though first line option for several indications, they are still less administered in daily practice. While there is compelling evidence for the analgesic effect of antidepressants, the role of neuroleptics is further on subject of controversy. The present article reviews the current level of research on the analgesic effect, the indications, the dose recommendations and the status of approval of the different substance classes in pain management.

Keywords: Pain, antidepressants, anticonvulsants, neuroleptics, benzodiazepines

OriginalarbeitKai-Uwe Kühn und Boris B. Quednow, Bonn, Michael Riedel, München, Olaf Krampe, Marburg, und Wolfgang Maier, Bonn

Sicherheit und Effektivität von Citalopram in der Behandlung depressiver Erkrankungen

Hintergrund: Ziel der vorliegenden Anwendungsbeobachtung (AWB) war die Dokumentation der Wirksamkeit und Verträglichkeit des selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Citalopram bei Patienten mit depressiven Erkrankungen. In einer AWB lassen sich Sicherheit und Effizienz einer Substanz in einer größeren Stichprobe und unter praxisnäheren Bedingungen untersuchen, als dies in kontrollierten klinischen Studien möglich ist. Zudem bietet eine AWB aufgrund der Stichprobengröße bessere Möglichkeiten, Arzneimittelinteraktionen oder seltene unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zu erkennen. Patienten und Methoden: Es wurden 610 Patienten mit der Diagnose einer depressiven Erkrankung nach ICD-10 von 206 Fachärzten für Psychiatrie und/oder Neurologie oder Nervenärzten in die AWB eingeschlossen. Die Behandlung wurde mit einem Citalopram-Generikum durchgeführt. Die Patienten wurden zu Beginn der AWB und nach 8 bis 12 Wochen mit der Hamilton-Depressions-Skala (HAMD) und der Clinical Global Impressions Scale (CGI) untersucht. Ergebnisse: Der Gesamtscore der HAMD ging im Mittel um 12,5 Punkte zurück und verminderte sich damit signifikant. Bei 75% der Patienten ergab sich eine Abnahme des HAMD-Gesamtscores um mindestens 50% des Ausgangswerts, während 65% voll remittierten (eine Remission war als HAMD-Score ≤7 definiert). Bei 7,7% der Patienten wurde im Rahmen der Therapiebeobachtung eine unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) festgestellt; bei nur 0,5% der Patienten handelte es sich um eine schwerwiegende UAW. Während sich kaum geschlechtsabhängige Unterschiede in der Wirksamkeit zeigten, sprachen jüngere Patienten, Ersterkrankte und Patienten ohne Begleiterkrankung sowie Patienten mit psychotroper Begleitmedikation signifikant besser auf die Behandlung an als Patienten in der jeweiligen Vergleichsgruppe. Die Wirksamkeitsbeurteilungen der Ärzte und der Patienten waren hoch korreliert. Schlussfolgerungen: Das Citalopram-Generikum zeigte unter Alltagsbedingungen eine vergleichbar gute Wirksamkeit und eine vergleichbar gute Verträglichkeit wie das Originalpräparat in kontrollierten klinischen Studien.
Schlüsselwörter: Citalopram, Depression, Anwendungsbeobachtung, Arzneimittelsicherheit, Generika
Psychopharmakotherapie 2005;12:83–90.

FlaggeEnglish abstract

Safety and efficacy of citalopram in the treatment of depressive disorders

Background: The objective of this post-marketing surveillance study was to document the efficacy and tolerability of the selective serotonin reuptake inhibitor citalopram in patients with depression under routine clinical conditions. Post-marketing surveillance studies permit to assess a substance in a much larger patient population and under real-life conditions than is possible in clinical trials and are therefore a useful tool to detect drug interactions and rare adverse drug reactions (ADRs).

Patients and methods: 610 patients with an ICD-10 diagnosis of depression were treated with the generic citalopram for up to 12 weeks by 206 psychiatrists or neurologists. Outcome measures included the 17-item Hamilton Depression Scale (HAMD); the Clinical Global Impression Scale (CGI) and efficacy and safety/adverse drug reaction assessments.

Results: Overall, HAMD and CGI severity score decreased significantly. About 75 % of the patients showed therapeutic response (HAMD reduction >50 %) and 65 % showed remission (HAMD at end of study ≤ 7). 7.7 % of the patients had ADRs; only 0.5 % had serious ADRs. Gender did not influence the efficacy of the citalopram treatment, but younger persons, patients with a first episode of depression, patients without co-morbidities as well as patients with psychotropic co-medication had a significantly greater benefit of the citalopram treatment. The efficacy judgements of specialists and patients were highly correlated.

Conclusion: Even under real-life conditions, the generic citalopram showed a comparable efficacy and a comparable safety as the original product citalopram investigated in previous clinical and placebo-controlled studies.

Keywords: Citalopram, depression, post-marketing surveillance, safety, generic medicaments

OriginalarbeitAlexander Brunnauer, Elisabeth Geiger, Wasserburg, Gerd Laux, Wasserburg und München, Thomas Glaser, Leverkusen, Michael Soyka und Hans-Jürgen Möller, München

Fahrsimulation und psychomotorische Leistungsfähigkeit schizophrener Patienten

Ergebnisse einer klinischen Untersuchung mit Flupentixol, Risperidon und Haloperidol

Kognitive und psychomotorische Beeinträchtigungen sind zentrale Merkmale schizophrener Erkrankungen, die sich auf die Fahrtüchtigkeit negativ auswirken können. In diesem Zusammenhang kommt der Wahl der psychotropen Medikation eine wichtige Bedeutung zu. Flupentixol wird aufgrund seines Rezeptorbindungsprofils mit Eigenschaften neuerer Antipsychotika in Verbindung gebracht, mit Vorteilen gegenüber konventionellen Antipsychotika im Hinblick auf kognitive und psychomotorische Funktionen.
In der vorliegenden Studie wurden schizophrene Patienten unter Flupentixol (n = 16), Risperidon (n = 15) und Haloperidol (n = 16) unter pharmakologischen Steady-State-Bedingungen hinsichtlich der Fahrtüchtigkeit kurz vor Entlassung aus der stationären Behandlung untersucht. Zum Einsatz kam das computergestützte Testgerät ART90 sowie das Wiener Testsystem (WTS). Außerdem absolvierten die Patienten verschiedene Risikosimulationen an einem Fahrsimulator (FT-SR 200). Die Daten wurden unter Berücksichtigung von Medikation, Alter der Patienten und Schweregrad der Erkrankung analysiert.
Lediglich 28 % der stationär behandelten schizophrenen Patienten erreichten die in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) geforderten Mindestleistungen in den untersuchten Funktionsbereichen. Im Vergleich zu den mit Haloperidol behandelten Patienten weisen die Untersuchungsergebnisse auf einen Vorteil von Risperidon hin; dies vor allem in den Bereichen Reaktionsfähigkeit und Belastbarkeit sowie in der Fahrsimulation. Statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen den Gruppen, die mit Flupentixol oder Risperidon behandelt wurden, konnten nicht gezeigt werden. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass auch unter pharmakologischen Steady-State-Bedingungen und kurz vor Entlassung aus der stationären Behandlung bei einem Großteil der schizophrenen Patienten die psychomotorische Leistungsfähigkeit und somit auch die Verkehrssicherheit als beeinträchtigt zu bewerten ist. Die große Varianz der Testleistungen innerhalb der Behandlungsgruppen weist auf die Notwendigkeit einer individuellen Beurteilung der Fahrtauglichkeit hin.
Schlüsselwörter: Fahrtauglichkeit, Schizophrenie, Antipsychotika, Fahrsimulator
Psychopharmakotherapie 2005;12:91–6.

DiskussionsforumDerik Hermann, Eckard Klages und Bernhard Croissant, Mannheim

Oxcarbazepin zur Unterstützung des ambulanten Benzodiazepin-Entzugs

Einsatz bei polytoxikomanen Patienten während einer Opiat-Substitutionsbehandlung

Oxcarbazepin wurde bei 14 polytoxikomanen Patienten zur Unterstützung des ambulanten Benzodiazepin-Entzugs während einer Opiat-Substitutionsbehandlung eingesetzt. In dieser offenen unkontrollierten Studie trat bei keinem der behandelten Patienten ein epileptischer Anfall oder ein Delir auf, obwohl 64% der Patienten bei früheren Entzügen epileptische Anfälle entwickelt hatten. Bei 21% der Patienten musste Oxcarbazepin aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die insbesondere bei rascher Eindosierung auftraten, abgesetzt werden. 21% der Patienten schlossen den Benzodiazepin-Entzug erfolgreich ab, 50% nahmen weniger und 29% nahmen unverändert Benzodiazepine ein. Vor dem Hintergrund dieser Daten erscheint ein ambulanter Benzodiazepin-Entzug mit Oxcarbazepin bei guter antikonvulsiver Wirkung sicher durchführbar. Bei der schwierigen Klientel der polytoxikomanen Patienten wurde es sehr gut angenommen und erwies sich bei komplexen Begleitumständen (Hepatitis C, erschwerte Venenpunktion) als geeignet.
Schlüsselwörter: Oxcarbazepin, Benzodiazepin-Entzug, ambulant, Opiat-Substitutionsbehandlung
Psychopharmakotherapie 2005;12:97–9.

Arzneimittelsicherheit/AMSPDetlef Degner, Göttingen, Patrik Lukas Stephan, Eveline Jaquenoud-Sirot, Brugg (Schweiz), Roswitha Thilmann, Essen, Beate Schmidt, Berit Wenda, Jena, und Renate Grohmann, München

Leberwerterhöhungen unter Psychopharmaka

Leberwerterhöhungen unter Psychopharmaka sind relativ häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Meist handelt es sich um reversible Erhöhungen der Leberenzym-Parameter. Häufigkeit und Ausmaß eines hepatotoxischen Risikos variieren bei den einzelnen Substanzen und Psychopharmaka-Klassen deutlich. Ein deutlich erhöhtes Risikopotenzial haben pharmakologische Kombinationstherapien.
Schlüsselwörter: Hepatotoxizität, Kombinationsbehandlungen, Risikofaktoren, AMSP-Projekt
Psychopharmakotherapie 2005;12:100–2.

Referiert & kommentiertAnnemarie Musch, Stuttgart

Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit Hyperaktivität (ADHS)

Neuartiges Medikament für die ADHS-Therapie

Atomoxetin (Strattera®) bessert die Neurotransmitterstörung bei der ADHS. Die Wirksamkeit auf die Kernsymptome der ADHS wurde in einer Serie von klinischen Studien bestätigt: Atomoxetin führte bei einmal täglicher Gabe zu einer im Vergleich zu Plazebo signifikanten Reduktion von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.

Referiert & kommentiertAndrea Warpakowski, Itzstedt

Parkinson-Therapie

Pramipexol reduziert auch Depressionen

Der Dopamin-Agonist Pramipexol kontrolliert bei Patienten mit Parkinson-Krankheit die motorischen Symptome Rigor, Tremor und Akinesie dauerhaft. Die Depression, ein nicht-motorisches Symptom, spricht ebenfalls auf die Therapie mit Pramipexol an.

Referiert & kommentiertAndrea Warpakowski, Itzstedt

Parkinson-Therapie

Cabergolin auch fünf Jahre lang wirksam

Der Dopamin-Agonist Cabergolin verhindert als initiale Therapie bei idiopathischem Parkinson-Syndrom fünf Jahre lang motorische Komplikationen: Im Vergleich zu Levodopa (in Kombination mit einem Decarboxylase-Hemmer) treten mit Cabergolin weniger und später Fluktuationen auf. Auch ältere Patienten vertragen die Substanz gut.

Referiert & kommentiertDr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Parkinson-Krankheit

Neuer Monoaminoxidase-B-Hemmer Rasagilin

Der irreversible MAO-B-Hemmer Rasagilin (Azilect®) wurde im Februar EU-weit für die Therapie der idiopathischen Parkinson-Krankheit zugelassen, und zwar als Monotherapie oder zusätzlich zu Levodopa bei Patienten mit End-of-Dose-Fluktuationen. Seine Wirksamkeit bei Parkinson-Patienten wurde in drei Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudien nachgewiesen. Rasagilin hat im Zell- und Tierexperiment neuroprotektive Wirkungen, die anscheinend von der MAO-B-Hemmung unabhängig sind.

Referiert & kommentiertAndrea Warpakowski, Itzstedt

Multiple Sklerose

Hohe Titer neutralisierender Antikörper gefährden den Therapieerfolg

Die immunmodulierende Behandlung der multiplen Sklerose mit Beta-Interferonen induziert neutralisierende Antikörper (NAbs). Hohe Titer persistierender NAbs vermindern die Wirkung der Beta-Interferone, was bei einer Therapieentscheidung berücksichtigt werden sollte. Intramuskulär appliziertes Interferon beta-1a (Avonex®) hat eine vergleichsweise geringe Immunogenität.

Referiert & kommentiertho

Kompetenznetz Schizophrenie

Akut- und Langzeittherapie bei Ersterkrankten

Die Akut- und Langzeittherapie ersterkrankter schizophrener Patienten ist Gegenstand eines Studienprojekts des Kompetenznetzes Schizophrenie. Untersucht werden unter anderem die Akut- und Erhaltungstherapie mit einem konventionellen (Haloperidol) oder atypischen Neuroleptikum (Risperidon) im Vergleich, verschiedene Konzepte zur langfristigen Rezidivprophylaxe und Möglichkeiten zur Früherkennung von Rezidiven. Erste Ergebnisse wurden beim DGPPN-Kongress 2004 vorgestellt.