Prof. Dr. med. Heinz Reichmann, Dresden

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Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, Ihnen eine neue Ausgabe der Psychopharmakotherapie vorlegen zu dürfen. Warum lohnt es sich, diese Ausgabe zu lesen? In einem bewährten Mix aus Themen, die Psychiater und/oder Neurologen ansprechen, können Sie auch mit diesem Heft neue und interessante Informationen erhalten.
Epilepsien weisen zwei Häufigkeitsschwerpunkte auf, von denen einer im jungen Alter liegt; daher kommt es häufig zum Kinderwunsch bei Patienten mit Epilepsie. Während man sich bei diesen Beratungen früher auf die werdenden Mütter konzentrierte, haben wir mittlerweile lernen müssen, dass auch manche anfallssuppressive Medikamente (dieser Begriff hat den Terminus Antikonvulsiva in Deutschland abgelöst!), die der Vater eingenommen hat, zu teratogenen Schäden führen. Man kann davon ausgehen, dass rund 150 000 gebärfähige Frauen in Deutschland an einer Epilepsie leiden, was die Aktualität der Arbeit von Staack und Steinhoff zum Thema Epilepsie und Kinderwunsch unterstreicht. Grob zusammengefasst zeigt die Arbeit, dass Polytherapie eine deutlich höhere Fehlbildungsrate als Monotherapie aufweist, dass insbesondere die Valproinsäure für beide Geschlechter das höchste teratogene Risiko aufweist und daher vermieden werden sollte, dass eine suffiziente Kontrazeption zur Vermeidung einer ungeplanten Schwangerschaft notwendig ist, dass auch Topiramat vermieden werden sollte, dass die sichersten anfallssuppressive Medikamente Lamotrigin und Levetiracetam sind und dass eine Folsäureprophylaxe von < 1 mg/Tag präkonzeptionell und während der Schwangerschaft ausreicht.
Im Studium habe ich gelernt, dass sich Pharmakologen bereits schwertun, wenn sie nach der Interaktion von mehr als zwei Medikamenten gefragt werden. In der heutigen Praxis haben wir es aber leider nahezu durchweg mit Patientinnen und Patienten zu tun, die eine Polytherapie erhalten. Ilgner et al. widmen sich in ihrer Arbeit zu Interaktionsdatenbanken für psychotrope Substanzen diesem wichtigen Thema. Wir kennen alle die vielfältigen Nebenwirkungen von psychotropen Substanzen, die durch die Einnahme weiterer Medikamente verstärkt oder auch reduziert werden können. Die Autoren zeigen auf, dass bei Eingabe von Medikationsdaten von 104 depressiven Patienten die Interaktionsdatenbanken ifap und PGXperts am besten abschnitten. Es wurde die erschreckende Zahl von 1619 potenziellen Interaktionen beschrieben. Besonders viele schwerwiegende potenzielle Interaktionen gab es bei Anwendung von Mirtazapin, Quetiapin, Lithium und verschiedenen SSRI/SNRI. Daraus ergibt sich, welch hohe klinische Verantwortung wir beim Einsatz von Psychopharmaka haben und wie wertvoll es ist, sich gegebenenfalls in Interaktionsdatenbanken, beim Apotheker oder, wie wir das in meiner ehemaligen Klinik eingerichtet haben, bei einem klinischen Pharmazeuten Rat holen zu können.
Methylphenidat wird mit großem Erfolg bei Patientinnen und Patienten mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung eingesetzt. Ulrich et al. stellen in dieser Ausgabe ein neues biphasisch freisetzendes Methylphenidat-Präparat, nämlich Methysym®, vor. Sie zeigen, dass dieses neue Präparat eine insgesamt vergleichbare Pharmakokinetik, wie wir sie für Equasym® kennen, aufweist.
Fritze und Fritze stellen schließlich in einer interessanten Übersicht die Verordnung von Neuro-Psychopharmaka in Deutschland vor. Beim Vergleich über die Jahre 1988 bis 2023 fällt auf, dass, zu meiner Überraschung, die verordneten Tagesdosen von Nootropika/Antidementiva seit 2003, nach einem regulatorisch begründeten Einbruch, kaum wieder zugenommen und zuletzt sogar wieder abgenommen haben, obwohl die Zahl potenzieller Patienten aus demographischen Gründen gestiegen sein dürfte. Ein ständiges Wachstum zeigen dagegen die Antidepressiva. Für uns Neurologen interessant ist die Darstellung, dass anfallssuppressive Medikamente (Antikonvulsiva) nach einer Periode der stetigen Verordnungszunahme nunmehr seit ungefähr 2020 ein Steady State erreicht haben. Überrascht hat mich die Darstellung, dass Anti-Parkinsonmedikamente nicht gestiegen sind, obwohl die Parkinson-Krankheit die neurodegenerative Erkrankung mit der höchsten Fallzunahme ist. Bei Betrachtung der Bundesländer fällt auf, dass sowohl die Verordnungen von Psychopharmaka als auch die Kosten für Psychopharmaka sehr unterschiedlich sind. Wichtig ist, dass die Autoren auf zahlreiche methodische Hürden bei Erstellung des Arzneiverordnungsreports hinweisen.
Erfreulich ist, dass wir ungebrochen stets neue Substanzen zur Behandlung unserer psychiatrischen und neurologischen Patientinnen und Patienten erhalten. Daher ist unsere Rubrik „Referiert und kommentiert“ wieder voll mit Informationen, die im Praxisalltag wichtige Hilfe leisten und zumindest für mich stets wertvolle Anregungen geben.
Zusammenfassend, es lohnt sich, diese Ausgabe der Psychopharmakotherapie genau zu lesen.
Psychopharmakotherapie 2025; 32(05):165-165