Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Es gibt eine Komorbidität zwischen der Migräne und Depressionen [1]. Menschen mit einer Depression haben ein höheres Risiko einer Migräne und Migränepatienten haben ein höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken. Eine gleichzeitig bestehende Depression verschlechtert auch die Prognose der Migräne, geht mit häufigeren Migräneattacken einher und erhöht das Risiko der Entwicklung einer chronischen Migräne. Eine offene Studie in den Niederlanden sollte die Wirkung von monoklonalen Antikörpern gegen CGRP auf depressive Symptome bei Menschen mit einer Migräne untersuchen, um zu klären, ob depressive Symptome das Ansprechen auf die Migräneprophylaxe voraussagen.
Patienten und Methodik
In diese offene Studie wurden Patienten mit Migräne eingeschlossen, die im Kopfschmerzzentrum in Leiden mit Erenumab oder Fremanezumab zur Migräneprophylaxe behandelt wurden. Die Patienten füllten täglich ein elektronisches Kopfschmerz-Tagebuch aus. Eine Kontrollgruppe ohne Therapie mit monoklonalen Antikörpern wurde ebenfalls einbezogen. Depressive Symptome wurden mit dem Depressionsteil der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) und mit der Center for Epidemiological Studies Depression Scale (CES-D) erfasst. Dabei handelt es sich um Patientenfragebögen, von denen der HADS-D spezifischer für depressive Symptome ist als der CES-D.
Die Skalen wurden zu Beginn der Studie und nach drei Monaten erhoben. Zunächst wurden die Auswirkungen der Behandlung auf die Verringerung der HADS-D- und CES-D-Werte bewertet, wobei die Verringerung der Depressionswerte als abhängige Variable und die Verringerung der monatlichen Migränetage (MMD) und die Behandlung mit Anti-CGRP-Medikamenten als unabhängige Variablen dienten. Danach wurde eine Depression als Prädiktor für das Ansprechen auf die Behandlung untersucht, wobei die absolute Reduktion der MMD als abhängige Variable und Alter, Geschlecht, MMD, aktive Depression, Auswirkungen, Stress und Kontrollüberzeugung als unabhängige Variablen dienten.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 108 Patienten mit Erenumab behandelt, 90 mit Fremanezumab und 68 Patienten erhielten keinen monoklonalen Antikörper. 82 % der behandelten Patienten waren Frauen. Das mittlere Alter betrug 44 Jahre und die mittlere Zahl der Migränetage pro Monat betrug 14.
Bei 61 bis 70 % der Patienten wurde in den drei Gruppen eine Depression diagnostiziert. Die Behandlung mit den beiden monoklonalen Antikörpern korrelierte positiv mit einer Verringerung des HADS-D-Wertes (β = 1,65; p = 0,01) im Vergleich zur Kontrollgruppe, unabhängig von der Verringerung der MMD. Für den CES-D wurde dieser Effekt jedoch nicht gefunden (β = 2,15; p = 0,21).
Aktive Depressionen sagten ein schlechteres Ansprechen auf Erenumab (p = 0,02), aber nicht auf Fremanezumab (p = 0,09) voraus; verglichen wurden hier die Anteile der Patienten mit einer mindestens 50%igen oder weniger als 50%ige Reduktion der MMD.
Schlussfolgerungen und Kommentar
Diese offene Beobachtungsstudie aus den Niederlanden zeigt, dass bei Patienten, bei denen gleichzeitig eine Migräne mit häufigen Migräneattacken und eine Depression vorliegt, eine Behandlung mit monoklonalen Antikörpern sowohl die Migräne als auch das Ausmaß der depressiven Symptome verbessert. Dies galt hier allerdings nur für eine der beiden Depressionsskalen. In den großen randomisierten Studien zur Zulassung von Erenumab und Fremanezumab war ebenfalls eine Wirksamkeit bezüglich der Migränetage bei Patienten mit komorbider Depression gefunden worden [2, 3]. In diesen Studien fehlte aber eine aktive Kontrollgruppe.
Am interessantesten war die Beobachtung, dass die Verbesserung der Depressionssymptomatik nicht mit einer Reduktion der Zahl der Migränetage pro Monat korrelierte. Dies war auch in einer anderen Studie in Spanien beobachtet worden [4]. Der Mechanismus, über den Antikörper gegen CGRP eine Depression positiv beeinflussen, ist völlig ungeklärt. Diese monoklonalen Antikörper können die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und haben ganz überwiegend einen peripheren Wirkungsmechanismus. Hier besteht also noch ein erheblicher Forschungsbedarf.
Quelle
de Vries Lentsch S, et al. Depression and treatment with anti-calcitonin gene related peptide (CGRP) (ligand or receptor) antibodies for migraine. Eur J Neurol 2024;31(2):e16 106. doi: 10.1111/ene.16106.
Literatur
1. Chen MH, et al. Bidirectional association between migraine and depression among probands and unaffected siblings: A nationwide population-based study. J Affect Disord 2021;279:687–91.
2. Lipton RB, et al. Effects of fremanezumab in patients with chronic migraine and comorbid depression: Subgroup analysis of the randomized HALO CM study. Headache 2021;61(4):662–72.
3. Russo A, et al. Multidimensional assessment of the effects of erenumab in chronic migraine patients with previous unsuccessful preventive treatments: a comprehensive real-world experience. J Headache Pain 2020;21(1):69.
4. Torres-Ferrús M, et al. Improvement of migraine depressive symptoms is not related to headache frequency: exploring the impact of anti-CGRP therapies. Cephalalgia 2024;44(2):3331024231222923.
Psychopharmakotherapie 2024; 31(02):62-75