Ischämischer Schlaganfall

Tenecteplase plus Thrombektomie im Zeitfenster von 4,5 bis 24 Stunden


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit einem Verschluss der A. cerebri media oder der A. carotis interna, von denen die meisten eine mechanische Thrombektomie erhielten, führte eine zusätzliche Thrombolyse mit Tenecteplase in einem Zeitfenster von 4,5 bis 24 Stunden nach Beginn des Schlaganfalls nicht zu besseren klinischen Ergebnissen. Die Inzidenz symptomatischer intrazerebraler Blutungen war in Verum- und Placebo-Gruppe vergleichbar.

Beim akuten ischämischen Schlaganfall gibt es zwei wissenschaftlich belegte und wirksame Therapien. Der Nutzen der systemischen Thrombolyse mit Alteplase wurde in vielen Studien nachgewiesen [4]. Initial wurde diese Therapie im 4,5-Stunden-Zeitfenster untersucht und zugelassen. Später zeigte sich, dass die systemische Thrombolyse auch in einem Zeitfenster von bis zu 24 Stunden wirksam ist, wenn die Auswahl der Patienten durch Perfusions-CT oder -MRT geschieht. In diesen Fällen kann dann eine Penumbra mit potenziell rettbarem Hirngewebe identifiziert werden. Tenecteplase ist ebenfalls wirksam [3]. Tenecteplase wird im Gegensatz zu Alteplase als Bolus gegeben. Es gibt eine Reihe von Studien die eine vergleichbare Wirksamkeit wie bei Alteplase belegen [3].

Die zweite wirksame Therapie ist die mechanische Thrombektomie bei Patienten mit distalem Verschluss der Arteria carotis interna oder proximalem Verschluss der Arteria cerebri media. Einige Studien haben gezeigt, dass die Einleitung einer systemischen Thrombolyse vor der Thrombektomie die Prognose verbessert [1]. Diese Kombination ist für Tenecteplase im Zeitfenster von 4,5 bis 24 Stunden allerdings bisher nicht untersucht worden.

Studiendesign

Es handelte sich um eine multizentrische, doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie mit Patienten mit ischämischem Schlaganfall. Verglichen wurde Tenecteplase 0,25 mg/kg Körpergewicht (maximal 25 mg) mit Placebo im Zeitfenster 4,5 bis 24 Stunden nach Beginn der Schlaganfallsymptome. Die Patienten mussten einen Verschluss der A. cerebri media oder der A. carotis interna haben. In der Perfusionsbildgebung musste der Nachweis einer Penumbra erfolgen.

Der primäre Endpunkt war der Wert auf modifizierten Rankin-Skala am Tag 90 (Spanne 0 [keine Symptome] bis 6 [Tod]). Zu den Sicherheitsergebnissen gehörten Tod und symptomatische intrakranielle Blutungen.

Ergebnisse

An der Studie nahmen 458 Patienten teil, von denen 77,3 % schließlich eine Thrombektomie erhielten. Die Patienten waren im Mittel 72 Jahre alt und 53 % waren Frauen. Der mittlere Wert auf der NIHSS (National Institutes of Health Stroke Scale; Spanne 0–42) betrug 12. Bei 50 % der Patienten lag ein proximaler Verschluss der A. cerebri media vor. 228 Patienten erhielten Tenecteplase und 230 Placebo. Die mediane Zeit zwischen dem Zeitpunkt, an dem der Patient zuletzt gesund gesehen wurde, und der Randomisierung betrug in der Tenecteplase-Gruppe etwa 12 Stunden und in der Placebo-Gruppe etwa 13 Stunden.

Der Medianwert auf der modifizierten Rankin-Skala lag nach 90 Tagen in beiden Gruppen bei 3 (moderate Beeinträchtigung). Für Tenecteplase im Vergleich zu Placebo gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied (Odds-Ratio 1,13; 95%-Konfidenzintervall 0,82–1,57; p = 0,45). In der Sicherheitspopulation betrug die Sterblichkeit nach 90 Tagen 19,7 % in der Tenecteplase-Gruppe und 18,2 % in der Placebo-Gruppe. Die Inzidenz symptomatischer intrakranieller Blutungen lag bei 3,2 % bzw. 2,3 %.

Kommentar

Diese randomisierte Studie zeigt keinen therapeutischen Nutzen der Thrombolyse mit Tenecteplase bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall im Zeitfenster zwischen 4,5 und 24 Stunden. Der Löwenanteil der Patienten in dieser Studie erhielt eine mechanische Thrombektomie. Die fehlende Wirksamkeit der zusätzlichen Gabe von Tenecteplase ist wahrscheinlich dadurch bedingt, dass zwischen dem Schlaganfall und dem Beginn der Thrombolyse und der Thrombektomie zu viel Zeit verging. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse der Gabe von Alteplase vor einer mechanischen Thrombektomie zeigte, dass diese nur wirksam ist, wenn die Gabe innerhalb von zwei bis drei Stunden nach Beginn der Symptomatik durchgeführt wird [2]. Jenseits dieses Zeitfensters bestand kein zusätzlicher Nutzen einer Thrombolyse bei mechanischer Thrombektomie.

Quelle

Albers GW, et al. for the TIMELESS investigators. Tenecteplase for stroke at 4.5 to 24 hours with perfusion-imaging selection. N Engl J Med 2024;390:701–11, DOI: 10.1056/NEJMoa2310392.

Literatur

1. Chen J, et al. Direct endovascular thrombectomy or with prior intravenous thrombolysis for acute ischemic stroke: A meta-analysis. Front Neurol 2021;12:752698.

2. Kaesmacher J, et al. Time to treatment with intravenous thrombolysis before thrombectomy and functional outcomes in acute ischemic stroke: A meta-analysis. JAMA 2024:e240589. doi: 10.1001/jama.2024.0589. Online ahead of print.

3. Kobeissi H, et al. Tenecteplase vs. alteplase for treatment of acute ischemic stroke: A systematic review and meta-analysis of randomized trials. Front Neurol 2023;14:1102463.

4. Wardlaw JM, et al. Recombinant tissue plasminogen activator for acute ischaemic stroke: an updated systematic review and meta-analysis. Lancet 2012;379(9834):2364–72.

Psychopharmakotherapie 2024; 31(02):62-75