Morbus Parkinson

Sicherheit und Wirksamkeit von NLY01 bei früher unbehandelter Parkinson-Krankheit


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-II-Studie war NLY01, eine ZNS-gängige, pegylierte und länger wirkende Modifikation von Exenatid, nicht besser wirksam als Placebo für die Endpunkte einer Verbesserung der motorischen oder nichtmotorischen Symptome der Parkinson-Krankheit. Eine Subgruppenanalyse zeigte einen möglichen motorischen Nutzen bei jüngeren Teilnehmern.

Es gibt Hinweise darauf, dass die zerebralen Mikroglia bei der Pathogenese der Parkinson-Krankheit eine wichtige Rolle spielen, weshalb therapeutische Wirkstoffe erforscht werden, welche die pathogene Mikrogliafunktion abschwächen können. Präklinische Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass NLY01 vor dem Verlust dopaminerger Neuronen und motorischen Störungen schützt und das Überleben verlängert. NLY01 ist eine pegylierte, länger wirkende Modifikation des Glucagon-like-Peptide-1(GLP-1)-Rezeptoragonisten Exenatid. Es kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden und soll über eine Verringerung der Mikroglia-Aktivierung entzündungshemmend wirken. NLY01 kann die durch präformierte Fibrillen induzierte mRNA-Induktion für die Proteinsynthese von Interleukin 1a (IL-1a), Interleukin 1b (IL-1b), Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α), Komplement-C1q-A-Kette (C1QA) und Interleukin 6 (IL-6) abschwächen und so die Umwandlung von Astrozyten in neurotoxische reaktive Astrozyten blockieren.

Vor diesem Hintergrund wurde in einer Phase-II-Studie die Sicherheit und Wirksamkeit von NLY01 bei Patienten im Frühstadium der Parkinson-Krankheit untersucht.

Die 36-wöchige, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Phase-II-Studie wurde in 58 Kliniken für Bewegungsstörungen in den USA durchgeführt. Teilnehmer mit früher, unbehandelter Parkinson-Erkrankung, die die Kriterien der UK Brain Bank oder die Forschungskriterien der Movement Disorder Society für die Parkinson-Krankheit erfüllten, wurden randomisiert (1 : 1 : 1) einer von zwei aktiven Behandlungsgruppen mit 2,5 mg oder 5,0 mg NLY01 täglich oder der Placebo-Gruppe zugeteilt.

Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung der Movement Disorder Society Unified Parkinson‘s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS) Teil II und III von der Baseline bis Woche 36. Die Sicherheit und Verträglichkeit wurden anhand der Dokumentation von unerwünschten Ereignissen, körperlichen Untersuchungen, Elektrokardiogrammen und Skalen für Suizidalität, Schläfrigkeit, Impulsivität und Depression erfasst.

Ergebnisse

Die Studie fand zwischen Januar 2020 und Februar 2023 statt. 447 Personen wurden gescreent, 255 Teilnehmer randomisiert und jeder Studiengruppe 85 Teilnehmer zugeteilt. Die Patienten waren im Mittel 61 bis 62 Jahre alt.

Nach 36 Wochen unterschieden sich 2,5 mg und 5,0 mg NLY01 nicht von Placebo in Bezug auf die Veränderung der Summenscores in den MDS-UPDRS Teilen II und III. Der Unterschied zu Placebo betrug –0,39 (95%-Konfidenzintervall –2,96 bis 2,18; p = 0,77) für 2,5 mg NLY01 und 0,36 (–2,28 bis 3,00; p = 0,79) für 5,0 mg NLY01.

Behandlungsbedingte unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren in allen Gruppen ähnlich mit 71 von 85 Patienten unter 2,5 mg NLY01 (84 %), 79 von 85 Patienten unter 5,0 mg (93 %) und 73 von 84 Patienten unter Placebo (87 %), wobei gastrointestinale Störungen in den beiden Verum-Gruppen am häufigsten waren.

Eine vorab definierte Subgruppenanalyse ergab für die unter 60-jährigen Teilnehmer eine nominal signifikante Verbesserung des MDS-UPDRS-Summenscores um 5,11 bzw. 5,01 Punkte.

Kommentar

Leider steht für die Therapie der Parkinson-Krankheit, wie bei vielen anderen neurodegenerativen Erkrankungen, nur eine symptomatische Therapie zur Verfügung. Alle bisherigen Versuche einer neuroprotektiven Therapie sind gescheitert. Dies mag zum Teil daran liegen, dass in früheren Studien Patienten eingeschlossen wurden, die bereits eine deutlich manifeste Parkinson-Erkrankung hatten und bei denen es wahrscheinlich zu spät war, mit einer neuroprotektiven Therapie zu beginnen. Der Ansatz der hier referierten Studie beruht auf der Beobachtung, dass Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 ein höheres Risiko haben, an Morbus Parkinson zu erkranken, und dass bei Diabetespatienten, die mit einem GLP-1-Agonisten behandelt werden, dieses Risiko geringer ist [1]. Dass für die hier vorliegende Studie Patienten in einem sehr frühen Stadium der Krankheit randomisiert wurden, war ein sinnvolles Einschlusskriterium.

Leider war die Studie bezüglich des primären und der sekundären Endpunkte negativ. Es zeigte sich allerdings ein Trend, dass jüngere Patienten möglicherweise von der Therapie profitieren könnten. Daher wäre es wahrscheinlich gerechtfertigt, eine weitere Studie bei jüngeren Patienten mit beginnendem Parkinson-Syndrom durchzuführen.

Quelle

McGarry A, et al. Safety, tolerability, and efficacy of NLY01 in early untreated Parkinson’s disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2024;23:37–45.

Literatur

1. Brauer R, et al. Diabetes medications and risk of Parkinson’s disease: a cohort study of patients with diabetes. Brain 2020;143:3067–76.

Psychopharmakotherapie 2024; 31(02):62-75