Multiple Sklerose (MS)

Hemmung des CD40L-Signalwegs mit Frexalimab verhindert MS-Läsionen


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten Phase-II-Studie führte eine Hemmung des CD40L-Signalwegs mit dem Antikörper Frexalimab im Vergleich zu Placebo bei Multiple-Sklerose-Patienten zu einer stärkeren Reduktion der Anzahl neuer Läsionen im Kernspintomogramm (MRT) in Woche 12. Es sind allerdings größere und längere Studien erforderlich, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von Frexalimab bei Patienten mit MS zu ermitteln.

Bei der schubförmigen MS ist sehr häufig eine immunmodulatorische Therapie notwendig. Hier stehen bereits viele Therapien mit unterschiedlicher Wirksamkeit und Verträglichkeit zur Verfügung [2]. Der kostimulatorische CD40-CD40L-(CD154-)Signalweg reguliert die Initiierung von adaptiven und angeborenen Immunantworten. Klinische und pathologische Beobachtungen zeigten die Beteiligung des CD40-CD40L-Signalwegs bei der MS und eine Verbindung zum Fortschreiten der Krankheit. Personen mit MS haben eine erhöhte Expression von CD40L auf aktivierten T-Zellen; das führt zu hohen Konzentrationen von löslichem CD40L, die wiederum mit einem Fortschreiten der Behinderung korrelieren. Frexalimab ist ein monoklonaler Anti-CD40L-Antikörper der zweiten Generation, der für die Behandlung der MS in einer Proof-of-Concept-Studie in zwei Applikationsformen untersucht werden sollte.

Studiendesign

In dieser doppelblinden, randomisierten Phase-II-Studie wurden Teilnehmer mit schubförmiger MS in einem Verhältnis von 4 : 4 : 1 : 1 in folgende Behandlungsgruppen randomisiert:

  • 1200 mg Frexalimab, alle vier Wochen intravenös, mit einer Ladedosis von 1800 mg
  • 300 mg Frexalimab, alle zwei Wochen subkutan, mit einer Ladedosis von 600 mg
  • Die entsprechenden Placebos

Der primäre Endpunkt war die Anzahl neuer Gadolinium-anreichernder T1-gewichteter Läsionen in der Magnetresonanztomographie in Woche 12 im Vergleich zu Woche 8. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Anzahl der neuen oder sich vergrößernden T2-gewichteten Läsionen in Woche 12 im Vergleich zu Woche 8, die Gesamtzahl der Gadolinium-anreichernden T1-gewichteten Läsionen in Woche 12 und die Sicherheit.

Ergebnisse

Von 166 Teilnehmern wurden 129 einer Studiengruppe zugewiesen; 125 Teilnehmer (97 %) schlossen die 12-wöchige Doppelblindphase ab. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 36,6 Jahre, 66 % waren Frauen und 30 % hatten bei Studienbeginn im MRT Gadolinium-aufnehmende Läsionen. In Woche 12 betrug die mittlere Anzahl neuer Gadolinium-verstärkender T1-gewichteter Läsionen

  • 0,2 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,1–0,4) bei Gabe von 1200 mg Frexalimab intravenös
  • 0,3 (95%-KI 0,1–0,6) bei Gabe von 300 mg Frexalimab subkutan
  • 1,4 (95%-KI 0,6–3,0) in der gepoolten Placebo-Gruppe

Die Ratenverhältnisse im Vergleich zu Placebo betrugen 0,11 (95%-KI 0,03–0,38) in der 1200-mg-Gruppe und 0,21 (95%-KI 0,08–0,56) in der 300-mg-Gruppe. Die Ergebnisse für die sekundären bildgebenden Endpunkte zeigten in die gleiche Richtung wie die Ergebnisse der primären Analyse.

Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren eine Covid-19-Viruserkrankung und Kopfschmerzen.

Kommentar

Diese sehr kleine und sehr kurze Studie zeigt eine Wirkung eines neuen Therapieprinzips mit Frexalimab bei Patienten mit MS für einen wichtigen Surrogatparameter, nämlich das Auftreten neuer Entzündungsherde in der Kernspintomographie. Die Zahl der Patienten war zu gering und eine 12-wöchige Behandlungsphase zu kurz, um dem Beweis zu erbringen, dass die Substanz tatsächlich wirksam ist. Darüber hinaus können in einem 12-Wochen-Zeitraum keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen nachgewiesen werden, die durch eine Beeinflussung des Immunsystems hervorgerufen werden. Kritikwürdig ist auch die Verwendung einer Placebo-Gruppe, da es ausreichend wirksame und hochwirksame Therapien der MS gibt. Die einzige potenzielle Rechtfertigung wäre hier die kurze Studiendauer von zwölf Wochen.

Jetzt müssen größere und deutlich längere Studien stattfinden, um dem Beweis zu erbringen, dass Frexalimab tatsächlich bei der MS wirksam ist. Die größte Herausforderung wird allerdings sein, zu zeigen, dass Frexalimab mindestens genauso wirksam ist wie die neuen hoch wirksamen MS-Therapien mit Ocrelizumab oder Ofatumumab [1] und ein vergleichbares Sicherheitsprofil hat.

Quelle

Vermersch P, et al. Inhibition of CD40L with frexalimab in multiple sclerosis. New Engl J Med 2024;390(7):589–600.

Literatur

1. Hemmer B, et al. Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2023. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.). Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. https://dgn.org/leitlinien (Zugriff am 22.02.2024).

2. Jakimovski D, et al. Multiple sclerosis. Lancet 2024;403(10422):183–202.

Psychopharmakotherapie 2024; 31(02):62-75