Migränetherapie

Eptinezumab als erster intravenöser Anti-CGRP-Antikörper


Annika Harsch, Stuttgart

Der erste intravenös applizierbare Anti-CGRP-Antikörper Eptinezumab ist seit September 2022 in Deutschland verfügbar und das AMNOG-Verfahren ist mittlerweile abgeschlossen. In einer Pressekonferenz der Firma Lundbeck erläuterten Experten die Historie der Anti-CGRP-Antikörper in der Migränetherapie, Studiendaten von Eptinezumab sowie die Umsetzung einer Eptinezumab-Therapie in der Praxis.

In den letzten Jahren haben monoklonale Antikörper ihren Platz in der Migräneprophylaxe und -therapie erobert. Mit Eptinezumab (Vyepti®) steht nun der vierte monoklonale Antikörper in Deutschland zur Verfügung, der sich gegen CGRP (Calcitonin gene-related peptide) richtet und zur intravenösen Anwendung bestimmt ist. Zugelassen ist Eptinezumab zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat. Die Zulassung basiert auf den beiden Placebo-kontrollierten Studien PROMISE-1 und PROMISE-2 [1, 4].

Von Analgetika über Triptane zu monoklonalen Antikörpern

In seinem Beitrag über die Historie der Migränetherapie betonte Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen, dass die Migräne lange Zeit als psychische Erkrankung betrachtet wurde. Ein Meilenstein in der Therapie der Migräne war die Zulassung der ersten Triptane in den 90er-Jahren, die als Serotonin-Rezeptoragonisten wirken und von denen in Deutschland aktuell sieben zugelassen sind. „Ich kann mich erinnern, als ich anfing, die Triptane einzusetzen, dass die Patienten häufig gesagt haben: Da wird ein Schalter umgelegt“, betonte Diener. Zuvor waren Migräne-Patienten häufig mit Analgetika oder Mutterkornalkaloiden behandelt worden. Später wurde auch das Neuropeptid CGRP als an der Migräneentstehung beteiligter Botenstoff identifiziert. In der Folge entstand die erste Publikation zum Nachweis der CGRP-Hemmung als Therapiemöglichkeit der akuten Migräneattacke [5] und die Zulassung des ersten monoklonalen Antikörpers Erenumab im Jahr 2018.

Mittlerweile sind mit den drei subkutan applizierbaren Antikörpern Fremanezumab, Galcanezumab, Erenumab und mit dem intravenösen Eptinezumab insgesamt vier monoklonale Antikörper zur Migräneprophylaxe zugelassen, die alle am CGRP-Signalweg eingreifen und die nachgeschalteten vasodilatatorischen Vorgänge hemmen (Abb. 1).

Abb. 1. Wirkungsmechanismus der Anti-CGRP- und Anti-CGRP-Rezeptor-Antikörper. AC: Adenylatcyclase; cAMP: cyclisches Adenosinmonophosphat; CGRP: Calcitonin Gene-related Peptide; i. v.: intravenös; PK: Proteinkinase; s. c.: subkutan. Modifiziert nach [3].

Wirksamkeit von Eptinezumab

Die empfohlene Dosis von Eptinezumab beträgt 100 mg alle zwölf Wochen als Infusion. Wirksamkeit und Sicherheit des monoklonalen Antikörpers konnten bereits in den beiden Zulassungsstudien gezeigt werden, bei denen Eptinezumab eine signifikante Reduktion der monatlichen Migränetage sowohl bei episodischer [1] als auch bei chronischer Migräne [4] erzielte.

Eine Migräne gilt dann als chronisch, wenn die Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen pro Monat auftreten. Für die Betroffenen entsteht ein hoher Leidensdruck. „Wir wissen, dass etwa 1,2 % der Bevölkerung eine chronische Migräne haben“, betonte Diener die Bedeutung der neuen Therapieform insbesondere für diese Patientengruppe und erwähnte im gleichen Zug die Wirksamkeit von Eptinezumab bei Medikamentenübergebrauch. Auch bei therapierefraktären Patienten, die zuvor nicht von konventionellen Therapien profitierten, konnten Anzahl und Schweregrad von Migräneattacken durch Eptinezumab gegenüber Placebo reduziert werden [2].

„Keine Angst vor der Verordnung von Antikörpern“

Für die Bedeutung von Eptinezumab in der Praxis erläuterte Dr. med. Astrid Gendolla, Essen, verschiedene Patientenfälle. Verabreicht werden kann der CGRP-Antikörper dann, wenn die Patienten mindestens vier Tage im Monat eine Migräneattacke erleiden und für eine Antikörpertherapie infrage kommen. Dabei müssen die Ärzte patientenindividuell und unter Beachtung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots entscheiden. Hier lautete Gendollas Appell: „Keine Angst vor der Verordnung von Antikörpern.“ Sie hob jedoch auch hervor, dass eine gute Dokumentation dafür essenziell ist.

Die intravenöse Gabe von Eptinezumab geht mit einem erhöhten Zeit- und Platzaufwand einher. Im sonst oft stressigen Praxisalltag bestehe allerdings der Vorteil, dass der Patient häufiger gesehen wird und somit eine gezieltere Therapieüberwachung stattfinden kann, betont Gendolla. Der Patient könne nach der Infusion wieder ungestört nach Hause gehen und es müsse keine zusätzliche Überwachung stattfinden.

Ausblick

Der Antikörper Eptinezumab ist ein weiterer Baustein in der Therapie der Migräne, der vor allem durch seine Wirksamkeit bei therapierefraktären Patienten überzeugen kann. Welche Rolle Eptinezumab langfristig in der Migränetherapie einnimmt, wird sich zeigen. Sicher ist jedoch, dass eine komplexe und vielseitige neurologische Erkrankung wie die Migräne von umfassenden Therapiebausteinen profitiert.

Quelle

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen, Dr. med Astrid Gendolla, Essen, Presse-Talk: „Migränetherapie im Wandel: Die Zukunft beginnt jetzt“, Frankfurt/M., 23. Februar 2024, veranstaltet von der Firma Lundbeck GmbH.

Literatur

1. Ashina M, et al. Eptinezumab in episodic migraine: A randomized, double-blind, placebo-controlled study (PROMISE-1). Cephalalgia 2020;40:241–54.

2. Barbanti P, et al. Effects of eptinezumab on self-reported work productivity in adults with migraine and prior preventive treatment failure in the randomized, double-blind, placebo-controlled DELIVER study. J Headache Pain 2022;23:153.

3. Gaul C. Fortschritte in der Kopfschmerztherapie – Einsatz von Gepanten und Ditanen in der Migränetherapie. Psychopharmakotherapie 2022;29:162–7.

4. Lipton RB, et al. Efficacy and safety of eptinezumab in patients with chronic migraine: PROMISE-2. Neurology 2020;94:e1365–77.

5. Olesen J, et al. Calcitonin gene-related peptide receptor antagonist BIBN 4096 BS for the acute treatment of migraine. N Engl J Med 2004;350:1104–10.

Psychopharmakotherapie 2024; 31(02):62-75