Dr. Maja M. Christ, Stuttgart
Morbus Parkinson: Nichtmotorische Symptome beachten
Nichtmotorische Symptome (NMS) spielen bei M. Parkinson eine bedeutende Rolle und prägen den Krankheitsbeginn und -verlauf. Die in der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur Diagnostik und Therapie der Parkinson-Krankheit [3] für NMS empfohlenen Therapeutika sind meist off Label. Neben Schmerzen, Angst, Fatigue und Depression belasten Patienten häufig auch Schlafstörungen, gastrointestinale Symptome oder Inkontinenz. Nicht immer ist jedoch die Erkrankung allein ursächlich, wie Prof. Dr. med. Dirk Woitalla, Essen, betonte. Viele Symptome können auch durch die eingesetzten Arzneimittel ausgelöst werden und lassen sich möglicherweise durch eine Umstellung der Medikation verringern. Die Behandlung einiger Symptomkomplexe erfordert Woitalla zufolge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Vor dem Einsatz von Dopaminagonisten sollten Patienten für das mögliche Auftreten von Impulskontroll-Störung (IKS) sensibilisiert werden. Ältere Arzneimittel haben eine niedrigere Inzidenz als neuere, so Woitalla.
Levodopa-Äquivalenzdosis am Beispiel Safinamid
Im Laufe der Parkinson-Erkrankung reicht die Levodopa-Dosis meist nicht mehr aus und muss gesteigert werden, oder es kommen weitere Medikamente hinzu. Das therapeutische Fenster wird enger. „Bei engem therapeutischem Fenster sollten wir die L-Dopa-Dosis anpassen“, erläuterte Prof. Dr. med. Wolfgang Jost, Wolfach. Er führte in seinem Vortrag aus, wann Levodopa-Äquivalenzdosen (LED) benötigt würden:
- Bei Absetzen der Dopaminagonisten (Levodopa-Dosis erhöhen)
- Bei Hinzunahme von MAO-B- und COMT-Hemmern (Levodopa-Dosis verringern)
- Bei Verordnung einer Pumpe (LCIG/LECIG/Fos-Levodopa)
Mit Safinamid (Xadago®) würden die L-Dopa-Spiegel nicht nur geglättet, sondern auch angehoben. Man könne somit bei Hinzunahme des hoch-selektiven MAO-B-Hemmers die Levodopa-Dosis eventuell reduzieren. 100 mg Safinamid haben eine etwas höhere LED als 50 mg: So ergab eine longitudinale retrospektive Fall-Kontroll-Studie eine Einsparung von 100 mg Levodopa bei 50-mg-Safinamid-Behandlung und 125 mg Einsparung bei 100 mg Safinamid [1]. Eine weitere Autorengruppe machte anhand einer Datenbankanalyse Vorschläge zur LED, es konnten jedoch nicht genügend Datensätze eingeschlossen werden, um valide Aussagen zur LED zu machen [4].
Real-World-Daten: SYNAPSES
In einer Subgruppenanalyse der europäischen Studie SYNAPSES werteten Jost et al. 181 Patienten aus Deutschland aus [5]. Die Teilnehmer erhielten zusätzlich zu Levodopa Safinamid. Ein Drittel der Teilnehmer war älter als 75 Jahre, 85 % hatten relevante Begleiterkrankungen und knapp 40 % psychiatrische Erkrankungen. Die Rate motorischer Komplikationen sank innerhalb des Studienzeitraums von zwölf Monaten von 100 % auf 70 %. Bei mehr als der Hälfte der Patienten (56 %) verbesserten sich Dyskinesien. 42 % zeigten Verbesserungen im „Wearing-OFF“. Das Nutzen-Risiko-Profil von Safinamid war günstig, es gab keine neuen Sicherheitsbedenken. Jost zufolge können auch ältere Patienten noch Safinamid bekommen.
ALS: Riluzol als Schmelzfilm
Ein Behandlungsziel bei der ALS ist ein verlängertes Überleben. Das einzige zugelassene ALS-Medikament ist Riluzol. Der Wirkungsmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Unter Hinzunahme von Riluzol konnte das mediane Überleben um etwa 12 Monate verlängert werden [2]. Es sollte als eine der wichtigsten Säulen der krankheitsmodifizierenden ALS-Behandlungsoptionen frühzeitig eingesetzt werden.
Das häufige Problem der Dysphagie bei ALS lässt sich mit Riluzol als oralem Schmelzfilm (Emylif®) umgehen, wie Dr. med. André Maier, Berlin, ausführte. So sei die Behandlung auch bei fortgeschrittener ALS möglich. Die Kriterien für Bioäquivalenz wurden erfüllt, der Schmelzfilm wurde gut vertragen [6]. Die Cmax war leicht höher als bei der Tablette. Maier hob die Vorteile durch die einfachere Einnahme hervor. So regt der Schmelzfilm den Speichelfluss nicht an, es ist kein aktives Schlucken nötig und die Aspirationsgefahr ist reduziert. Außerdem sei die Einnahme unabhängig von Mahlzeiten möglich.
Quelle
Prof. Dr. med. Dirk Woitalla, Essen, Prof. Dr. med. Wolfgang Jost, Wolfach, Dr. med. André Maier, Berlin. Symposium „M. Parkinson und ALS – was gibt es Neues?“, veranstaltet von Zambon im Rahmen des 96. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Berlin, 10.11.2023.
Literatur
1. Cilia R, et al. Levodopa equivalent dose of safinamide: A multicenter, longitudinal, case-control study. Mov Disord Clin Pract 2023;10:625–35.
2. Georgoulopoulou E, et al. The impact of clinical factors, riluzole and therapeutic interventions on ALS survival: a population based study in Modena, Italy. Amyotroph Lateral Scler Frontotemporal Degener 2013;14:338–45.
3. Höglinger G, et al. Parkinson-Krankheit. S2k-Leitlinie 2023. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.). Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. https://www.dgn.org/leitlinien (Zugriff am 04.12.2023).
4. Jost ST, et al. Levodopa dose equivalency in Parkinson’s disease: updated systematic review and proposals. Mov Disorders 2023;38:1236–52.
5. Jost WH, et al. Real world data of a German Parkinson’s disease population: effectiveness and safety of safinamide in routine clinical practice. Curr Med Res Opin 2023;39:1621–8.
6. Wymer J, et al. Pharmacokinetics, bioavailability, and swallowing safety with riluzole oral film. Clin Pharmacol Drug Dev 2023;12:57–64.
Psychopharmakotherapie 2024; 31(02):62-75