Cannabis, Psychedelika, KI …


Prof. Dr. Gerd Laux, Soyen/Waldkraiburg/München

Foto: Flamm, Haag

Gesundheitspolitisch, medial und viral steht Cannabis im Zentrum psychoaktiver Wirkstoffe. Getrieben von positiven Erfahrungsberichten wurde unter Umgehung des normalen durch das AMNOG festgelegten Prozesses Cannabis als erstattungsfähige Medizin legalisiert, während Psychopharmaka in den Medien, aber auch in der Fachpresse weiterhin kritisch gesehen werden („Entzugssymptome“ als Hauptthema). Abgesehen von der Schmerztherapie ist die Studienlage von Cannabis für psychiatrische Indikationen unzureichend („Evidenzlücke“); diskutiert wird unter anderem der Einsatz bei Borderline-Persönlichkeitsstörung, wobei die mögliche Psychose-Induktion hier besonders relevant sein dürfte. Ähnliches gilt angesichts bislang fehlender pharmakologischer Optionen für die Anwendung bei Autismus-Spektrum-Störungen. Neben toxischen Effekten von chronischem Cannabinoidkonsum (Hyperemesis, respiratorisches Syndrom, plötzlicher Herztod, Suizidalität) sind bislang verkehrsmedizinische Fragen kaum beachtet: Welche THC-Grenzwerte sind für Cannabiskonsumenten hinsichtlich Fahreignung normativ?

Der Mangel an Psychopharmaka-Innovationen hat in den letzten Jahren zur Wiederaufnahme der Evaluation von psychoaktiven Substanzen zu Therapiezwecken geführt – besonderes Forschungsinteresse wird den serotonergen Psychedelika, insbesondere Psilocybin und LSD, zuteil. Bewusstseinserweiterung bzw. die Bewusstwerdung unbewusster psychischer Inhalte und Zusammenhänge im Rahmen der Psychotherapie erfahren eine Renaissance, aber auch neurobiologische Netzwerk- und Neuroplastizitäts-Hypothesen sind an die Stelle von Neurotransmitter- und Rezeptor-Theorien getreten. Akuteffekte sind beschrieben, kontrollierte Studien im Gang, Fragen zur Therapiefrequenz und -dauer sind offen.

Das aktuelle Heft zeigt, dass nur kleine Innovationsschritte in der Psychopharmakologie zu verzeichnen sind:

Neu steht jetzt mit Risperidon ISM® ein langwirksames atypisches Antipsychotikum zur Verfügung, das bereits zwei Stunden nach i. m.-Injektion ohne Loading-Dose oder orale Supplementierung wirksame Plasmaspiegel erreicht. Akut- und Langzeittherapie sind somit in einer Form möglich und erleichtern die Patienten-Compliance/-Adhärenz.

In Deutschland ist jetzt auch Desvenlafaxin, der aktive Metabolit des Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmers (SNRI) Venlafaxin verfügbar. H.-P. Volz, Würzburg, gibt eine Übersicht zu Pharmakologie, Studienlage, Nebenwirkungen und Interaktionen.

J. Fritze, Pulheim, gibt in bewährter Weise wieder eine kritische Zusammenfassung des neuen Arzneiverordnungs-Reports (AVR 2022). Diese vielzitierte Quelle pharmakoepidemiologischer ambulanter GKV-Daten weist weiterhin methodische Probleme auf, worauf im Einzelnen fundiert hingewiesen wird. Antidepressiva dominieren bei den Verordnungszahlen bei weitem, weiterhin bedauerlich ist die in Relation seltene Verordnung von Antidementiva und dass kaum für 5 % der Zielgruppe Entwöhnungsmittel verordnet werden. Zahlen für Nalmefen und Acamprosat werden gar nicht berichtet, da sie nicht zu den 3000 meistverordneten Arzneimitteln gehören.

In der Rubrik Referiert und kommentiert finden sich wichtige Beiträge zu Cannabis (S. 102) und zu Esketamin (S. 103). Zu Letzterem ist für PPT-Abonnenten ein ausführliches Supplementheft beigefügt.

Ins Zentrum des medialen Interesses gerückt ist das Thema künstliche Intelligenz (KI). Vor der Tür stehen computerisierte Therapie-Algorithmen, um zum Beispiel zu ermitteln: Wem sollte eine Psychopharmakotherapie welcher Art, wem eine Psychotherapie welcher Art oder wem beides zukommen? Abgesehen von dem Problem der Versorgungsrealität (Therapieplätze?) – wie wird dann die Psychotherapie-Selektionsproblematik (YAVIS-Patienten – „young, attractive, verbal, intelligent, successful“; leichtere Krankheitsfälle) angegangen? Ministeriell wird ja an einem neuen Gesetz zur „Bändigung“ der KI gearbeitet – spannende Zeiten …

Schließlich, wie inzwischen üblich, die Feststellung „ich bin kein Roboter“; dieser Text ist kein ChatGPT-Produkt, sondern ein fast persönlicher, echter Autor-Leser-Kontakt.

Deshalb viel Freude bei der Lektüre!

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