Delir

Haloperidol zur Behandlung des Delirs auf der Intensivstation


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit einem Delir auf der Intensivstation führte eine Behandlung mit Haloperidol nicht zu einer signifikant geringeren Anzahl von Tagen bis zum Tod oder bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus als die Behandlung mit Placebo.

Ein Delir ist definiert, als eine akute Störung der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins und ist die häufigste Manifestation einer akuten Hirnfunktionsstörung bei kritisch kranken Patienten. Schätzungsweise 30 bis 50 % der Patienten, die auf einer Intensivstation (ICU) behandelt werden, entwickeln ein Delir. Ein Delir ist mit einer erhöhten Morbidität und Sterblichkeit verbunden. Das Antipsychotikum Haloperidol wird häufig zur Behandlung eines Delirs bei Patienten auf der Intensivstation eingesetzt. Allerdings gibt es nur wenige Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit dieser Therapie.

Studiendesign

In einer multizentrischen, verblindeten, Placebo-kontrollierten Studie wurden erwachsene Patienten mit einem Delir, die wegen einer akuten Erkrankung auf die Intensivstation eingeliefert wurden, nach dem Zufallsprinzip entweder mit intravenösem Haloperidol (2,5 mg 3-mal täglich plus 2,5 mg bei Bedarf bis zu einer maximalen Tagesdosis von 20 mg) oder mit Placebo behandelt. Haloperidol bzw. Placebo wurden auf der Intensivstation so lange verabreicht, wie das Delirium anhielt. Bei Wiederauftreten des Delirs konnte erneut Haloperidol oder Placebo nach Bedarf gegeben werden.

Der primäre Endpunkt war die Anzahl der Tage, an denen die Patienten 90 Tage nach der Randomisierung noch lebten und nicht mehr im Krankenhaus waren.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 1000 Patienten randomisiert; 510 wurden der Haloperidol-Gruppe und 490 der Placebo-Gruppe zugewiesen. Von diesen Patienten wurden 987 (98,7 %) in die endgültigen Analysen einbezogen (501 in der Haloperidol-Gruppe und 486 in der Placebo-Gruppe). Für 963 Patienten (97,6 %) lagen komplette Daten vor. Die Patienten waren im Mittel 70 Jahre alt und 64 % waren beatmet.

Nach 90 Tagen betrug die durchschnittliche Anzahl der Tage, an denen die Patienten noch lebten und nicht im Krankenhaus waren,

  • 35,8 Tage (95%-Konfidenzintervall [KI] 32,9–38,6) in der Haloperidol-Gruppe und
  • 32,9 Tage (95%-KI 29,9–35,8) in der Placebo-Gruppe,

mit einer mittleren Differenz von 2,9 Tagen (95%-KI –1,2 bis 7,0, p = 0,22). Die Sterblichkeit nach 90 Tagen betrug 36,3 % in der Haloperidol-Gruppe und 43,3 % in der Placebo-Gruppe mit einer absoluten Differenz von –6,9 Prozentpunkten (95%-KI –13,0 bis –0,6). Schwerwiegende, unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten bei elf Patienten in der Haloperidol-Gruppe und bei neun Patienten in der Placebo-Gruppe auf.

Kommentar

Diese große Studie, die zum größten Teil in Dänemark durchgeführt wurde, zeigt, dass Patienten, die auf der Intensivstation wegen eines Delirs mit Haloperidol behandelt werden, in Bezug auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts und die Sterblichkeit nach 90 Tagen keinen Unterschied zu Patienten zeigen, die mit Placebo behandelt werden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Patienten, die auf der Intensivstation ein Delir entwickeln, nicht neuroleptisch behandelt werden sollten. Die Studie muss dahingehend interpretiert werden, dass der Einsatz von Antipsychotika bei Patienten mit Delir auf der Intensivstation keine schädlichen Auswirkungen auf den weiteren Krankheitsverlauf hat.

Antipsychotika bei Delir

Wenn bei einem Delir eine symptomatische medikamentöse Therapie angezeigt erscheint, gehört der – möglichst kurz dauernde – Einsatz von Antipsychotika zu den etablierten Maßnahmen. Ausführlicher geht hierauf der Beitrag zur Psychopharmakotherapie in der Palliativmedizin ein, der auch auf die hier referierte Studie Bezug nimmt. (Red.)

Quelle

Andersen-Ranberg NC, et al. for the AID-ICU Trial Group. Haloperidol for the treatment of delirium in ICU patients. New Engl J Med 2022;387:2425–35.

Psychopharmakotherapie 2023; 30(02):63-69