Depressive Episode

GEMINI: Kurzzeitstudie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Dextromethorphan-Bupropion


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

In der randomisierten, doppelblinden GEMINI-Studie zeigt eine Fixkombination von Dextromethorphan und Bupropion im Vergleich mit Placebo während der sechswöchigen Studiendauer eine deutliche Besserung depressiver Symptome und eine höhere Remissionsrate.

Dextromethorphan wirkt als nichtkompetitiver Antagonist an N-Methyl-D-aspartat-(NMDA-)Rezeptoren und als Agonist an Sigma-1-Rezeptoren. Die Substanz wird niedrig dosiert als Antitussivum eingesetzt. Aufgrund des NMDA-Antagonismus erscheint aber auch eine Wirkung bei Depressionen möglich. Zur klinischen Prüfung bei dieser Indikation wurde eine Fixkombination von Dextromethorphan mit Bupropion entwickelt (AXS-05). Bupropion dient hier als CYP2D6-Inhibitor zur Verlängerung der Dextromethorphan-Wirkung (siehe Kasten) und ist niedriger dosiert als bei seiner Verwendung als Antidepressivum.

Dextromethorphan und CYP2D6-Inhibitor

Die Demethylierung via Cytochrom P450–2D6 (CYP2D6) ist ein wesentlicher Schritt bei der Verstoffwechselung von Dextromethorphan. Eine genetisch oder pharmakologisch bedingte CYP2D6-Hemmung bewirkt deshalb eine Verlängerung der Halbwertszeit und damit der Wirkdauer.

Im Jahr 2013 erhielt eine Fixkombination von Dextromethorphan mit dem CYP2D6-Inhibitor Chinidin (Nuedexta) die europäische Zulassung zur Behandlung von Symptomen des Pseudobulbäraffekts. Grundlage waren Studien bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose oder multipler Sklerose. Im Februar 2016 wurde die Zulassung zurückgezogen, weil der Zulassungsinhaber dies aus kommerziellen Gründen beantragt hatte. Das Präparat war zu keiner Zeit vermarktet worden [1]. In den USA ist die Kombination aus 20 mg Dextromethorphanhydrobromid und 10 mg Chinidinsulfat zugelassen [2].

In einer randomisierten, doppelblinden Phase-II-Studie mit 80 Patienten besserte die zweimal tägliche Einnahme von 45 mg Dextromethorphan und 105 mg Bupropion die Depressionssymptome signifikant besser als 105 mg Bupropion zweimal täglich [3]. Die Kombination wurde jetzt in einer randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie im Vergleich mit Placebo untersucht.

Studiendesign

Die GEMINI(Glutamatergic and monoaminergic modulation in depression)-Studie wurde von Juni bis Dezember 2019 an 40 US-amerikanischen Zentren durchgeführt. An der Studie nahmen 327 Patienten teil, die seit mindestens vier Wochen an einer depressiven Episode litten und einen MADRS(Montgomery-Åsberg depression rating scale)-Score von mindestens 25 aufwiesen. Sechs Wochen lang nahmen sie die orale Studienmedikation aus 45 mg Dextromethorphan und 105 mg Bupropion (n = 163) oder Placebo (n = 164), an den Tagen 1 bis 3 einmal täglich, danach zweimal täglich. Studienvisiten erfolgten eine, zwei, drei, vier und sechs Wochen nach der Eingangsvisite sowie eine Woche nach der letzten Einnahme.

Primärer Endpunkt war die Veränderung des MADRS-Scores vom Ausgangswert bis Woche 6. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die MADRS-Veränderungen zu anderen Zeitpunkten, der Anteil von Patienten mit klinischem Ansprechen (≥ 50 % Abnahme des MADRS-Scores) oder Remission (MADRS-Score ≤ 10), der klinische Gesamteindruck hinsichtlich Verbesserung (CGI-I) und Schwere (CGI-S) der Erkrankung sowie einige von Patienten vorgenommene Bewertungen. Um den Einfluss von Mehrfachtests auszugleichen, wurden einige sekundäre Endpunkte in hierarchischer Reihenfolge statistisch ausgewertet, d. h., nur bei einem statistisch signifikanten Ergebnis wurde die Auswertung fortgesetzt. Für weitere Endpunkte wurden ungeachtet der Mehrfachtestungen numerische p-Werte ermittelt.

Studienergebnisse

Der MADRS-Wert hatte, ausgehend von 33,6 (Verum) bzw. 33,2 (Placebo), nach sechs Wochen in der Dextromethorphan-Bupropion-Gruppe um 15,9 Punkte und in der Placebo-Gruppe um 12,0 Punkte abgenommen. Das ergab eine Differenz von –3,87 Punkten (p = 0,002; Tab. 1).

Tab. 1. Wirksamkeitsergebnisse der GEMINI-Studie (Auswahl) [Iosifescu et al.]

Parameter

Dextromethorphan-Bupropion

Placebo

Differenz
(95%-Konfidenzintervall)

p-Wert

Primärer Endpunkt

MADRS-Score Woche 6 vs. Baseline

–15,9

–12,0

–3,87 (–1,39 bis –6,36)

0,002

Sekundäre Endpunkte, hierarchisch

MADRS-Score Woche 2 vs. Baseline

–11,1

–7,7

–3,4 (–1,4 bis –5,5)

< 0,001

Patienten mit Remission in Woche 2

16,9 %

7,5 %

9,4 (1,9–16,8)

0,013

MADRS-Score Woche 1 vs. Baseline

–7,2

–5,0

–2,2 (–0,6 bis –3,9)

0,007

Patienten mit klinischem Ansprechen bis Woche 6

54,0 %

34,0 %

20 (8,4–31,6)

< 0,001

CGI-I in Woche 6 (Patienten mit moderater bis deutlicher Verbesserung)

57,6 %

43,0 %

14,6 (2,9–26,4)

0,016

Veränderung des CGI-S bis Woche 6

–1,7

–1,2

–0,5 (–0,2 bis –0,8)

0,002

Patienten mit Remission in Woche 1

2,6 %

1,9 %

0,7 (–2,5 bis 4,0)

0,659 (n.s.*)

Weitere sekundäre Enpunkte

Remission in Woche 6

39,5 %

17,3

22,2 (11,7–32,7)

< 0,001

QIDS-SR-16 in Woche 6 vs. Baseline

–7,7

–5,7

–2,0 (–0,8 bis –3,3)

0,001

SDS-Score in Woche 6 vs. Baseline

9,0

6,3

2,7 (1,0–4,5)

0,002

CGI-I: Clinical global impression – improvement; CGI-S: Clinical global impression – severity; QIDS-SR-16: Quick inventory of depressive symptomatology – self-rated; SDS: Sheehan disability scale

*nicht signifikant; alle folgenden p-Werte deshalb numerisch ohne Berücksichtigung von Mehrfachtests

Eine statistisch signifikante Verum-Placebo-Differenz der MADRS-Veränderung bestand bereits nach einer Woche (Tab. 1) und während der gesamten weiteren Studiendauer. Auch in Bezug auf Ansprechen, Remission und fast alle weiteren sekundären Endpunkte ergab sich ein Vorteil für die Dextromethorphan-Bupropion-Behandlung (Tab. 1).

Unerwünschte Ereignisse traten in der Verum-Gruppe bei 61,7 % und in der Placebo-Gruppe bei 45,1 % der Patienten auf. Bei 6,2 % bzw. 0,6 % der Patienten war dies Anlass zum Studienabbruch. Insgesamt beendeten 25 % (Verum) bzw. 10 % (Placebo) die Studie vorzeitig.

Die häufigsten Nebenwirkungen von Dextromethorphan-Bupropion waren Schwindelgefühl (bei 16 % der Patienten; Placebo 6,1 %), Übelkeit (13,0 % vs. 8,5 %), Kopfschmerzen (8,0 % vs. 3,7 %), Diarrhö (6,8 % vs. 3,0 %), Somnolenz (6,8 % vs. 3,0 %) und Mundtrockenheit (5,6 % vs. 2,4 %). Psychotomimetische Effekte wurden nicht beobachtet.

Fazit

Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass die Behandlung mit der Dextromethorphan-Bupropion-Kombination zu klinisch bedeutsamen und statistisch signifikanten Verbesserungen der depressiven Symptome bereits ab Woche 1 führte und insgesamt gut vertragen wurde. Daten zur Langzeitanwendung stehen vor der Veröffentlichung.

Als Antidepressiva werden derzeit verschiedene NMDA-Antagonisten geprüft oder auch schon angewendet (z. B. Esketamin). Die Prüfung der antidepressiven Wirksamkeit von AXS-05 mit Fokus auf den NMDA-Antagonismus ist in diesem Kontext zu verstehen. Die ersten Ergebnisse der klinischen Prüfung erscheinen vielversprechend. In Hinblick auf eine potenzielle Zulassung ist vorteilhaft, dass das Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum von Dextromethorphan und Bupropion bereits bekannt ist. Die CYP2D6-Hemmung als Bestandteil des Wirkprinzips bedingt allerdings auch ein pharmakokinetisches Interaktionspotenzial, das im Fall einer breiteren Anwendung zu beachten sein wird.

Quelle

Iosifescu DV, et al. Efficacy and safety of AXS-05 (dextromethorphan-bupropion) in patients with major depressive disorder: A phase 3 randomized clinical trial (GEMINI). J Clin Psychiatry 2022;83:21m14345.

Literatur

1. European Medicines Agency. Nuedexta. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/nuedexta#authorisation-details-section (Zugriff am 26.10.2022).

2. https://www.nuedexta.com (Zugriff am 26.10.2022).

3. Tabuteau H, et al. Effect of AXS-05 (dextromethorphan-bupropion) in major depressive disorder: A randomized double-blind controlled trial. Am J Psychiatry 2022;179:490–9.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(06):230-239