Migräneprophylaxe

Lebensqualität und Produktivität rücken in den Vordergrund


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Eine medikamentöse Migräneprophylaxe zielt darauf ab, die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken zu verringern, die Krankheitsprogression zu vermeiden und die Lebensqualität und Funktionsfähigkeit wiederherzustellen. Mit dem monoklonalen Anti-CGRP(Calcitonin gene-related peptide)-Antikörper Fremanezumab steht eine wirksame prophylaktische Therapieoption für Menschen mit episodischer Migräne (EM) und chronischer Migräne (CM) zur Verfügung, die neben der Kopfschmerzfrequenz auch patientenrelevante Aspekte der Migräne wie Lebensqualität und Produktivität verbessern kann. Dies wurde bei einem Symposium der Firma Teva im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses diskutiert.

Migräne bedeutet mehr als nur Kopfschmerzen. Die neurologische Erkrankung kann die Lebensqualität und die Alltagsaktivitäten der Betroffenen stark beeinträchtigen. Eine Migräneprophylaxe ist indiziert, wenn pro Monat drei und mehr Migräneattacken auftreten, die die Lebensqualität beeinträchtigen, regelmäßig länger als 72 Stunden anhalten, und durch die Akutmedikation nicht zufriedenstellend kontrolliert werden, sowie bei komplizierten Migräneattacken und/oder lang anhaltenden Auren [3]. Nach den Erfahrungen von Priv.-Doz. Dr. Charly Gaul, Frankfurt/M., erhält derzeit aber nur ein kleiner Teil der Migränepatienten eine leitliniengerechte Migräneprophylaxe, obschon sie davon profitieren könnten. Die Unterversorgung hat verschiedene Gründe, unter anderem Vorbehalte der betroffenen Patienten gegenüber den konventionellen Prophylaktika und ihren potenziellen Nebenwirkungen.

Rückschlüsse auf die Versorgungssituation ergeben sich aus einer Interimsanalyse der FINESSE-Studie, einer multizentrischen, prospektiven, nichtinterventionellen Studie (NIS) zur Evaluation des Nutzen-Risiko-Profils von Fremanezumab (Ajovy®) im klinischen Alltag bei Patienten mit episodischer Migräne (EM) und chronischer Migräne (CM) aus Deutschland und Österreich [8]. Der monoklonale Anti-CGRP-Antikörper ist zugelassen für Erwachsene mit ≥ 4 Migränetagen pro Monat, bei denen Betablocker, Calciumkanalblocker, Antidepressiva und Antikonvulsiva sowie OnabotulinumtoxinA (bei CM) versagt haben, unverträglich waren oder kontraindiziert sind [4]. Im Rahmen der aktuellen Zwischenauswertung (Datenschnitt: 09.05.2021) wurden die Dauer der prophylaktischen Vormedikation und die Gründe für den Therapieabbruch evaluiert [8]. Von den 706 in die Interimsanalyse einbezogenen Patienten hatten 654 Patienten in den letzten zehn Jahren eine medikamentöse Migräneprophylaxe erhalten, meistens Antidepressiva (n = 561), Antikonvulsiva (n = 557) und Betablocker (n = 555), seltener OnabotulinumtoxinA (n = 270) oder andere Anti-CGRP-Antikörper (n = 115) (Mehrfachnennung möglich). Die mediane Behandlungsdauer war kurz und lag für die meisten Wirkstoffklassen zwischen drei und sechs Monaten [8]. Häufigste Gründe für das Absetzen waren mangelnde Wirksamkeit und Unverträglichkeit [8].

Wichtige Erfolgskriterien: Lebensqualität und Produktivität

Der Erfolg einer Migräneprophylaxe beruht nicht nur auf einer Reduktion der Kopfschmerztage, sondern darüber hinaus auf der Verbesserung patientenberichteter Outcome-Parameter wie Wohlbefinden, Funktionalität und Produktivität. Anhand spezifischer Fragebögen wie des Lebensqualitätsfragebogens MSQoL v2.1 (Migraine-specific quality of life questionnaire Version 2.1) oder des Produktivitätsfragebogens WPAI:GH (Work productivity and activity impairment questionnaire: general health) können solche Patient-reported Outcomes (PROs) im klinischen Alltag erfasst und ihre Veränderung im Verlauf der Behandlung monitoriert werden.

Gut belegt ist die Wirksamkeit von Fremanezumab in beiden verfügbaren Dosierungen (monatlich 225 mg, vierteljährlich dreimal 225 mg) auf die Dauer und Schwere der Migräneattacken [1] sowie auf die Arbeitsproduktivität und der Lebensqualität bei episodischer und chronischer Migräne (Abb. 1) – auch bei schwer behandelbaren Migräne-Patienten mit Medikamentenübergebrauch und nach unzureichender prophylaktischer Vorbehandlung mit zwei bis vier Medikamenten unterschiedlicher Wirkstoffklassen [5–7]. Darüber hinaus besserten sich Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Photophobie und Phonophobie unter der Therapie mit Fremanezumab [2].

Abb. 1. Verbesserung der mit der MSQoL v2.1# erfassten Lebensqualität von Erwachsenen mit chronischer Migräne unter der Behandlung mit Fremanezumab 12 Wochen nach Behandlungsbeginn (mod. nach [5]) #Migraine-Specific Quality of Life Questionnaire Version 2.1

Quelle

Priv.-Doz. Dr. Charly Gaul, Frankfurt; Dr. Charlotte von Kageneck, Freiburg; Symposium „Mehr als nur Kopfschmerzen – Welche Rolle Wohlbefinden & Verhalten bei der Migräneprophylaxe spielen“, veranstaltet von Teva im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses, Mannheim, 22. Oktober 2021.

Literatur

1. Ashina M, et al. Reduction in the severity and duration of headache following fremanezumab treatment in patients with episodic and chronic migraine. Headache 2021;61:916–26.

2. Brandes JL, et al. Effects of fremanezumab on the use of acute headache medication and associated symptoms of migraine in patients with episodic migraine. Cephalalgia 2020;40:470–7.

3. Diener HC, et al. Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. S1-Leitlinie 2018; AWMF-Registernummer 030/057.

4. Fachinformation Ajovy® 225 mg Injektionslösung in Fertigspritze/Fertigpen. Stand: Juni 2021.

5. Lipton RB, et al. Effect of fremanezumab on quality of life and productivity in patients with chronic migraine. Neurology 2020;95:e878–88.

6. Silberstein SD, et al. The impact of fremanezumab on medication overuse in patients with chronic migraine: subgroup analysis of the HALO CM study. J Headache Pain 2020;21:114.

7. Spierings ELH, et al. Improvements in quality of life and work productivity with up to 6 months of fremanezumab treatment in patients with episodic and chronic migraine and documented inadequate response to 2 to 4 classes of migraine-preventive medications in the phase 3b FOCUS study. Headache 2021;61:1376–86.

8. Straube A, et al. Past preventive migraine treatment prior to fremanezumab in clinical practice – interim data from the FINESSE study. Deutscher Schmerzkongress 2021, Poster EP40.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(06):274-285