Generalisierte Myasthenia gravis

Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Efgartigimod – die ADAPT-Studie


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Efgartigimod, ein humanes IgG1-Antikörper-Fc-Fragment, war bei Patienten mit generalisierter Myasthenia gravis über einen Zeitraum von acht Wochen gut verträglich und wirksam. Die Wirkung in der klinischen Praxis mit längerfristigen Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten wird durch die laufende offene Langzeitstudie geklärt.

Die Myasthenia gravis ist eine sehr seltene Muskelerkrankung mit belastungsabhängigen Paresen zahlreicher Muskelgruppen. Pathophysiologisch entwickeln die Patienten IgG1-Autoantikörper die in 85 % der Fälle gegen den Acetylcholinrezeptor gerichtet sind. Die Antikörper können sich in seltenen Fällen auch gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase richten oder das Low-Density-Lipoprotein-Receptor-related Protein 4. Eine unspezifische Immunsuppression mit Glucocorticoiden ist wirksam. In Notfallsituationen können die IgG1-Antikörper durch Plasmaseparation oder Immunabsorption eliminiert werden. Neue Therapieansätze umfassen die Aktivierung von Komplement. Eine Wirksamkeit konnte für Eculizumab gezeigt werden [1].

Ein neuer Therapieansatz zielt auf den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn). Das ist ein intrazellulärer Rezeptor, der IgG1-Immunglobuline recycelt: Immunglobuline, die nach Aufnahme in die Zelle an FcRn binden, werden vor dem lysosomalen Abbau geschützt und wieder aus der Zelle freigesetzt. Dadurch verlängert sich die Wirkung der Immunglobuline, somit auch der IgG1-Autoantikörper. Efgartigimod (ARGX-113) ist ein humanes IgG1-Antikörper-Fc-Fragment. Es belegt einen Teil der FcRn und verringert so die Recyclingmöglichkeiten für vollständiges IgG. Efgartigimod senkt bei Patienten mit generalisierter Myasthenia gravis die pathogenen IgG1-Autoantikörper. Ziel der Studie war es, seine Wirksamkeit und Sicherheit zu untersuchen.

Studiendesign

ADAPT war eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie, die an 56 neuromuskulären Zentren in 15 Ländern in Nordamerika, Europa und Japan durchgeführt wurde. Patienten mit generalisierter Myasthenia gravis (MG) konnten, unabhängig vom Anti-Acetylcholinrezeptor-Antikörperstatus, an der Studie teilnehmen, wenn sie einen MG-ADL-Score (Activities of daily living) von mindestens 5 (> 50 % nicht-okulär) aufwiesen und mindestens eine Therapie für eine generalisierte Myasthenia gravis in stabiler Dosis einnahmen. Der MG-ADL-Score hat acht Items und reicht von 0 bis 24.

Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip zu Efgartigimod (10 mg/kg) oder einem entsprechenden Placebo zugewiesen. Die Medikamentengabe erfolgte in Form von vier Infusionen (eine Infusion pro Woche) pro Zyklus. Die Zyklen konnten je nach klinischem Ansprechen nach Bedarf, frühestens fünf Wochen nach der letzten Infusion, wiederholt wurden. Die Doppelblindstudie dauerte 26 Wochen, sodass bis zu drei Zyklen möglich waren. Die Patienten, die Prüfärzte und das Personal der Klinik waren hinsichtlich der Behandlungszuordnung maskiert.

Der primäre Endpunkt war der Anteil der Acetylcholinrezeptor-Antikörper-positiven Patienten, die im ersten Behandlungszyklus in Hinblick auf MG-ADL ansprachen, definiert als ≥ 2 Punkte Verbesserung, die für mindestens 4 Wochen anhielt. Die primäre Analyse wurde in der modifizierten Intention-to-treat-Population aller Acetylcholinrezeptor-Antikörper-positiven Patienten durchgeführt, die eine gültige MG-ADL-Bewertung zu Beginn der Behandlung und mindestens eine Bewertung nach dem Beginn der Behandlung hatten. Die Sicherheitsanalyse umfasste alle Patienten, die mindestens eine Dosis oder Teildosis von Efgartigimod oder Placebo erhielten. Eine Open-Label-Erweiterung der Studie ist im Gange.

Ergebnisse

Zwischen September 2018 und November 2019 wurden 167 Patienten rekrutiert, randomisiert und behandelt, davon 84 in der Efgartigimod-Gruppe und 83 in der Placebo-Gruppe. Die Patienten waren im Mittel 47 Jahre alt und 70 % waren Frauen. Die Myasthenie bestand im Mittel seit neun Jahren. Der MG-ADL-Score bei Studieneinschluss betrug 9,0. 75 % der Patienten erhielten eine Basistherapie mit Steroiden. 61 % erhielten eine andere immunsuppressive Therapie.

129 Patienten (77 %) waren Acetylcholinrezeptor-Antikörper-positiv. Von diesen Patienten sprachen in Zyklus 1 mehr Patienten der Efgartigimod-Gruppe bezüglich der MG-ADL-Skala an, nämlich 44/65 (68 %) in der Verum-Gruppe und 19/64 (30 %) in der Placebo-Gruppe (Odds-Ratio 4,95; 95%-Konfidenzintervall 2,21–11,53; p < 0,0001). Die Verbesserung des MG-ADL-Scores erreichte eine Woche nach der letzten Infusion ihr Maximum; in den folgenden Wochen näherte sich der Score allmählich wieder dem Wert der Placebo-Gruppe an.

In beiden Gruppen erhielten zwei Drittel der Patienten (n = 56 bzw. 54) einen zweiten Zyklus, und sieben bzw. drei Patienten erhielten noch einen dritten Zyklus. Die Ansprechraten waren im zweiten Zyklus ähnlich wie im ersten.

Behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse traten bei 65/84 (77 %) Patienten in der Efgartigimod-Gruppe und 70/83 (84 %) Patienten in der Placebo-Gruppe auf. Die häufigsten waren Kopfschmerzen (24 Efgartigimod versus 23 Placebo) und Nasopharyngitis (10 Efgartigimod versus 15 Placebo). Vier (5 %) der mit Efgartigimod behandelten Patienten und sieben (8 %) Patienten in der Placebo-Gruppe hatten ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis. Drei Patienten in jeder Behandlungsgruppe (4 %) brachen die Behandlung während der Studie ab. Es gab es keine Todesfälle.

Kommentar

Diese Studie zeigt, dass eine 8-wöchige Behandlung mit Efgartigimod bei zwei Drittel aller Patienten mit generalisierter Myasthenia gravis als Zusatzmedikation zu einer bestehenden immunsuppressiven Therapie zu einer signifikanten Besserung der Symptomatik der Myasthenia gravis führt. Die Behandlung war relativ gut verträglich und wäre daher eine gute Alternative für Patienten, die unter immunsuppressiver Therapie keine ausreichende Wirksamkeit haben. Die Therapie scheint allerdings überwiegend symptomatisch zu sein, da sich gegen Ende eines 8-wöchigen Behandlungszyklus die Symptomatik wieder an die der Placebo-Gruppe anglich. Ob die Therapie auch langfristig gut verträglich ist wird sich erst zeigen, wenn die offene Langzeitbeobachtungsstudie abgeschlossen ist.

Quelle

Howard JF, Jr., et al. Safety, efficacy, and tolerability of efgartigimod in patients with generalised myasthenia gravis (ADAPT): a multicentre, randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Neurol 2021;20:526–36.

Literatur

1. Howard JF, Jr., et al. Safety and efficacy of eculizumab in anti-acetylcholine receptor antibody-positive refractory generalised myasthenia gravis (REGAIN): a phase 3, randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre study. Lancet Neurol 2017;16:976–86.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(05):216-226