Schubförmige multiple Sklerose

S1P1-Modulator Ponesimod senkt Schubrate signifikant stärker als Teriflunomid


Sabine M. Rüdesheim, Frechen

In der OPTIMUM-Studie wurde für den Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-1-(S1P1-)Modulator Ponesimod bei aktiver schubförmiger multipler Sklerose (RMS) eine Verringerung der jährlichen Schubrate sowie der kumulativen Anzahl kombinierter einzelner aktiver Läsionen gegenüber dem aktiven oralen Vergleichspräparat Teriflunomid festgestellt. Diese und weitere Studiendaten präsentierten Experten bei einer von der Firma Janssen veranstalteten Launch-Pressekonferenz.

Eine frühe und ausreichend wirkstarke Therapie der MS gilt als Basis für eine Langzeitstabilität ohne Akkumulation der Behinderung bzw. Übergang in einen progredienten Verlauf sowie für die Verbesserung der Lebensqualität und Reduktion des Hirnvolumenverlusts. Die orale Therapie mit Ponesimod (Abb. 1) vermindert die Blutlymphozytenzahl, indem Lymphozyten in den Lymphorganen sequestriert werden. Das Iminothiazolidinonderivat, das als selektiver, schnell reversibler, Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-1-Modulator wirkt, ist seit Mai 2021 für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit RMS – definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung – zugelassen (Ponovry®).

Abb. 1. Ponesimod

Schubrate und Läsionen reduziert

In der multizentrischen, doppelblinden, aktiv kontrollierten Überlegenheitsstudie OPTIMUM (Oral ponesimod versus teriflunomide in relapsing multiple sclerosis) wurde als erste Head-to-Head-Untersuchung die Wirksamkeit und Sicherheit von Ponesimod 20 mg mit Teriflunomid 14 mg bei 1133 Patienten verglichen. Dabei waren die Patientencharakteristika hinsichtlich der demographischen Daten und Merkmale der Grunderkrankung gut ausbalanciert; die Studiendauer betrug 108 Wochen.

Als primärer Endpunkt war die jährliche Schubrate (Annualized relapse rate, ARR) definiert – diese senkte Ponesimod im Vergleich zu Teriflunomid signifikant um 30,5 % (ARR: 0,202 vs. 0,290; p = 0,0003) [4]. Zudem wurde unter Ponesimod im Vergleich zu Teriflunomid eine um 56 % verringerte Anzahl neuer entzündlicher Läsionen in der Magnetresonanztomographie-Untersuchung detektiert (sekundärer Endpunkt; p < 0,001) [4]. Für die Stabilisierung der Fatigue-Symptome, gemessen anhand des FSIQ-RMS-Symptom-Scores (FSIQ-RMS: Fatigue symptoms and impacts questionnaire – relapsing multiple sclerosis), wurde mit einer mittleren Differenz von –3,57 eine statistische Überlegenheit für Ponesimod beobachtet (p < 0,001) [4].

In Bezug auf die nach 12 bzw. 24 Wochen bestätigte Behinderungsprogression konnte am Studienende zwar kein signifikanter Unterschied zwischen Ponesimod und Teriflunomid dokumentiert werden, allerdings wurde unter Teriflunomid eine stärkere Erhöhung des EDSS-Werts (EDSS: Expanded disability status scale) verzeichnet [1]. Einen NEDA-3-Status (NEDA: No evidence of disease activity) erreichten 28 vs. 18 % der Studienteilnehmer im Ponesimod-Arm, einen NEDA-4-Status 15 vs. 9 % [3]. Der Verlust an Hirnvolumen war mit –0,91 vs. –1,25 % signifikant geringer ausgeprägt als in der Teriflunomid-Gruppe (p < 0,001) [4].

Ähnliches Nebenwirkungsprofil

Insgesamt war die Rate von mindestens einem behandlungsbedingten (Ponesimod 88,8 %, Teriflunomid 88,2 %) bzw. schwerwiegenden unerwünschten Ereignis (Ponesimod 8,7 %, Teriflunomid 8,1 %) in beiden Behandlungsarmen vergleichbar. Als häufigste Nebenwirkungen traten bei Patienten, die in die Ponesimod-Gruppe randomisiert wurden, Nasopharyngitis (19,3 vs. 16,8 %), Kopfschmerzen (11,5 vs. 12,7 %) und Infektionen der oberen Atemwege (10,6 vs. 10,4 %) sowie erhöhte Alanin-Aminotransferase-Werte (19,5 vs. 9,4 %) auf [2]. Die Mehrzahl der Leberenzymerhöhungen waren jedoch einzelne, transiente, asymptomatische Episoden, die kontrollierbar und reversibel waren [5].

Charakteristika für klinischen Alltag

Durch die vergleichsweise kurze Halbwertszeit von rund 33 Stunden, die schnelle Elimination (innerhalb einer Woche nach dem Absetzen) und die Reversibilität der Lymphozytenzahl ist eine hohe Flexibilität im Bedarfsfall, beispielsweise bei Infektionen, Impfungen und Familienplanung, gegeben. Zudem bildet Ponesimod keine aktiven Metaboliten und weist lediglich ein geringes Arzneimittelinteraktionspotenzial auf.

Schrittweise Eindosierung

Wie bei anderen S1P1-Modulatoren kann es bei Therapiebeginn mit Ponesimod zu einer vorübergehenden Abnahme der Herzfrequenz und Verlangsamung der atrioventrikulären Überleitung kommen. Vor Behandlungsbeginn muss deshalb ein Elektrokardiogramm (EKG) aufgezeichnet werden, um Erregungsleitungsstörungen zu identifizieren, und für Patienten mit bestimmten vorbestehenden Herzerkrankungen wird bei der Ersteinnahme eine vierstündige Überwachung empfohlen.

Um das Bradykardierisiko zu verringern, erfolgt die Eindosierung für alle Patienten schrittweise. Über einen Zeitraum von 14 Tagen wird die Dosis nach einem Titrationsschema von 2 mg auf 10 mg, jeweils einmal täglich, erhöht. Das Präparat steht in einer entsprechenden Packung zur Einleitung der Behandlung zur Verfügung. Die anschließende Erhaltungstherapie erfolgt mit 20 mg Ponesimod einmal täglich. (Red.)

Quelle

Prof. Dr. med. Till Sprenger, Wiesbaden; Prof. Dr. med. Ralf Gold, Wiesbaden; virtuelle Launch-Pressekonferenz „Zulassung von Ponesimod zur Behandlung der aktiven schubförmigen Multiplen Sklerose (RMS), 8. Juni 2021, veranstaltet von Janssen-Cilag.

Literatur

1. Fox R, et al. Effect on disability measures and MSfc in patients with relapsing multiple sclerosis from the phase 3 ponesimod versus teriflunomide OPTIMUM study. MSVirtual2020; Abstract 0204.

2. Fox R, et al. Ponesimod versus teriflunomide in relapsing multiple sclerosis: efficacy results from the OPTIMUM phase 3 randomised, double-blind superiority study. EAN 2020; Abstract EPR2129.

3. Kappos L, et al. Effect of oral ponesimod on clinical disease activity and mri-based outcomes in patients with relapsing multiple sclerosis: phase 3 OPTIMUM study. MSVirtual2020; Abstract 0071.

4. Kappos L, et al. Ponesimod compared with teriflunomide in patients with relapsing multiple sclerosis in the active-comparator phase 3 OPTIMUM study a randomized clinical trial. JAMA Neurol 2021;78:558–67.

5. Kappos L. Efficacy and safety of ponesimod compared to teriflunomide in patients with relapsing multiple sclerosis: results of the randomized, active-controlled, double-blind, parallel-group phase 3 OPTIMUM study. ECTRIMS 2019; Abstract 93.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(04):172-183