Psychedelika

Phase-II Studie zu Psilocybin vs. Escitalopram bei depressiven Erkrankungen


Prof. Dr. Andreas Reif, Frankfurt/M.

Eine Head-to-Head-Studie bei Patienten bei langjährigen Depressionen ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied für Psilocybin im Vergleich zu Escitalopram. Das Ergebnis legt dennoch die Durchführung größerer Studien nahe.

Nach Jahren der Innovationslosigkeit im Feld der Antidepressiva wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Phase-II- und -III-Studien publiziert, die Substanzen mit vollkommen neuen Wirkprinzipien untersuchten. Im Gefolge von zahlreichen Studien zu Ketamin und davon abgeleiteten Wirkstoffen erleben auch Psychedelika – also z. B. LSD und Psilocybin, deren Wirkprinzip der Agonismus am 5-HT2A-Rezeptor ist – eine Renaissance in der psychiatrischen Pharmakotherapie, oft gekoppelt mit psychotherapeutischen Verfahren. Ganz neu ist dieser Ansatz nicht, wurden doch zahlreiche Studien von allerdings geringer methodischer Qualität in den 50er- und 60er-Jahren durchgeführt (eine faszinierende belletristische Reise in diese Zeit kann man in T. C. Boyles Roman „Das Licht“ unternehmen). Mehr aus politischen denn aus medizinisch-wissenschaftlichen Gründen kam diese Forschung durch ein Verbot der UN im Jahr 1967 zum Erliegen – bis vor Kurzem. Trotz des großen, vor allem medialen Hypes um Psychedelika als Therapieoption bei psychiatrischen Erkrankungen ist die Zahl der hochwertigen Studien sehr überschaubar. Umso erfreulicher ist eine von der Gruppe um Carhart-Harris und Nutt veröffentlichte randomisierte, kontrollierte Studie (RCT), die vor kurzem im New England Journal of Medicine erschien.

Phase-II-Studie

Eingeschlossen in diese zweiarmige Studie waren 59 Patienten, die an einer langanhaltenden mittelgradigen bis schweren Depression litten (mindestens 17 Punkte auf der Hamilton-17-Skala); im Mittelwert betrug der Wert bei Baseline 18 bzw. 19 Punkte, maximal 26 Punkte. Im Schnitt waren die Patienten 22 bzw. 15 Jahre erkrankt (Psilocybin- bzw. Escitalopram-Arm) und hatten vorher im Mittel zwei medikamentöse Behandlungsversuche unternommen. Um eine patientenseitige funktionelle Entblindung zu erschweren, wurde ein interessantes Studiendesign gewählt: Die Verum-Gruppe erhielt 25 mg Psilocybin an Tag 1 bzw. 22 sowie darüber hinaus täglich Placebo-Kapseln. Die Escitalopram-Gruppe erhielt an Tag 1 und 22 hingegen 1 mg Psilocybin; hier wird kein relevanter pharmakologischer Effekt erwartet. Als aktive Studienmedikation wurde in dieser Gruppe täglich 10 bis 20 mg Escitalopram verabreicht. Alle Probanden wurden informiert, dass sie Psilocybin erhalten, um die Erwartungshaltung in beiden Armen gleich zu halten, nicht jedoch, welche Dosis sie erhalten. Flankiert wurde die Behandlung von einer engmaschigen begleitenden Psychotherapie. Es wurde gefordert, sonstige psychiatrische Medikation und Psychotherapie vor Studienbeginn zu beendigen, was jedoch nur bei einem Teil der Patienten erfolgte.

Der primäre Endpunkt war die Reduktion des QIDS-SR-16 Scores (Quick inventory of depressive symptomatology – self-report; 0–27 Punkte) zum Zeitpunkt 6 Wochen. Der Score lag bei Baseline bei 14 bzw. 16 Punkten (maximal bei 23 Punkten). Insofern muss man konstatieren, dass es sich ganz überwiegend um mittelgradige, bei Baseline teilweise sogar leichte Depressionen handelte.

Deutlicher Placebo-Effekt

Wie schlug sich nun also Psilocybin im Vergleich zur Standardtherapie, Escitalopram? Erstaunlicherweise gab es keinen signifikanten Unterschied. Zwar war numerisch die Reduktion im QIDS-SR-16 zu jedem Zeitpunkt größer, und nach sechs Wochen war der Score in der Psilocybin-Gruppe um 8 ± 1 Punkte und in der Escitalopram-Gruppe um 6 ± 1 Punkte gesunken. Dies war jedoch nicht statistisch signifikant (p = 0,17). Die Reduktion des Depressions-Scores zeigte sich bereits einen Tag nach der ersten Gabe, um 6 ± 1 QIDS-SR-16-Punkte in der Psilocybin-Gruppe vs. 3 ± 1 Punkte in der Escitalopram-Gruppe, was eine gute Abschätzung des Placebo-Effekts erlaubt. Sechs Tage nach der ersten Gabe zeigte sich keine große Veränderung der Werte mehr, insbesondere nicht nach der zweiten Gabe am 22. Tag.

Die Remissionsraten waren numerisch in der Psilocybin-Gruppe besser (57 % vs. 28 % im Escitalopram-Arm), ohne dass dies statistische Signifikanz erreichte.

Dieses Muster einer numerischen, nicht jedoch statistisch signifikanten Überlegenheit von Psilocybin zeigte sich für alle untersuchten sekundären Endpunkte. Grund hierfür ist am ehesten die relativ kleine Stichprobengröße. Neben der (wohl finanzierungsbedingten) insuffizienten Stichprobengröße gibt es noch ein weiteres Problem im Studiendesign: Die Rekrutierung erfolgte ganz überwiegend auf Basis einer Selbst-Selektion nach öffentlicher Bewerbung der Studie. Insofern dürfte hier ein gewisser Bias in der untersuchten Patientenpopulation vorliegen.

Der Effekt der raschen Reduktion der Depressions-Werte unmittelbar nach der ersten Gabe bzw. am sechsten Tag in beiden Armen ist erstaunlich, handelt es sich doch um langjährig erkrankte Patienten. Dies zeigt erneut die recht hohe Erwartungshaltung und somit den hohen Placebo-Effekt bei Substanzen, die große mediale Aufmerksamkeit erhalten – insbesondere Psychedelika, aber auch NMDA-Antagonisten oder Cannabinoide – und unterstreicht, dass auch in RCT das „Framing“ eine große Rolle spielt.

Weitere Studien gerechtfertigt

Zusammengefasst sollte man wegen der kleinen Stichprobengröße nicht von einer negativen, sondern eher von einer gescheiterten Studie sprechen. Die sekundären Endpunkte sind jedoch vielversprechend genug, um die Substanz weiter zu verfolgen. Erfreulicherweise war die Sicherheit von Psilocybin hervorragend: Außer Kopfschmerzen, die immerhin 67 % der Probanden in der Psilocybin-Gruppe beklagten, waren alle anderen Nebenwirkungen in der Escitalopram-Gruppe numerisch häufiger. Ersthafte unerwünschte Effekte traten in keiner der beiden Gruppen auf. Da Psilocybin also, bei besserer Verträglichkeit, Escitalopram zumindest nicht unterlegen ist, sind auf jeden Fall multizentrische RCT mit größeren Stichproben und nach objektiver klinischer Selektion gerechtfertigt. Die vorgelegten Daten, so spannend sie auch sind, eignen sich jedoch noch nicht, um eine überlegene Wirksamkeit von Psilocybin bei depressiven Erkrankungen zu belegen.

Quelle

Carhart-Harris R, et al. Trial of psilocybin versus escitalopram for depression; N Engl J Med 2021;384:1402–11.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(04):172-183