Erster direkter Vergleich

Amisulprid besser antipsychotisch wirksam als Aripiprazol und Olanzapin


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

In einem direkten, Beurteiler-verblindeten, randomisierten Vergleich (mit Abwahloptionen – „semi-randomisiert“) erwies sich Amisulprid als signifikant stärker antipsychotisch wirksam als die Vergleichssubstanzen Aripiprazol und Olanzapin. Bei den Nebenwirkungen ergaben sich keine nennenswerten Unterschiede; Anstiege bei Gewicht, Lipiden und Prolactin traten unter den drei Antipsychotika mit einer vergleichbaren Häufigkeit auf.

Bei der Wahl eines geeigneten Antipsychotikums werden Wirksamkeit und zu erwartende Nebenwirkungen gegeneinander abgewogen. Bisher konnten die verfügbaren Zweitgenerationsantipsychotika allerdings im Wesentlichen nur anhand von Metaanalysen bzw. Netzwerk-Metaanalysen verglichen werden. In diesen indirekten Vergleichen kristallisierten sich Amisulprid, Aripiprazol und Olanzapin als Mittel der ersten Wahl in der Behandlung von Symptomen des schizophrenen Formenkreises heraus: Amisulprid und Olanzapin aufgrund ihrer starken Wirkpotenz, Aripiprazol bei einer etwas schwächeren Effektivität vor allem aufgrund seiner besseren Verträglichkeit in Bezug auf Gewichtszunahme und metabolische Nebenwirkungen.

Doch sollte bei den bisherigen indirekten, metaanalytischen Vergleichen bedacht werden, dass die Populationen und Methodik der einbezogenen Placebo-kontrollierten Studien der jeweiligen Einzelsubstanzen nicht zwangsläufig gut vergleichbar sind und die Placebo-Wirkungen zwischen den Studien variieren und über die Dekaden zunehmen. In einer ersten pragmatischen und kontrollierten Studie wurden nun Wirksamkeit und Verträglichkeit von Amisulprid, Aripiprazol und Olanzapin in der Langzeit-Schizophrenie-Therapie verglichen.

Methodik

Die pragmatische, Auswerter-verblindete, semirandomisierte Studie wurde an zehn psychiatrischen Fachzentren in Norwegen und einem Zentrum in Österreich durchgeführt. Einbezogen waren erwachsene Patienten mit symptomatischen Störungen aus dem Schizophrenie-Spektrum (ICD-10, F20–29), die, für Patienten und Therapeuten unverblindet, Amisulprid, Aripiprazol oder Olanzapin über 52 Wochen erhalten sollten. Eine Randomisierung erfolgte, indem den Behandlern eine zufällige Reihenfolge der Arzneistoffe vorgelegt wurde; hiervon empfahlen sie dem Patienten zunächst die erstgenannte Substanz. Wenn frühere Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit gegen diese Substanz sprachen, wurde die zweitgenannte vorgeschlagen. Letzten Endes konnten also zwei der Behandlungsoptionen abgewählt werden („semi-randomisiertes Design“).

Während der 52-wöchigen Studiendauer wurden die Patienten insgesamt achtmal verblindet durch Studienmitarbeiter untersucht. Primäres Studienziel war der Rückgang des Scores in der PANSS-Skala (Positive and negative syndrome scale) in der Intention-to-treat-Population.

Ergebnisse

Einbezogen in die Studie waren 144 Patienten mit einem durchschnittlichen PANSS-Gesamtscore von 78,4 (Standardabweichung [SD] 1,4). Die Tagesdosis der Studienmedikation betrug im Durchschnitt 396,9 mg Amisulprid, 14,6 mg Aripiprazol bzw. 12,3 mg Olanzapin. Nach 52 Wochen zeigten die 44 mit Amisulprid behandelten Patienten einen Rückgang des PANSS-Gesamtscores um 32,7 Punkte (SD 3,1) verglichen mit einem durchschnittlichen Rückgang um 21,9 (SD 3,9) Punkte bei den 48 mit Aripiprazol behandelten Patienten und einem Rückgang um 23,3 (SD 2,9) Punkte bei den 52 mit Olanzapin behandelten Patienten. Die Differenz war mit p = 0,027 (Aripiprazol) und p = 0,025 (Olanzapin) jeweils statistisch signifikant.

Eine Zunahme von Körpergewicht, Serumlipiden und Prolactin trat in allen Gruppen auf. Insgesamt 26 schwere Nebenwirkungen wurden bei 20 Patienten registriert, nämlich bei vier (9 %) in der Amisulprid-Gruppe, zehn (21 %) in der Aripiprazol-Gruppe und sechs (12 %) in der Olanzapin-Gruppe, der Unterschied zwischen den Gruppen war statistisch nicht signifikant. 65 % der 26 schweren Nebenwirkungen traten während der aktuellen Einnahme der Studienmedikation auf und führten meist zu teilweise längerdauernden Krankenhausaufenthalten. 41 % (n = 59) der Patienten nahmen die Studienmedikation bis zum Ende der Studie ein.

Diskussion

In diesem ersten direkten Wirksamkeitsvergleich im Rahmen einer randomisierten 52-Wochen-Studie mit Patienten mit akuten Symptomen des Schizophrenie-Formenkreises zeigte Amisulprid eine signifikant stärkere Wirksamkeit in Bezug auf die Reduktion des PANSS-Gesamtscores als Olanzapin und Aripiprazol. Die Symptomreduktion war in dieser pragmatischen Studie insgesamt größer als in doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien, wie bei vielen unverblindeten Studien, und dürfte die antipsychotische Wirkung in der alltäglichen Praxis besser widerspiegeln. Angesichts der unverblindeten Behandlung mag die Rate der Studienabbrecher (> 50 %) erstaunen. Alle drei untersuchten Antipsychotika führten zu Gewichtszunahme und einem Anstieg von Lipiden und Prolactin. Eine deutlich bessere Verträglichkeit von Aripiprazol, wie in früheren Studien gesehen, war in dieser Studie nicht erkennbar. Insbesondere das Fehlen signifikanter Unterschiede bei metabolischen Nebenwirkungen könnte mit der unverblindeten Behandlung und individualisierter Dosierung zusammenhängen.

Insgesamt zeigt dieser erste Head-to-Head-Vergleich dreier wichtiger Antipsychotika unter naturalistischen Bedingungen, dass durchaus größere Unterschiede bei der Wirksamkeit zwischen den einzelnen Medikamenten existieren, diskutieren die Autoren. Weitere pragmatisch designte Studien sollten folgen, um die Antipsychotika noch besser als bisher unter den Bedingungen des Praxisalltags direkt vergleichen zu können.

Quelle

Johnsen E, et al. Amisulpride, aripiprazole, and olanzapine in patients with schizophrenia-spectrum disorders (BeStInTro): a pragmatic, rater-blind, semi-randomised trial. Lancet Psychiatry 2020;7:945–54.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(01):40-49