Etablierter Status epilepticus

Therapieerfolg von Levetiracetam, Fosphenytoin und Valproinsäure in drei Altersgruppen


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten Studie (ESETT) bei Patienten mit etabliertem Status epilepticus nach Gabe von Benzodiazepinen waren Levetiracetam, Fosphenytoin und Valproinsäure über die Altersgruppen unter 18 Jahre, 18 bis 65 Jahre und über 65 Jahre gleich gut wirksam.

Der Status epilepticus ist definiert als ein Grand-Mal-Anfall von mehr als fünf Minuten Dauer oder Anfallsäquivalente, die sich wiederholen und bei denen zwischendurch das Bewusstsein nicht mehr erlangt wird. Der Status epilepticus ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung und kann unbehandelt bei bis 10 % der Betroffenen zum Tode oder zu schwerwiegenden zerebralen Schäden führen. Die Therapie erfolgt primär durch Benzodiazepine. Diese sind allerdings bei bis zu 10 % der Patienten nicht ausreichend wirksam. Hier besteht dann die Notwendigkeit einer parenteralen Therapie mit anderen Antikonvulsiva.

Die ESETT-Studie (Established status epilepticus treatment trial) war eine doppelblinde, randomisierte und kontrollierte Studie, in der bei Patienten mit Status epilepticus, der refraktär auf Benzodiazepine war, Levetiracetam, Fosphenytoin und Valproinsäure untersucht wurden [1] (Kasten). Fosphenytoin ist ein in den USA gebräuchliches Prodrug von Phenytoin. In der vorliegenden Publikation wurden die Ergebnisse in unterschiedlichen Altersgruppen analysiert.

Es stand in der PPT

Epilepsie. Behandlung des etablierten Status epilepticus. Psychopharmakotherapie 2020;27(2):88–9.

Studiendesign

Die ESETT-Studie war eine multizentrische, randomisierte und doppelblinde Studie, die in Notfallaufnahmen von Krankenhäusern durchgeführt wurde. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von über zwei Jahren, die wegen eines Status epilepticus, der länger als fünf Minuten anhielt, mit einer adäquaten Dosis eines Benzodiazepins behandelt worden waren und innerhalb der nächsten 30 Minuten weiterhin Anfälle oder Anfallsäquivalente zeigten. Die Patienten wurden dann zu der parenteralen Gabe von Levetiracetam, Fosphenytoin oder Valproinsäure randomisiert. Die Dosis von Levetiracetam betrug 60 mg/kg, für Fosphenytoin 20 mg/kg und für Valproinsäure 40 mg/kg. Die Infusion erfolgte über zehn Minuten. Der primäre Endpunkt der Studie war das Sistieren der epileptischen Anfälle mit Wiedererlangung des Bewusstseins für eine Stunde nach Gabe der Studienmedikation ohne weitere antikonvulsive Therapie. Die Patienten wurden in drei Altersgruppen stratifiziert: < 18 Jahre, 18 bis 65 Jahre und > 65 Jahre.

Ergebnisse

Zwischen November 2015 und Dezember 2018 wurden 462 Patienten (478 Behandlungsfälle) eingeschlossen. Darunter befanden sich 225 Kinder, 186 Erwachsene und 51 Erwachsene im Alter über 65 Jahren. 38 % der Patienten erhielten Levetiracetam, 31 % Fosphenytoin und 31 % Valproinsäure.

Den primären Endpunkt erreichten

  • bei Levetiracetam
  • 52 % der Kinder,
  • 44 % der Erwachsenen und
  • 37 % der älteren Patienten;
  • bei Fosphenytoin
  • 49 % der Kinder,
  • 46 % der Erwachsenen und
  • 35 % der älteren Menschen;
  • bei Valproinsäure
  • 52 % der Kinder,
  • 46 % Erwachsenen und
  • 47 % der älteren Patienten.

Insgesamt ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit oder den unerwünschten Arzneimittelwirkungen zwischen den einzelnen Arzneistoffen und über die Altersgruppen hinweg.

Kommentar

Die ESETT-Studie ist eine sehr wichtige Studie mit hoher Bedeutung für den klinischen Alltag. Die primäre Publikation hatte gezeigt, dass es keine therapeutischen Unterschiede zwischen Levetiracetam, Fosphenytoin und Valproinsäure gibt [1]. Für deutsche Verhältnisse ist allerdings anzumerken, dass Fosphenytoin nicht erhältlich ist und in deutschen Notfallaufnahmen Phenytoin verwendet wird. Die vorliegende Subgruppenanalyse zeigt, dass die drei parenteral applizierten Antikonvulsiva in allen drei Altersgruppen gleich gut wirksam sind. Für die praktische Anwendung hat Levetiracetam den Vorteil, die wenigsten Interaktionen mit anderen Arzneistoffen aufzuweisen. Phenytoin darf nicht paravenös gegeben werden, da ansonsten schwerwiegende Hautnekrosen drohen. Valproinsäure darf bei Frauen im gebärfähigen Alter nicht eingesetzt werden, da es teratogene Eigenschaften hat.

Quelle

Chamberlain JM, et al. Efficacy of levetiracetam, fosphenytoin, and valproate for established status epilepticus by age group (ESETT): a double-blind, responsive-adaptive, randomised controlled trial. Lancet 2020;395:1217–24.

Literatur

1. Kapur J, et al. Randomized trial of three anticonvulsant medications for status epilepticus. N Engl J Med 2019;381:2103–13.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(04):216-221