Antipsychotika

Partielle Dopamin-D2-Rezeptoragonisten in der Schizophrenietherapie


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Zur Behandlung von Patienten mit Schizophrenie steht ein breites Spektrum an Antipsychotika der ersten und zweiten Generation zur Verfügung, die eine effektive Symptomkontrolle und Rezidivprophylaxe ermöglichen. Dennoch besteht auch weiterhin ein hoher medizinischer Bedarf an neuen und besser verträglichen Wirkstoffen, die eine stärker individualisierte und auf die persönlichen Bedürfnisse der Patienten ausgerichtete Behandlung ermöglichen. Ein vielversprechender Kandidat mit einem komplexen pharmakodynamischen Profil ist Brexpiprazol.

Die Ziele bei der Behandlung von Patienten mit Schizophrenie gehen heute über die Symptomkontrolle und Vermeidung von psychotischen Rückfällen hinaus. Im Rahmen einer individualisierten und personalisierten Therapie sind der Erhalt oder die Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus, des subjektiven Wohlbefindens und der Lebensqualität weiter in den Fokus gerückt [3]. Aktuelle Erhebungen deuten darauf hin, dass aus der Sicht vieler Patienten – neben der Reduktion der Symptomatik und erneuter Krankenhauseinweisungen – funktionsbezogene Aspekte die wichtigsten Therapieziele sind, wie der Erhalt der Selbstständigkeit, familiäre und soziale Beziehungen, Interesse an Hobbys und Beruf, die Fähigkeit wieder klar denken zu können und Emotionen zu erleben [1]. Eine aktuelle Online-Befragung von Schizophrenie-Patienten, die mit Antipsychotika der zweiten Generation behandelt wurden, hat ergeben, dass sich die meisten von ihnen durch die Nebenwirkungen der Medikamente in ihren Alltagsfunktionen beeinträchtigt fühlen. Sedierende Nebenwirkungen wurden von bis zu 80 % der Befragten berichtet und waren damit noch häufiger als Gewichtszunahme, Unruhe und Schlaflosigkeit mit jeweils etwa 60 % [6]. Daher besteht noch ein hoher Bedarf an neuen Therapieoptionen mit einem pharmakologischen Profil, das Symptomkontrolle ermöglicht, ohne gleichzeitig die Funktionalität und die Lebensqualität der Patienten durch Nebenwirkungen zu beeinträchtigen.

Weniger D2-Blockade, bessere Verträglichkeit

Dass Antipsychotika neben einer Symptomreduktion auch die aus Patientensicht relevanten funktionellen Beeinträchtigungen verbessern können, zeigen die Daten der prospektiven, randomisierten QUALIFY-Studie zum Vergleich von Aripiprazol in einmal monatlich zu injizierender Depot-Formulierung und Paliperidonpalmitat (jeweils einmal monatlich): In der Subgruppe der jüngeren Patienten ( 35 Jahre), nicht aber bei den > 35-Jährigen, zeigte sich in Bezug auf die mit der Heinrichs-Carpenter-Quality-of-Life-Skala (QLS) erfassten Lebensqualität eine signifikante Überlegenheit von Aripiprazol [5].

Grundlage für das günstige Wirkprofil von Aripiprazol ist vermutlich das besondere Rezeptorbindungsprofil. Aripiprazol ist das erste Antipsychotikum, das als partieller Agonist an Dopamin-D2- und an Serotonin-5-HT1A-Rezeptoren sowie als 5-HT2A-Antagonist wirkt. D2-Partialagonisten wie Aripiprazol oder Brexpiprazol modulieren die dopaminerge Aktivität im Gehirn, ohne sie vollständig zu blockieren – ein wesentlicher Unterschied gegenüber vollen D2-Rezeptorantagonisten, der zur insgesamt besseren Verträglichkeit beiträgt. Die Blockade der D2-Rezeptoren in den Basalganglien und der Hypophyse erklärt die typischen Nebenwirkungen von Antipsychotika wie extrapyramidal-motorische Symptome (EPS) und Prolactin-Anstieg.

Brexpiprazol ist ein neuer Wirkstoff mit einer im Vergleich zu Aripiprazol geringeren intrinsischen Aktivität am D2-Rezeptor, einer stärkeren partialagonistischen Wirkung am 5-HT1A-Rezeptor und einer ebenfalls stärkeren antagonistischen Wirkung am 5-HT2A-Rezeptor [4]. In einer Langzeitstudie über 52 Wochen reduzierte Brexpiprazol (1–4 mg/Tag) die Rückfallrate über 52 Wochen um 71 % gegenüber Placebo (Hazard-Ratio 0,292; 95%-Konfidenzintervall 0,16–0,55; p < 0,0001) [2]. Die antipsychotische Wirksamkeit ging mit einer ebenfalls signifikanten Verbesserung der Funktionsfähigkeit (erfasst mit der GAF-Skala [Global assessment of functioning]) und einer mit Placebo vergleichbaren Nebenwirkungsrate einher [2]. In den USA ist Brexpiprazol unter dem Handelsnamen Rexulti® seit Juli 2015 zur Behandlung von Schizophrenie und als Zusatztherapie von Depressionen zugelassen.

Quelle

Prof. Dr. Christoph Correll, Berlin, Prof. Dr. Diane McIntosh, Vancouver/Kanada, Prof. Dr. Rajiv Tandon, Gainsville/USA, Prof. Dr. David Taylor, London/UK, Satellitensymposium „Dopamine D2 partial agonists in the treatment of schizophrenia – finding the right balance“, veranstaltet von Otsuka Pharma und Lundbeck im Rahmen des 31. ECNP-Kongress, Barcelona, Spanien, 8. Oktober 2018.

Literatur

1. Bridges JF, et al. Quantifying the treatment goals of people recently diagnosed with schizophrenia using best-worst scaling. Patient Prefer Adherence 2018;12:63–70.

2. Fleischhacker WW, et al. Efficacy and safety of brexpiprazole (OPC-34712) as maintenance treatment in adults with schizophrenia: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. Int J Neuropsychopharmacol 2017;20:11–21.

3. Hassan A, et al. World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) guidelines for biological treatment of schizophrenia, part 2: update 2012 on the long-term treatment of schizophrenia and management of antipsychotic-induced side effects. World J Biol Psychiatry 2013;14:2–44.

4. Maeda K, et al. Brexpiprazole I: in vitro and in vivo characterization of a novel serotonin-dopamine activity modulator. J Pharmacol Exp Ther 2014;350:589–604.

5. Naber D, et al. Qualify: a randomized head-to-head study of aripiprazole once-monthly and paliperidone palmitate in the treatment of schizophrenia. Schizophr Res 2015;168:498–504.

6. Tandon R, et al. Impact of side effects due to second-generation antipsychotics on the functioning of patients with schizophrenia: an observational patient centered web survey. 6th Biennal SIRS Conference 2018; Poster F.56.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(06):317-322