Parkinson-Erkrankung

Lebensqualität als multifaktorielles Konstrukt


Dr. Alexander Kretzschmar, München

Die Lebensqualität als Therapieziel bei Patienten mit M. Parkinson gerät bei der Therapie motorischer Fluktuationen und Dyskinesien nicht selten in den Hintergrund. Allerdings ist Lebensqualität ein kompliziertes Konstrukt, bei dem sich die Gewichtung der verschiedenen Einflussfaktoren im Krankheitsverlauf ändert. Im Verlauf des M. Parkinson rücken neben den motorischen Symptomen zunehmend Schmerzen und affektive Symptome in den Vordergrund. Die Pharmakotherapie muss daher an verschiedenen neurobiologischen Signalwegen ansetzen, um den Outcome auch bei wichtigen patientenrelevanten Endpunkten zu verbessern, so der Tenor bei einem Satellitensymposium der Firma Zambon im Rahmen der europäischen Neurologenkongresses.

Die erste wichtige therapeutische Herausforderung nach der Parkinson-Diagnose ist das Auftreten motorischer Fluktuationen und Dyskinesien. Doch schon früh geben die Patienten auch beeinträchtigende nichtmotorische Symptome an; in den ersten sechs Krankheitsjahren stehen hier Schmerzen im Vordergrund, später nehmen auch depressive Symptome deutlich zu [4]. Im mittleren bis späten Stadium werden damit Beeinträchtigungen der Alltagsfunktion sowie nichtmotorische Beschwerden, Depressionen, Apathie, Schmerzen und Fatigue die wichtigsten Prädiktoren für die gesundheitsbezogene Lebensqualität [5]. Die Behandlung der motorischen Komplikationen und Symptome reicht demnach für einen Erhalt der Lebensqualität nicht aus.

Oft unterschätzt wird die Bedeutung der sozialen Unterstützung als Faktor für die Entwicklung der Lebensqualität. Die Qualität der Behandlung des M. Parkinson beeinflusst auch die Gesundheit und die Lebensqualität der Familienangehörigen. Sie übernehmen oft einen Großteil der Betreuung. Wenn die Angehörigen mit der Betreuung überlastet sind, dann steigt beim Patienten das Risiko einer Depression signifikant.

Dopaminerge Stellschraube reicht nicht

Schmerzen treten bei Parkinson-Patienten als nozizeptive Schmerzen des Bewegungsapparats, der Eingeweide und der Haut und/oder als neuropathische Schmerzen (radikulärer und zentraler Schmerz) auf [6]. Es empfiehlt sich, gezielt nach Schmerzen zu fragen, weil sie von den Patienten oft nicht mit der Parkinson-Erkrankung in Verbindung gebracht werden.

Depressive Verstimmungen sowie vor allem neuropathische Schmerzen sind auch mit einer Dysregulation der glutamatergen Neurotransmission assoziiert. Mit Safinamid (Xadago®) ist inzwischen eine Therapieoption verfügbar, die als Zusatztherapie zu Levodopa die gestörte Balance zwischen verringertem dopaminergem Tonus und gesteigerter Glutamat-Freisetzung wieder herstellt. Einerseits sorgt der Wirkstoff als MAO-Inhibitor der dritten Generation für eine selektive und reversible Hemmung der Monoaminoxidase B (MAO-B) und verlängert somit die dopaminerge Wirkung. Darüber hinaus hemmt Safinamid durch eine Blockade der spannungsabhängigen Natrium- und Calcium-Kanäle die Freisetzung von Glutamat an der präsynaptischen Nervenendigung (siehe Kasten) [3].


Safinamid und Glutamat

Für Safinamid wird neben seiner dopaminergen Wirkung auch die Regulierung der Glutamat-Freisetzung postuliert. Der Verlust dopaminerger Neuronen führt zu einem relativen Überschuss an Glutamat. Die Ausschüttung von Glutamat ist calcium- und natriumabhängig. Durch eine Inhibition der spannungsabhängigen Natrium-Kanäle verringert Safinamid den Natrium- und Calcium-Einstrom und hemmt dadurch die Glutamat-Freisetzung.

Kontrolle nichtmotorischer und motorischer Symptome

Studiendaten zeigen für Safinamid eine ausgewogene Kontrolle nichtmotorischer und motorischer Symptome bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren. Dabei wurde die nach 24 Wochen unter Safinamid 50 bzw. 100 mg gegenüber Placebo erzielte Verlängerung der On-Zeit ohne Wirkverlust bis zum Studienende nach 24 Monaten beibehalten (p < 0,001 bzw. p < 0,01; jeweils versus Placebo) [1]. Die Behandlung mit Safinamid führte nach 24 Wochen zu einer signifikanten Verbesserung auf der CGI-C-Skala (Clinical global impression – change) und erhöhte die gesundheitsbezogene Lebensqualität im EQ-5D-Fragebogen signifikant (p < 0,001 versus Placebo) [2].

Die Wirksamkeit von Safinamid in Bezug auf die Verbesserung nichtmotorischer Symptome sowie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität soll in einer multizentrischen, europaweiten Studie untersucht werden.

Quelle

Prof. Angelo Antonioni, Padua, Prof. Javier Pagonbarraga Mora, Barcelona, Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden, Satellitensymposium „What’s new in the management of quality of life in Parkinson’s disease?“, veranstaltet von Zambon im Rahmen der 3. Jahrestagung der European Academy of Neurology (EAN), Lissabon, 16. Juni 2018.

Literatur

1. Borgohain R, et al. Mov Disord 2014;29: 1273–80.

2. Cattaneo C, et al. EAN 2018; Poster EP01069.

3. Müller T, Foley P. Clin Pharmacokinet 2017; 56:251–61.

4. Politis, et al. Mov Disord 2010;25:1646–51.

5. Skovranek M, et al. Parkinsonism Relat Disord 2018;52:83–9.

6. Wasner G, Deuschl G. Nat Rev Neurol 2012; 8:284–94.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(06):317-322