Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Der Einfluss von Ernährung und Speisenzubereitung auf psychiatrische Erkrankungen ist bisher nur spärlich untersucht. Zwar gibt es Studien zur unterstützenden Gabe von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln sowie Beobachtungsstudien zur Prävention von Depressionen und zur Beeinflussung von depressiver oder ängstlicher Stimmungslage durch „gesunde Ernährung“. Studien zur Dokumentation von Kausalzusammenhängen bei diagnostizierten psychischen Erkrankungen fehlen dagegen. Im Rahmen der SMILES(Supporting the modification of lifestyle in lowered emotional states)-Studie wurde ein erster Versuch gemacht, den Effekt einer strukturierten und nach ernährungsphysiologischen Erkenntnissen optimierten Ernährung auf die Symptomatik von psychisch Erkrankten am Beispiel von Depressionen kontrolliert und prospektiv zu untersuchen.
Methodik
Einbezogen in die einfach verblindete, randomisierte und kontrollierte Studie waren 67 Patienten mit einer mäßigen bis schweren Depression, deren Ernährungssituation als „schlecht“ eingestuft wurde. Das bedeutete vor allem eine zu geringe Aufnahme von Obst/Gemüse, Ballaststoffen und leicht verdaulichen Proteinen. Neben der erforderlichen medikamentösen oder/und psychotherapeutischen Behandlung erhielten die Patienten des Interventionsarms sieben Ernährungsberatungssitzungen, in denen über eine gesunde, an der mediterranen Küche orientierte Ernährung aufgeklärt wurde. Die Patienten der Kontrollgruppe erhielten in ebenfalls sieben Sitzungen soziale Unterstützung in Form von Gesprächen oder Karten- und Brettspielen. Primärer Endpunkt war die Veränderung der Depressionssymptome in der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) zu Studienende nach zwölf Wochen.
Ergebnisse
Von 31 Patienten (93,9%) der Ernährungsumstellungsgruppe und von 25 Patienten (73,5%) der Kontrollgruppe mit sozialer Unterstützung lagen die kompletten Daten über die gesamten zwölf Wochen vor. Dieser Unterschied in der Abschlussquote kann aber als zufällig betrachtet werden, wie eine Sensitivitätsanalyse ergab. Bei den Patienten des Interventionsarms hatte sich im Laufe der drei Monate der MADRS-Wert signifikant stärker gebessert als in der Kontrollgruppe (t60,7=4,38; p<0,001; Cohen’s d=1,16). Eine Remission, definiert als ein MADRS-Wert von weniger als 10, erreichten 32,3% (n=10) der Patienten aus der Ernährungsgruppe und 8% (n=2) der sozial unterstützten Patienten (Chi-Quadrat(1)=4,84; p=0,028). Die Number needed to treat (NNT) auf Basis der Remissions-Scores betrug 4,1 (95%-Konfidenzintervall 2,3–27,8).
Diskussion und Fazit der Autoren
Die Umstellung der Ernährung auf Mahlzeiten mit viel Gemüse und Obst, hohem Ballaststoffanteil und wenig raffinierten und prozessierten Lebensmitteln kann die Symptomatik von Patienten mit einer mäßigen bis schweren depressiven Episode möglicherweise verbessern, schlussfolgern die Autoren aus ihrer kontrollierten und prospektiven Pilotstudie. Die Ergebnisse waren robust und unabhängig von möglichen Einflussfaktoren wie Body-Mass-Index, Selbstwirksamkeit, Raucherstatus und körperlicher Aktivität. Auch eine Gewichtsveränderung hatte keinen Einfluss auf den Outcome. Das bestätigt die bekannte Tatsache, dass eine Verbesserung des Wohlbefindens durch eine „gesündere“ Ernährung unabhängig von möglichen körperlichen Veränderungen ist, schreiben die Wissenschaftler.
Über die biochemischen Zusammenhänge zwischen der Ernährungsumstellung und der verbesserten Depressionssymptomatik kann bisher nur spekuliert werden. Infrage kommen antiinflammatorische und antioxidative Effekte, Verbesserungen bei der Neuroplastizität oder eine Veränderung der intestinalen Mikroflora. Wahrscheinlich tragen aber auch die Verhaltensänderungen beim Einkaufen, Kochen und Essen zu einer positiveren Sichtweise und Lebenseinstellung der Patienten bei. Spannend ist nun die Frage, ob eine Ernährungsumstellung die Symptome auch bei anderen psychischen Erkrankungen verbessert.
Quelle
Jacka FN, et al. A randomised controlled trial of dietary improvement for adult with major depression (the ‚SMILES’ trial). BMC Medicine 2017; Epub ahead of print.
Psychopharmakotherapie 2017; 24(03)