Palliativ-Patienten

Antipsychotika verschlechtern die Symptome eines Delirs


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Palliativmedizinisch betreute Delirium-Patienten sollten keine Antipsychotika erhalten, so das Ergebnis einer kontrollierten Studie. Im Vergleich zu Placebo verschlechterten Haloperidol und Risperidon die Symptome und erhöhten die Rate extrapyramidaler Störungen. Unter Haloperidol verkürzte sich im Vergleich zu Placebo auch die Überlebenszeit.

Symptome von psychischem Stress bei Delirium-Patienten werden häufig mit Antipsychotika behandelt. Randomisierte Studien unterstützen dieses Vorgehen – allerdings auf methodisch nicht besonders hohem Niveau. Klinische Leitlinien empfehlen Antipsychotika lediglich für die Behandlung von starkem Distress und Verhaltensstörungen, die auf andere Maßnahmen nicht ansprechen. Eine große Placebo-kontrollierte Studie sollte nun die Stress-reduzierenden Effekte von Risperidon und Haloperidol bei Delirium-Patienten in der Palliativ-Situation untersuchen [1].

Studiendesign

Einbezogen in die Doppelblindstudie waren 247 Palliativ-Patienten mit einem Durchschnittsalter von 74,9 Jahren (SD 9,8), die in elf australischen Krankenhäusern oder Hospizen stationär behandelt wurden. Zusätzlich zu einer supportiven Standardpflege erhielten sie in alters- und symptomangepasster Dosis entweder Risperidon, Haloperidol oder Placebo (Dosierung: initial 1,0 mg, dann 0,5 mg alle 12 Stunden, bei Bedarf schrittweise Anpassung auf max. 4 mg/Tag; bei Patienten >65 Jahre jeweils die Hälfte). Die orale Medikation erfolgte für bis zu 72 Stunden. Als primäres Zielkriterium diente die durchschnittliche Gruppendifferenz des Delirium-Symptomscores, berechnet als Summe der Verhaltens-, Kommunikations- und Wahrnehmungs-Items der Nursing Delirium Screening Scale (siehe Kasten), zu Studienbeginn und an Tag 3. Der Symptomscore betrug bei allen Patienten mindestens 1 und war in allen drei Gruppen zu Behandlungsbeginn statistisch vergleichbar.

Nursing Delirium Screening Scale

Einfacher Fragebogen zum Screening auf ein Delir. In der Vollversion werden die Symptome Desorientierung, unangemessenes Verhalten, unangemessene Kommunikation, Illusionen/Halluzinationen und psychomotorische Retardierung je nach Intensität mit 0 bis 2 Punkten bewertet. Ein Ergebnis von mindestens 2 Punkten spricht für ein Delir.

Für die vorliegende Studie wurden nur die Symptome unangemessenes Verhalten, unangemessene Kommunikation und Illusionen/Halluzinationen herangezogen, es konnten also maximal 6 Punkte erzielt werden. Ein Wert von mindestens 1 Punkt zog eine Dosisanpassung nach sich.

Ergebnisse

Die Mehrzahl der Patienten (88,3%) hatte Krebs. In der Intention-to-treat-Analyse ergab sich für die Patienten im Risperidon-Arm am Studienende ein signifikant höherer Delirium-Symptomscore als für die Patienten des Placebo-Arms (durchschnittlich 0,48 Einheiten höher; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,09–0,86; p=0,02). Auch die Haloperidol-Gruppe schnitt am Studienende schlechter als die Placebo-Gruppe ab (durchschnittlich 0,24 Einheiten höher; 95%-KI 0,06–0,42; p=0,009). Der zusätzliche Midazolam-Verbrauch war in allen Gruppen vergleichbar. Im Vergleich zu Placebo traten unter den beiden Antipsychotika signifikant mehr extrapyramidale Nebenwirkungen auf. Die Überlebenszeit unter Haloperidol war im Vergleich zu Placebo signifikant geringer.

Diskussion

Bei Palliativ-Patienten mit deliriums-bedingtem psychischem Distress verschlechterten Risperidon und Haloperidol im Vergleich zu Placebo die Symptome und erhöhten die Rate extrapyramidaler Störungen. Haloperidol verkürzte darüber hinaus die Überlebenszeiten der durchschnittlich 75 Jahre alten Patienten.

Delirium-Patienten im palliativmedizinischen Setting sollten daher nicht mit Antipsychotika, sondern mit alternativen Maßnahmen behandelt werden, fordern die Studienautoren. Die Realität wird aber vermutlich anders aussehen, bemerken die Kommentatoren [2]. Denn nichtmedikamentöse Therapieoptionen sind zeitaufwendig und werden von den Kostenträgern nicht angemessen vergütet. Das hat sich schon bei der Behandlung psychischer Auffälligkeiten von Demenz-Patienten gezeigt. So hatten Studien einen lebensverkürzenden Effekt von atypischen Antipsychotika bei Demenz-Patienten gezeigt. Nach entsprechenden Warnungen sanken dann zwar tatsächlich die Verordnungszahlen von Atypika, wurden aber vermutlich durch klassische Antipsychotika oder Sedativa mit noch geringerer Evidenz in dieser Indikation kompensiert [2]. Medikamentöse Alternativen müssen erprobt und Ärzte für den Umgang mit Delirium-Symptomen besser trainiert werden, fordern die Kommentatoren.

Quellen

1. Agar MR, et al. Efficacy of oral risperidone, haloperidol, or placebo for symptoms of delirium among patients in palliative care. A randomized clinical trial. JAMA Intern Med 2016; Epub ahead of print (Dec 5, 2016).

2. Maust TM, Kales HC. Medicating distress. JAMA Intern Med 2016; Epub ahead of print (Dec 5, 2016).

Psychopharmakotherapie 2017; 24(01)