Erfreuliche neue Therapieaspekte in der Neurologie


Heinz Reichmann, Dresden

Ich freue mich, Ihnen erneut auch im Namen der Mitherausgeber eine interessante Ausgabe der Psychopharmakotherapie einleitend vorstellen zu dürfen. Wir haben in diesem Heft einen Schwerpunkt auf die Neurologie gelegt, ohne interessante Informationen zu den psychiatrischen Fächern zu vernachlässigen.

Nach 10 Jahren gibt es in der Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms eine Neuzulassung in Deutschland. Es handelt sich erstmals um ein Arzneimittel mit einem dualen Wirkungsmechanismus, nämlich auf das dopaminerge und glutamaterge System. Das neue Arzneimittel, Safinamid, könnte als Add-on-Therapie für mit Levodopa behandelte Patienten seinen Weg machen, wenn es die in den internationalen Studien nachgewiesenen Verbesserungen der Motorik und Dyskinesie auch im neurologischen Alltag zeigt.

Im Bereich der Hirntumoren hat sich insbesondere die Behandlung der ZNS-Lymphome maßgeblich verbessert, wozu unser Autor, Prof. Schlegel aus Bochum, wesentliche Beiträge geleistet hat. Während früher die Diagnose eines primären ZNS-Lymphoms nahezu ein Todesurteil war, gibt es nunmehr effektive Therapien, die eine wesentliche Verlängerung der Überlebenszeit erlauben. Dazu gehören hochdosiertes Methotrexat intravenös, Cytosinarabinosid, Ifosfamid oder die Gabe von Anti-CD20-Antikörpern. In dem Artikel gehen Prof. Schlegel und Frau Dr. Korfel zusätzlich auf neue Therapieformen wie mTOR-Inhibitoren, Immunmodulatoren, selektive Inhibitoren des B-Zell-Rezeptors und Substanzen, die das Tumormikroenvironment beeinflussen, ein. In dieser umfassenden Art ist die Therapie der ZNS-Lymphome bisher kaum auf Deutsch nachzulesen gewesen.

Eine weitere sehr wichtige Arbeit von Kieseier und Kollegen beschäftigt sich mit der Behandlung chronischer Immunneuropathien mit subkutan applizierten Immunglobulinen. Es gibt überzeugende Arbeiten zur subkutanen Applikation von Immunglobulinen zur Therapie der chronisch-inflammatorischen, demyelinisierenden Polyneuropathie und der multifokalen motorischen Neuropathie. Im Gegensatz zu den intravenös applizierten Immunglobulinen gibt es allerdings für diese neue Applikationsform noch relativ wenig Erfahrung, insbesondere keine Langzeitstudien, sodass trotz der Verbesserung der Lebensqualität weitere Untersuchungen abzuwarten sind, die unter anderem klären müssten, ob die Effektivität und Tolerabilität der subkutan applizierten Immunglobuline denen der intravenös applizierten entsprechen.

Frau Dr. Grau und Kollegen gehen der wichtigen Frage nach, was der Stand der Zulassungen von häufig im Kindes- und Jugendalter verschriebenen psychotropen Substanzen ist. Verglichen mit der Erwachsenenpsychiatrie haben es die Kinder- und Jugendpsychiater mit deutlich weniger zugelassenen Arzneimitteln zu tun. In der Übersichtsarbeit werden häufig verwandte Arzneimittel bei Angststörungen, ADHS, Depression, Zwangsstörungen, manischen Episoden und bipolaren Erkrankungen, Schizophrenie sowie akuten Erregungszuständen und Aggression, aber auch bei Bewegungsstörungen kritisch gewürdigt. Trotz der steigenden Verordnungszahlen von Stimulanzien und atypischen Antipsychotika ist die Zulassungssituation in der KJP weiter schwierig. In der Übersichtsarbeit wird überzeugend auf die Schwierigkeit von Arzneimittelstudien bei Kindern hingewiesen sowie auf den sehr kritischen Punkt, dass bei der Rezeptierung nicht zugelassener Arzneimittel auch ein persönliches Haftungsrisiko und das Problem einer möglichen Kostenübertragung auf den behandelnden Arzt bestehen.

Prof. Fritze kommentiert die Ausführungen zu Psychopharmaka-Verordnungen im Arzneiverordnungsreport 2014, aus dem zu entnehmen ist, dass insbesondere Parkinsonmittel, Antidepressiva und Psychostimulanzien in den vergangenen 26 Jahren eine deutlich Zunahme der Verordnungen erfahren haben. Er zeigt auch auf, dass die Verordnung von Psychopharmaka in den Bundesländern durchaus unterschiedlich ausfällt.

Aus neurologischer Sicht interessant ist die Beobachtung von Haas et al., dass unter der Therapie mit Mirtazapin eine sensomotorische Polyneuropathie auftreten kann. Zuletzt ist auch die Arbeit von H. Petri über das Interaktionspotenzial von Triptanen von hoher klinischer Relevanz. Bekanntermaßen werden mit Ausnahme von Naratriptan alle Triptane hauptsächlich über das Cytochrom-P450-System oder über die Monoaminoxidase A verstoffwechselt. In der Arbeit werden wichtige Interaktionen mit gängigen Arzneimitteln aufgezeigt, die eine große Hilfe beim Einsatz der Triptane darstellen sollten.

Zusammenfassend wird somit trotz des neurologischen Schwerpunkts auch in diesem Heft eine sehr breite Information zur Anwendung der Psychopharmaka vom Kindesalter bis zum alten Parkinsonpatienten diskutiert. Ich bin überzeugt, dass viele der besprochenen Artikel zu einem deutlichen Erkenntnisgewinn Ihrerseits führen werden, wie dies bei mir bereits der Fall war.

Psychopharmakotherapie 2015; 22(05)