Bipolar-I-Störungen

Therapeutisch alles auf Anfang durch DSM-5?


Dr. Alexander Kretzschmar, München

Die Entwicklung des DSM-5 hat zu einer Vergrößerung der Zahl von bipolaren Patienten mit Mischzuständen zulasten reiner Manien geführt. Dies führt auch zu einer Neuorientierung der Pharmakotherapie, machte Prof. Andrea Fagiolini, Siena/Italien, bei einem von Lundbeck veranstalteten Satellitensymposium auf dem ECNP-Kongress 2014 deutlich. Inzwischen werden einige Therapiestudien nach DSM-IV-Kriterien auf der Basis des DSM-5 re-analysiert, darunter zwei Phase-III-Studien mit Asenapin.

Gemischte Merkmale – das Auftreten (hypo)maner und depressiver Symptome – können im DSM-5 im Rahmen bipolarer und depressiver Störungen als Zusatzkodierung vergeben werden. Mit diesem neuen Konzept wurde die Anzahl von Patienten mit Mischzuständen vergrößert. Im DSM-IV stellten gemischte Episoden bisher ein Ausschlusskriterium für die Vergabe der Diagnose einer Major Depression dar, erklärte Prof. Trisha Suppes, Palo Alto/USA. In der IMPACT-Studie wurde die Phänomenologie manischer Episoden im Hinblick auf die DSM-5-Diagnosekriterien untersucht. Hier hatten 72% der befragten Patienten auch Angstsymptome und zeigten Irritabilität und/oder Agitiertheit [1].

Reine Manien nur noch eine Ausnahme?

Prof. Alan Swan, Houston/USA, ging noch einen Schritt weiter. „Patienten mit einer reinen Manie sind eine Seltenheit, wir finden in fast allen Fällen auch mehr oder weniger große Anteile depressiver Symptome.“ Die Bewertung der verfügbaren Therapieoptionen ist schwierig, beklagte Fagiolini, denn die DSM-IV-Population ist nicht mit der DSM-5-Population vergleichbar. Die vorliegenden Daten aus klinischen Studien kommen fast nur aus Subgruppenanalysen von DSM-IV-Therapiestudien. Daher werden jetzt einige DSM-IV-Studien auf DSM-5 „umgerechnet“.

In einer Post-hoc-Analyse wurden für das Zweitgenerations-Antipsychotikum Asenapin (Sycrest®) die gepoolten Daten von 960 Teilnehmern zweier Placebo- und Olanzapin-kontrollierter Studien entsprechend neu ausgewertet [2]. Asenapin unterscheidet sich in seinem Rezeptorprofil von den anderen atypischen Antipsychotika. Es bindet mit hoher Affinität und Spezifität an die wirksamkeitsrelevanten Dopamin-, Serotonin-, Noradrenalin (alpha-adrenerg) und Histamin-Rezeptor-Subtypen [3]. Klinisch lässt sich daraus eine hohe Wirksamkeit gegen das breite Symptomspektrum von Bipolar-I-Erkrankungen erwarten.

Neubewertung von Asenapin

Insgesamt erfüllten je nach Schweregrad 20 bis 40% der Patienten mit Mischzuständen nach DSM-5 nicht die DSM-IV-TR-Kriterien der gemischten Phase. Asenapin erwies sich bei der DSM-5-Population demzufolge „nicht überraschend“, so Fagiolini, im Vergleich zu Olanzapin und Placebo nach drei Wochen Therapie als noch etwas wirksamer als bei der DSM-IV-Population. Das Atypikum reduzierte die Depressivität signifikant über alle Schweregrade, während sich Olanzapin an diesem Stimmungspol nicht von Placebo differenzieren konnte. Die MADRS-Remissionsrate war mit 64 bis 67% stabil, unabhängig von der Schwere der Depressivität bei Baseline. Unter Olanzapin nahm die MADRS-Remissionsrate mit der Schwere der Depressivität von 63% bis auf 38% ab, ebenso unter Placebo (von 49 auf 25%). Bei der Reduktion des YMRS-Scores war Asenapin gegenüber Placebo ab dem zweiten Behandlungstag bis zum Ende des Beobachtungszeitraums statistisch signifikant überlegen. Eine Remission (YMRS <12) erreichten 36 bzw. 37% der Asenapin-Patienten mit milder bis moderater Manie sowie 54% mit schweren manischen Symptomen. Der Unterschied zwischen Olanzapin und Placebo war nur bei Patienten mit milder bis moderater Manie statistisch signifikant.

Quelle

Prof. Trisha Suppes, Palo Alto (USA), Prof. Alan Swann, Houston (USA), Prof. Andrea Fagiolini, Siena (Italien); Satellitensymposium „Recognising, understanding and treating bipolar mania with depressive symptoms“, veranstaltet von Lundbeck A/S im Rahmen der 27. Jahrestagung des European College of Neuropsychopharmacology (ECNP), Berlin, 18. Oktober 2014.


Abkürzungen

DSM: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (TR: Text revision)

MADRS: Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale

YMRS: Young Mania Rating Scale

Literatur

1. Vieta E, et al. Phenomenology of manic episodes according to the presence or absence of depressive features as defined in DSM-5: Results from the IMPACT self-reported online survey. J Affect Disord 2014;156:206–13.

2. McIntyre RS, et al. DSM-5 mixed specifier for manic episodes: evaluating the effect of depressive features on severity and treatment outcome using asenapine clinical trial data. See comment in PubMed Commons below. J Affect Disord 2013;150:378–83.

3. Shahid M, et al. Asenapine: a novel psychopharmacologic agent with a unique human receptor signature. J Psychopharmacol 2009; 23:65–73.

Psychopharmakotherapie 2015; 22(02)