Schwer behandelbare Epilepsien

Schwierigkeiten in der Bewertung des Zusatznutzens von innovativen Antiepileptika


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Aus formal-methodischen Gründen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im November 2014 entschieden, dass für eine Add-on-Therapie mit Perampanel gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie mit konventionellen Antiepileptika kein Zusatznutzen nachgewiesen werden kann [1]. Die Tücken bei der Nutzenbewertung innovativer Antiepileptika und der negative G-BA-Beschluss könnten Konsequenzen für Patienten mit therapieresistenten Epilepsien haben, wie bei einem von der Firma Eisai organisierten Fachpresse-Experten-Roundtable diskutiert wurde.

In Deutschland sind etwa eine halbe Million Menschen an Epilepsie erkrankt [2]. Mit den verfügbaren Therapieoptionen lässt sich die Erkrankung oft nur unzureichend kontrollieren. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen – also rund 150000 Patienten in Deutschland – lässt sich auch bei einer Behandlung mit mehreren Antiepileptika keine Anfallsfreiheit erreichen [3]. Als pharmakoresistent werden Epilepsien bezeichnet, die auf mehr als zwei Antikonvulsiva nicht angesprochen haben [4]. Allerdings können auch diese Patienten von neuen, innovativen Wirkstoffen profitieren und eine Reduktion der Anfallshäufigkeit oder sogar längerfristige Anfallsfreiheit erreichen. Bei etwa jedem dritten therapieresistenten Epilepsie-Patienten führt der konsequente Einsatz von neuen Antiepileptika mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen zu einer deutlichen Reduktion der Anfallsfrequenz und bei jedem sechsten sogar zu längerfristiger Anfallsfreiheit [5].

Aufgrund der Heterogenität der Epilepsien in Bezug auf die Ätiologie, den Verlauf und die Ansprechprofile therapieresistenter Patienten ist die individuelle Einstellung der Patienten im klinischen Alltag oft eine Herausforderung. Als Folge des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) hängt aber der praktische Einsatz neu zugelassener Antiepileptika nicht nur von der in den Zulassungsstudien nachgewiesenen Wirksamkeit und Verträglichkeit ab, sondern auch von der Bewertung eines Zusatznutzens gegenüber der vom G-BA festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie.

Bewertung des Zusatznutzens bei Antiepileptika

Vor diesem Hintergrund bemängelt die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) das formal-methodische Vorgehen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bei der Bewertung des Zusatznutzens neuer Antiepileptika, was im November 2014 zur erneuten Verneinung eines Zusatznutzens für das Antiepileptikum Perampanel (Fycompa®) führte [6, 7]. Als Begründung gab der G-BA an, dass „die vom G-BA bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie nicht umgesetzt“ und daher „für die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie des G-BA nicht geeignet“ sei [6]. Nach Auffassung der DGfE kann die Bewertung des Zusatznutzens eines Antiepileptikums aufgrund des individuell sehr unterschiedlichen Ansprechens der Patienten auf eine bestimmte Therapie nicht über einen direkten oder indirekten Head-to-Head-Gruppenvergleich zwischen Antiepileptika definiert werden [7]. Für die Nutzenbewertung neu zugelassener Antiepileptika durch das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) und den G-BA sollte nach Vorschlag der DGfE ein Zusatznutzen als belegt gelten, „wenn die Wirksamkeit an einer bislang pharmakoresistenten Gruppe von Patienten in adäquaten Studien nachgewiesen wurde (d.h. als das klinisch relevante und statistisch signifikante Ansprechen nach den Zulassungskriterien von >50% Anfallsreduktion)“ [7].

Perampanel: positive Erfahrungen aus dem Praxisalltag

Der hoch selektive AMPA(α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionsäure)-Rezeptorantagonist Perampanel ist ein neuartiges antiglutamaterg wirkendes Antiepileptikum, das sich sowohl in der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie [8] als auch in einer multizentrischen Beobachtungsstudie unter den Bedingungen des Praxisalltags [9] als Add-on-Therapie bewährt hat. In der Beobachtungsstudie erreichte die Hälfte der 281 konsekutiv behandelten Patienten mit hochrefraktärer Epilepsie nach sechsmonatiger Zusatztherapie mit Perampanel eine Reduktion der Anfallsfrequenz um mindestens 50%, und 15% der Patienten blieben sogar komplett anfallsfrei [9]. Von der Add-on-Therapie mit Perampanel profitierten nicht nur Patienten mit bilateral konvulsiven Anfällen, sondern auch Patienten mit dyskognitiv fokalen Anfällen (Tab. 1). Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen, dass Perampanel in einer großen und schwer behandelbaren Patientenpopulation, die mit herkömmlichen Antiepileptika nicht anfallsfrei geworden sind, einen deutlichen Nutzen erzielt – bis hin zu einer mindestens temporären Anfallsfreiheit.

Tab. 1. Wirksamkeit von Perampanel bei Patienten mit therapieresistenter Epilepsie; Ergebnisse der letzten 3 Monate bei mindestens 6-monatiger Beobachtung nach Therapiebeginn mit Perampanel [nach 9]

Alle Anfälle

Dyskognitiv fokale Anfälle

Bilateral konvulsive Anfälle

Responderrate
(Anfallsreduktion um >50%)

50%

48%

57%

Anfallsfreie Patienten

15%

14%

32%

Quelle

Dr. Andrej Rasch, Berlin, Prof. Dr. Bernhard J. Steinhoff, Kehl-Kork, Fachpresse-Experten-Roundtable „Epilepsie und AMNOG: Warum die Nutzenbewertung die Therapieversorgung gefährdet“, Frankfurt, 19. Februar 2015, veranstaltet von Eisai GmbH.

Mehr Informationen zur frühen Nutzenbewertung in der PPT 1/2015

Fritze J. Frühe Nutzenbewertung gemäß AMNOG: Rekapitulation und Update. Psychopharmakotherapie 2015;22:47–58.

Möller HJ. Zusatznutzen-Bewertung: Probleme für Entwicklung/Inverkehrbringen GKV-verschreibungsfähiger neuer Psychopharmaka. Psychopharmakotherapie 2015;22:59–64.

Literatur

1. Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Perampanel. Verfügbar unter: www. g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/39/ #tab/beschluesse (Zugriff am 25.02.2015).

2. Pfäfflin M. Epidemiologie der Epilepsien. Verfügbar unter: www.izepilepsie.de/home/showdoc,id,387,aid,4163.html (Zugriff am 25.02.2015).

3. Schmidt D. Drug treatment of epilepsy: options and limitations. Epilepsy Behav 2009: 15:56–65.

4. Kwan P, et al. Definition of drug resistant epilepsy: consensus proposal by the ad hoc Task Force of the ILAE Commission on Therapeutic Strategies. Epilepsia 2010;51:1069–77.

5. Luciano AL, Shorvon SD. Results of treatment changes in patients with apparently drug-resistant chronic epilepsy. Ann Neurol 2007;62:375–81.

6. Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Perampanel. Verfügbar unter: www. g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/39/ #tab/beschluesse (Zugriff am 25.02.2015).

7. Stellungnahme der DGfE zur Nutzenbewertung Perampanel vom 4.9.2014. Verfügbar unter: www.dgfe.info/cweb2/cgi-bin-noauth/cache/VAL_BLOB/5583/5583/1459/Stellungnahme%20zur%20Nutzenbewertung %20Perampanel%202014.pdf (Zugriff am 25.02.2015).

8. Krauss GL, et al. Randomized phase III study 306: adjunctive perampanel for refractory partial-onset seizures. Neurology 2012;78: 1408–15.

9. Steinhoff BJ, et al. A multicenter survey of clinical experiences with perampanel in real life in Germany and Austria. Epilepsy Res 2014;108:986–8.

Psychopharmakotherapie 2015; 22(02)