Neuropsychiatrische Therapie mit Zukunft


Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden

Wenn ich meine jungen Studenten frage, nach welchen Gesichtspunkten sie ein klinisches Fach für ihre Zukunft auswählen, höre ich häufig, dass es ein Fach sein soll, in dem man Patienten erfolgreich therapieren kann. Als Neurologe muss ich leider häufig im Nachsatz erfahren, dass viele Studenten den Eindruck haben, dass internistische Kollegen weitaus erfolgreicher als Neurologen oder Psychiater therapieren können.

Die Leser der PPT werden hingegen wissen, dass sich glücklicherweise auch in unserem Bereich, nämlich der Therapie von psychiatrisch oder neurologisch erkrankten Patienten, über die letzten Jahre immer neue effektivere und besser verträgliche Therapiekonzepte und neue Präparate angekündigt und etabliert haben. Dementsprechend ist in dieser Ausgabe der PPT eines der wichtigsten Krankheitsbilder der Neurologie, nämlich der Schlaganfall und insbesondere die Schlaganfallprävention, ein Thema. Diener und Weimar, Essen, fassen die Kernbotschaften einer neuen S3-Leitlinie der Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft zusammen. In dieser Leitlinie wird ausführlich die Sekundärprävention geschildert und beschrieben, welche Risikofaktoren zum Schlaganfall führen. Während wir früher ausschließlich mit Thrombozytenfunktionshemmern, nämlich insbesondere Acetylsalicylsäure (ASS) therapierten, hat sich das Therapiespektrum inzwischen um Clopidogrel und eine Kombination von ASS und Dipyridamol erweitert. Eine besonders spannende Diskussion findet derzeit zum Einsatz der neuen Antikoagulanzien, nämlich Dabigatran, Apixaban und Rivaroxaban, bei Vorhofflimmern statt. Diese Präparate sind einerseits deutlich teurer als die bisher verwandten Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin bzw. Phenprocoumon), haben aber auch ein signifikant reduziertes Risiko für zerebrale Blutungen. Somit ist interessant, dass sich die Leitlinie eindeutig für den Einsatz der neuen Antikoagulanzien ausspricht. Interessant sind auch die Ausführungen zum Einsatz von Statinen sowie zum modernen Verständnis der Blutdrucksenkung.

Die Ausführungen von Fritze zum Arzneiverordnungs-Report sind bereits ein Klassiker der PPT und geben uns wertvolle Einsichten in die Verordnung von Psychopharmaka in Deutschland. Darüber hinaus finden sich weitere interessante Arbeiten zum Stellenwert des EEG bei Anwendung von Antipsychotika der zweiten Generation, aber Beiträge zur Arzneimittelsicherheit, wie den Fallreport einer Trimipramin-induzierten Zwangsstörung.

Um den Gedanken von oben wieder aufzunehmen, sei auf aktuelle experimentelle Ansätze zur (instrumentellen und pharmakologischen) Therapie hingewiesen. So ist zu berichten, dass während des Kongresses der Deutschen Parkinsongesellschaft, der vom 13. bis 15. März 2013 in Würzburg stattfand, eine bemerkenswerte Studie vorgestellt wurde, die sogenannte EarlyStim-Studie. Hier wurde bei relativ jungen Parkinson-Patienten (Durchschnittsalter 52 Jahre, untersuchte Kohorte rund 250 Patienten) der Einsatz von tiefer Hirnstimulation mit dem Einsatz von bestmöglicher Medikation verglichen. Die Parkinson-Patienten litten seit sieben Jahren an ihrer Erkrankung und wiesen leichte motorische Fluktuationen auf. In der Studie, die während des Kongresses ausführlich besprochen wurde, zeigte sich, dass der frühe Einsatz der tiefen Hirnstimulation zu einer Verbesserung der Beweglichkeit, Minderung motorischer Fluktuationen und insbesondere zu einer Verbesserung der Aktivitäten des täglichen Lebens und somit der Lebensqualität führte. Wir werden daraufhin prüfen müssen, ob wir die bisherige Vorgehensweise beibehalten, nämlich die tiefe Hirnstimulation erst sehr spät im Verlauf der Parkinson-Erkrankung anzuwenden.

Ein weiteres wichtiges Thema dieses Kongresses ist die Detektion der Ursache der Parkinson-Erkrankung. Hier deutet sich immer mehr an, dass die Akkumulation von Alpha-Synuclein von Zelle zu Zelle „transportiert“ wird. Unsere eigene Arbeitsgruppe hat ein Dresdner Tiermodell etabliert, wo bei Mäusen mittels Rotenon-Applikation über eine Magensonde lokal im enterischen Nervensystem Alpha-Synuclein-Akkumulationen generiert werden. Wir konnten dann zeigen, dass über den N. vagus diese Alpha-Synuclein-Akkumulation bis zum Gehirn der Tiere und letztlich zur Substantia nigra weitergeleitet wird. Durch eine Hemivagotomie konnte die Ausbreitung der Erkrankung verzögert oder gestoppt werden. Es wäre äußerst erfreulich, wenn wir in einer nicht allzu fernen Zukunft in der PPT über den Nutzen von Alpha-Synuclein-Aggregationshemmern berichten könnten.

Zusammenfassend gehe ich somit nicht mit meinen Studenten konform, dass Psychiatrie und Neurologie Fächer der modernen Medizin ohne therapeutisches Profil und therapeutische Optionen darstellen. Wir sollten vielmehr immer wieder darauf hinweisen, wie entscheidend unsere neuropsychiatrische Therapie den Verlauf zum Teil tragischer Erkrankungen korrigieren, aufhalten oder sogar heilen kann.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(02)