Schizophrenie

Mit einem Depot-Präparat zur besseren Adhärenz


Reimund Freye, Baden-Baden

Bei der Schizophrenie bestehen in der ersten Erkrankungsphase die größten langfristigen Heilungschancen. Gerade bei dieser Klientel ist aber die Adhärenz besonders schlecht, mit der Folge von Rezidiven, wobei jede weitere Episode das kurative Eingreifen erschwert. Psychiatrische Fachärzte diskutierten daher auf dem DGPPN-Kongress im November 2012 in Berlin den Einsatz retardierter Antipsychotika. Berichtet wurde von neuen Veröffentlichungen zum Thema orale versus Depot-Antipsychotika. In der klinischen Praxis erlangen Depot-Präparate eine zunehmende Bedeutung.

Es gibt drei neuere Arbeiten zum Thema unterschiedlicher Formulierungen antipsychotischer Substanzen. Zum ersten eine Metaanalyse über zehn randomisierte Longitudinalstudien über mindestens ein Jahr; eingeschlossen wurden Arbeiten ab 1970. Bei den 1672 Patienten wurde mit der oralen Medikation eine Rückfallrate von 33,3% beobachtet, mit Depotpräparaten waren es 21,6%. Die Abbruchraten, aufgrund fehlender Wirksamkeiten, lagen bei oraler Einnahme bei 29,6% versus 20,6% bei einer Depot-Formulierung [1].

Option nicht nur bei Problempatienten

In einer weiteren Untersuchung wurden Verordnungs-Datenbanken in Finnland zwischen 2000 und 2007 von 2588 Schizophrenie-Patienten mit Ersthospitalisierung ausgewertet. Hierbei war das Risiko von Therapieabbrüchen unter Depot im Vergleich mit einer oralen Medikation signifikant niedriger (Hazard-Ratio [HR] 0,41, 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,27–0,61, p<0,0001).

Das Risiko für eine Rehospitalisierung unter Depot-Antipsychotika betrug nur etwa ein Drittel von dem unter einer oralen Medikation (HR 0,36, 95%-KI 0,17–0,75) [2].

Die dritte Studie resultiert aus Ergebnissen der CGS-Gruppe (Cohort for the general study of schizophrenia) in Frankreich. Hier wurden die Daten von 1859 Patienten danach ausgewertet, welche Auswirkungen Risperidon-Depot auf die Hospitalisierungsraten hatte; und zwar im Vergleich mit allen anderen Antipsychotika, egal ob als Depot-Präparat oder oral. Erst in der sekundären Analyse wurde nochmals zwischen oraler und Depot-Formulierung unterschieden. In der Monotherapie senkte Risperidon-Depot die Hospitalisierungsrate um 50% im Vergleich mit allen anderen Antipsychotika. Die fast gleiche Risikoreduktion wurde gegen andere Depot-Präparate und gegen die orale Einnahme errechnet. Alle Ergebnisse waren signifikant [3].

Aufgrund dieser Zahlen sollten Depot-Präparate nicht nur bei Patienten mit mehreren Rückfällen, sondern vermehrt auch bei Ersterkrankung angewendet werden.

Vorteile retardierter Formulierungen mit Patienten besprechen

Auch wenn Akutpatienten sich nach erster Behandlung und Edukation einsichtig zeigen, möchten sie doch in ihrem Alltag nicht ständig durch die Tabletteneinnahme an ihre Krankheit erinnert werden; das ist eine praktische Erfahrung vieler Ärzte. Wohl ruft ein Depot-Präparat – „etwas das längerfristig im Körper wirkt“ – Widerstände hervor. Hier hilft eine Motivation des Patienten. Diese erfolgt etwa in Form einer Darstellung des Problems von Nonadhärenz mit all seinen Folgen. Dem gegenübergestellt wird die Aussicht darauf, seine Selbständigkeit zurückzuerlangen. Hinzukommt die Freiheit, nicht täglich Tabletten nehmen zu müssen.

Als Kasuistik wurde über eine 19-jährige Patientin berichtet, die 2012 wegen paranoider Schizophrenie bereits zum zweiten Mal stationär aufgenommen wurde. In der ambulanten Therapie entwickelte sie bereits unter niedrigen Risperidon-Dosen extrapyramidale Symptome. Unter Olanzapin nahm sie deutlich an Gewicht zu und brach die Therapie ab. Nach Psychoedukation und Einstellung auf eine Depot-Medikation mit Paliperidonpalmitat (Xeplion®, 100 mg monatlich intramuskulär in den Oberarm injiziert) konnte die Patientin wieder ihren Alltag bewältigen und das zuvor abgebrochene Abitur nachholen.

Quelle

Prof. Dr. med. Martin Lambert, Hamburg-Eppendorf, Prof. Dr. med. Klaus Wiedemann, Hamburg-Eppendorf; Dr. med. Thomas Aubel, Dortmund, Sybille Hornung-Knobel, München, Ute Herrmann, Berlin. Satellitensymposium „Diskussionsforum Schizophrenie: Mehr Zukunft für jeden Patienten – Fälle aus der Praxis“, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 22. November 2012.

Literatur

1. Leucht C, et al. Oral versus depot antipsychotic drugs for schizophrenia – a critical systematic review and meta-analysis of randomised long-term trials. Schizophr Res 2011;127:83–92.

2. Tiihonen J, et al. A nationwide cohort study of oral and depot antipsychotics after first hospitalization for schizophrenia. Am J Psychiatry 2011;168:603–9.

3. Grimaldi-Bensouda L, et al. Does long-acting injectable risperidone make a difference to the real-life treatment of schizophrenia? Results of the Cohort for the General study of Schizophrenia (CGS). Schizophr Res 2012;134:187–94.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(02)