Bipolare Störungen während der Schwangerschaft

Fehlende medikamentöse Prophylaxe kann negative Auswirkungen haben


Dr. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn

Kinder von Frauen mit einer bipolaren Störung während der Schwangerschaft haben ein erhöhtes Teratogenitätsrisiko und ein erhöhtes Risiko für perinatale Komplikationen. Dass dieses erhöhte Risiko nicht zwingend auf die Einnahme von stimmungsstabilisierenden Medikamenten zurückzuführen ist, zeigt eine große Kohortenstudie aus Schweden.

Eine bipolare Störung bei Frauen mit Kinderwunsch stellt die behandelnden Ärzte immer vor eine große Herausforderung. Die Einnahme von Antipsychotika während der Schwangerschaft ist verbunden mit dem Risiko kindlicher Missbildungen, Frühgeburtlichkeit und abnormalem fetalem Wachstum. Auf der anderen Seite bedeutet das Absetzen der Phasenprophylaxe ein erhöhtes Risiko für Rückfall und Suizid bei der werdenden Mutter, sodass der Einsatz und die Wahl des Psychopharmakons bei schwangeren Frauen sorgfältig abgewogen werden müssen.

Studiendesign

In der vorliegenden Studie gingen schwedische Wissenschaftler der Frage nach, ob die erhöhte Rate kindlicher Fehlbildungen bei Frauen mit bipolarer Störung auf die Medikation oder die Krankheit selbst zurückzuführen sei [1]. Dafür werteten sie Daten von drei schwedischen, landesweiten Registern aus, deren Daten über eine eindeutige Personen-Identifikationsnummer miteinander in Verbindung gebracht werden konnten: dem Register für verordnete Medikamente, dem medizinischen Geburtenregister und dem nationalen Patientenregister.

Ausgewertet wurden die Daten von insgesamt 332137 Frauen, die zwischen 2006 und 2009 ein Kind zur Welt gebracht hatten. Nur Frauen mit mindestens zwei Episoden einer bipolaren Störung (ICD-10 Code F30–31) wurden als erkrankt klassifiziert (n=874). Von diesen Frauen nahmen 320 stimmungsstabilisierende Medikamente während der Schwangerschaft ein: 40% Lamotrigin, 12% Valproinsäure, 2% Carbamazepin, 24% Lithium und 39% Antipsychotika. Über die Anzahl der Frauen, die mehrere Medikamente gleichzeitig einnahmen, geben die Studienautoren keine Auskunft. 554 Frauen mit bipolarer Störung nahmen keine Psychopharmaka während der Schwangerschaft ein.

Ergebnisse

Neugeborene von Frauen mit unbehandelter bipolarer Störung hatten ein erhöhtes Risiko für einen Mikrozephalus sowie für eine neonatale Hypoglykämie. Von den unbehandelten Frauen mit bipolarer Störung brachten 3,9% ein Kind mit Mikrozephalus zur Welt, verglichen mit 2,3% der gesunden Frauen (Odds-Ratio [OR] 1,68; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 1,07–2,62). Bei den behandelten Frauen betrug diese Zahl 3,3% (OR 1,26; 95%-KI 0,67–2,37). Ebenso hatten Kinder unbehandelter Frauen ein erhöhtes Risiko für eine neonatale Hypoglykämie. Diese trat bei ihnen in 4,3% (n=24) der Fälle auf, bei Kindern gesunder Frauen in 2,5% der Fälle (OR 1,51; 95%-KI 1,04–2,43) und bei Kindern behandelter Frauen mit bipolarer Störung in 3,4% der Fälle (OR 1,18; 95%-KI 0,64–2,16). Ähnliche Tendenzen stellten die Autoren für das Risiko der Geburt eines zu kleinen oder leichten Kindes in Bezug auf das Gestationsalter fest.

Bei Neugeborenen von Frauen mit behandelter bipolarer Störung traten gehäuft Fehlbildungen auf, und zwar abhängig vom eingenommenen Psychopharmakon bei bis zu 3,5% der Kinder. Bei Kindern gesunder Frauen wurden Fehlbildungen in 2% (n=6517) und bei Kindern unbehandelter Frauen in 1,9% (n=11) der Fälle festgestellt.

Sowohl behandelte als auch unbehandelte Frauen hatten ein um 50% erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt (Entbindung vor der 37. Schwangerschaftswoche) gegenüber gesunden Frauen.

Kommentar

Die Studie zeigt, dass Kinder von Frauen mit bipolarer Störung ein erhöhtes Risiko für neonatale Komplikationen haben. Es konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen Frauen, die mit Psychopharmaka behandelt wurden, und unbehandelten Frauen festgestellt werden. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass stimmungsstabilisierende Medikamente wahrscheinlich nicht der einzige Grund für neonatale Komplikationen seien. Der genaue Einfluss einer medikamentösen Behandlung bleibt damit unklar.

In einem Editorial zur Studie wird betont, wie wichtig es sei, dass schwangere Frauen mit bipolarer Störung eine medikamentöse Phasenprophylaxe erhalten [2]. Frauen sollten über die Möglichkeiten der Therapie und die Gefahren einer unbehandelten bipolaren Störung für sich selbst und das Kind intensiv beraten werden. Weiterhin wies der Kommentator darauf hin, dass die medikamentöse Therapie nur eine Säule der Behandlung sein dürfe. Nach Möglichkeit sollten den Frauen neben finanziellen auch soziale Hilfsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Quellen

1. Bodén R, et al. Risks of adverse pregnancy and birth outcomes in women treated or not treated with mood stabilisers for bipolar disorder: population based cohort study. BMJ 2012;345:e7085.

2. Gentile S. Bipolar disorder in pregnancy: to treat or not to treat? BMJ 2012;345:e7367.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(02)