Benzodiazepine

Erhöhtes Risiko für Demenz


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

In einer Kohortenstudie war die Einnahme von Benzodiazepinen bei älteren Menschen mit einem signifikant höheren Risiko verbunden, an Demenz zu erkranken. Ein Kausalzusammenhang ist damit allerdings nicht bewiesen, da die Symptome, gegen die Benzodiazepine verordnet werden, häufig auch zu Beginn einer neurodegenerativen Erkrankung auftreten.

Benzodiazepine sind als kurzfristige Therapie von Angststörungen und Schlaflosigkeit indiziert, werden aber in vielen europäischen Ländern gerade älteren Patienten großzügig und entgegen den Leitlinienempfehlungen auch chronisch verschrieben. Vor allem wegen des erheblichen Suchtpotenzials sollten die psychotropen Substanzen nur nach strenger Indikationsstellung eingesetzt werden.

Die kurzfristige negative Wirkung von Benzodiazepinen auf die kognitiven Fähigkeiten ist gut bekannt. Die langfristigen Nebenwirkungen sind dagegen umstritten. Benzodiazepine stehen unter Verdacht mit einem erhöhten Risiko für Demenz verbunden zu sein. Frühere Studien hatten hierzu widersprüchliche Ergebnisse geliefert, in den meisten wurde ein erhöhtes Risiko unter Benzodiazepinen festgestellt, in einigen jedoch auch ein erniedrigtes. Ein Problem bei der Interpretation dieser unterschiedlichen Daten liegt darin, dass die Symptome, gegen die Benzodiazepine verordnet werden, häufig auch zu Beginn einer neurodegenerativen Erkrankung auftreten können.

Studienziel und -design

Ziel der vorliegenden prospektiven Kohortenstudie war es, eine Verbindung zwischen der Einnahme von Benzodiazepinen und dem Auftreten einer Demenz zu untersuchen. Die Probanden wurden aus der PAQUID-Kohorte rekrutiert. Die PAQUID-Studie ist eine Längsschnittstudie zum Alterungsprozess des Gehirns. Die Studie wurde in den Jahren 1987 bis 1989 mit 3777 Personen in Südwestfrankreich begonnen und in den Jahren 2007 bis 2009 beendet. Für die vorliegende Studie wurden die Daten von 1063 Männern und Frauen ausgewertet, die frühestens drei Jahre nach Studienbeginn (T3) erstmals Benzodiazepine angewendet hatten und zu Studienbeginn (T0) und bei einer Kontrolluntersuchung fünf Jahre später (T5) nicht an einer Demenz erkrankt waren. Zu Studienbeginn waren die Studienteilnehmer durchschnittlich 78,2 Jahre alt.

In der Expositionsgruppe befanden sich Probanden, die im Zeitraum zwischen T3 und T5 erstmals Benzodiazepine einnahmen, die Referenzgruppe bestand aus Probanden, die bei T0, T3 und T5 keine Benzodiazepine anwandten. Berücksichtigt wurden alle Benzodiazepine und verwandte Substanzen, die im Studienzeitraum in Frankreich verfügbar waren. Über einen Zeitraum von 20 Jahren wurden alle zwei bis drei Jahre Kontrolluntersuchungen durch Neuropsychologen durchgeführt. Primäres Studienergebnis war das Auftreten einer neu diagnostizierten Demenz.

Studienergebnis

Bei der Kontrolluntersuchung nach fünf Jahren gaben 95 (8,9%) der 1063 Probanden eine Benzodiazepin-Einnahme an. Häufiger als in der Referenzgruppe waren die Probanden in dieser Expositionsgruppe alleinstehend, depressiv, nahmen Antihypertensiva oder Antikoagulanzien ein. In Bezug auf Alter, Geschlecht oder Diabeteshäufigkeit gab es hingegen keine wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Gruppen.

Im gesamten Studienzeitraum erkrankten 253 Teilnehmer an einer Demenz, darunter 30 (32%) unter den Benzodiazepin-Anwendern und 223 (23%) unter den Nichtanwendern. Im Vergleich zu den Nichtanwendern war der Beginn der Benzodiazepin-Einnahme zwischen den Jahren 3 und 5 nach Studienbeginn mit einem signifikant höheren Risiko verbunden, an einer Demenz zu erkranken (Hazard-Ratio [HR] 1,60; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,08–2,38). An diesem Ergebnis änderte sich auch nichts, wenn das Vorliegen depressiver Symptome berücksichtigt wurde.

In einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie konnte gezeigt werden, dass Patienten, die irgendwann im Laufe ihres Lebens Benzodiazepine einnahmen im Vergleich zu Nichtanwendern ein um 50% erhöhtes Demenzrisiko hatten (adjustiertes Odds-Ratio 1,55; KI 1,24–1,95).

Fazit

In der vorliegenden Studie ging die Neuanwendung von Benzodiazepinen im höheren Lebensalter mit einem signifikant höheren Risiko für eine Demenzerkrankung einher. Ein Kausalzusammenhang kann damit allerdings nicht hergestellt werden. Angaben zur Benzodiazepin-Dosierung und zur Dauer des Konsums liegen nicht vor, eine Dosis-Wirkungs-Beziehung wurde nicht untersucht. Trotz einer zeitlichen Verzögerung zwischen erstmaliger Benzodiazepin-Einnahme und Demenzdiagnose kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Benzodiazepine gegen Frühsymptome einer neurodegenerativen Erkrankung wie Schlaflosigkeit und Angststörungen verordnet wurden. Zu den gravierenden Nebenwirkungen der Benzodiazepine gehört eine erhöhte Sturz- und Frakturgefahr, was wiederum zu Immobilität und Unselbstständigkeit mit einem erhöhten Demenzrisiko führt. Aus verschiedenen Gründen ist es also wichtig, eine Behandlung mit Benzodiazepinen bei älteren Patienten gemäß den Empfehlungen auf wenige Wochen zu beschränken.

Quelle

Billioti de Gage S, et al. Benzodiazepine use and risk of dementia: prospective population based study. BMJ 2012;345:e6231; doi: 10.1136/bmj.e6231.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(02)