Postinjektionssyndrom durch Olanzapinpamoat (Zypadhera®)


Carsten Steinmann und Gerd Laux, Wasserburg am Inn

Ein sogenanntes Postinjektionssyndrom mit den Symptomen einer Olanzapin-Überdosierung trat in den Zulassungsstudien von Olanzapinpamoat bei 0,07% der Injektionen auf. Wir berichten über den Fall eines deliranten Syndroms mit einmaligem Erbrechen, beginnend 40 Minuten nach intramuskulärer Injektion von Olanzapinpamoat, und interpretieren dies als das erste Postinjektionssyndrom durch Zypadhera® in unserer Klinik.
Schlüsselwörter: Zypadhera®, Olanzapinpamoat, Postinjektionssyndrom, Fallbericht
Psychopharmakotherapie 2011;18:270–1.

Olanzapinpamoat (Zypadhera®) ist in Deutschland seit November 2008 zugelassen für die Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit Schizophrenie, die durch eine Akuttherapie mit oralem Olanzapin hinreichend stabilisiert wurden [1].

In den Zulassungsstudien von Olanzapinpamoat zeigte sich ein Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil, das im Wesentlichen vergleichbar war mit dem von oralem Olanzapin [4, 5], allerdings traten bei 0,07% der Injektionen (1,4% der Patienten) unerwünschte Ereignisse in Form von Symptomen einer Olanzapin-Überdosierung auf. Hierzu zählten: Sedierung, delirante Symptomatik mit Desorientiertheit, Agitation, Ängstlichkeit, kognitiven Beeinträchtigungen sowie extrapyramidalen Symptomen, Ataxie, Aggression und Schwäche [3]. Bei Patienten, die nach Injektion von Olanzapinpamoat derartige Symptome entwickelten, wurden unerwartet hohe Olanzapin-Plasmakonzentrationen festgestellt [6]. Das sogenannte Postinjektionssyndrom begann in 80% der Fälle während der ersten Stunde nach der Injektion, maximal 300 Minuten danach [3]. Aufgrund dieser möglichen unerwünschten Folgen einer Injektion darf Olanzapinpamoat nur unter bestimmten Bedingungen, unter anderem einer mindestens dreistündigen Überwachung in einer medizinischen Einrichtung, angewendet werden [2, 7].

Wir berichten im Folgenden über das erste in unserer Klinik aufgetretene Postinjektionssyndrom nach Injektion von Olanzapinpamoat.

Fallbericht

Eine 39-jährige Patientin mit einer seit 23 Jahren bekannten paranoiden Schizophrenie wurde im Rahmen der sechsten stationär-psychiatrischen Behandlung in unserer Klinik auf 405 mg Olanzapin (als Pamoat) alle vier Wochen intramuskulär eingestellt. In der Vorgeschichte erschien orales Olanzapin aussichtsreicher als andere Antipsychotika (einschließlich Clozapin), die in diesem Fall schlechter verträglich oder weniger wirksam waren; das orale Olanzapin wurde jedoch von der Patientin eigenmächtig abgesetzt.

Im Anschluss an den stationären Aufenthalt wurde die Patientin in unserer psychiatrischen Institutsambulanz weiter behandelt. Die regelmäßig in der Ambulanz verabreichten Olanzapin-Injektionen wurden zunächst problemlos vertragen; auffällig waren lediglich eine Neigung zu Hypotonie und Schwindel sowie ein grobschlägiger Tremor der Extremitäten.

Die insgesamt elfte Injektion wurde nach ausgiebiger Aspiration korrekt ventroglutäal verabreicht. Beim Herausziehen der Kanüle zeigte sich eine kleine Blutung an der Einstichstelle. Etwa 40 Minuten später wirkte die Patientin auffällig sediert. Sie war nicht mehr in der Lage, im Wartebereich der Ambulanz zu sitzen, und wurde auf einer Untersuchungsliege gelagert. Die Blutdrucksituation blieb stabil, es zeigte sich eine Tachykardie mit 100 Schlägen/min.

Im weiteren Verlauf entwickelte sich ein prädelirantes Zustandsbild mit einem Wechsel von Somnolenz und psychomotorischer Unruhe mit Aufmerksamkeitsstörungen und Abwehrreaktionen. Die Patientin reagierte kaum noch auf Ansprache, befolgte keine Anweisungen und erbrach 90 Minuten nach der Injektion. Wegen der Progredienz der Symptome bestand zu diesem Zeitpunkt (Tag 1) kein Zweifel mehr am Vorliegen eines Postinjektionssyndroms.

Nach einer Blutentnahme, die einen stark erhöhten Olanzapin-Serumspiegel von 349 ng/ml (Normbereich 20 bis 80 ng/ml), ein leicht erhöhtes Creatinin (0,93 mg/dl) und unauffällige Werte für Leberfunktionsparameter, Elektrolyte, Blutbild und Blutzucker ergab, wurde die Patientin auf der Intensivstation der benachbarten somatischen Klinik aufgenommen. Dort entwickelte sich über Nacht das Vollbild eines Delirs mit ausgeprägter Unruhe, aufgrund derer eine mechanische Beschränkung erforderlich wurde. Auf eine medikamentöse Behandlung wurde verzichtet.

Am nächsten Tag (Tag 2) war die Patientin wieder ansprechbar und wurde zur weiteren stationären Überwachung in unsere Klinik verlegt. Zum Verlegungszeitpunkt erschien sie schläfrig, nicht orientiert, im Kontakt eher abweisend, dysphorisch verstimmt, affektiv nicht schwingungsfähig, formalgedanklich verlangsamt bis gesperrt. Es ergaben sich Hinweise auf akustische und optische Halluzinationen mit einem Herumnesteln am Mantel der aufnehmenden Ärztin. Auffassung, Kognition und Mnestik waren stark reduziert, psychomotorisch war die Patientin insgesamt eher verlangsamt.

Einen Tag später (Tag 3) war die delirante Symptomatik abgeklungen, bei anhaltenden akustischen Halluzinationen und Tremor. Der Olanzapin-Serumspiegel lag an diesem Tag bei 147 ng/ml.

Ab Tag 13 erfolgte die antipsychotische Weiterbehandlung bei inzwischen besserer Compliance mit oralem Olanzapin, beginnend mit 5 mg/Tag.

An Tag 36 wurde die Patientin aus der stationären Behandlung entlassen. Olanzapin wurde im Rahmen der ambulanten Weiterbehandlung innerhalb von 2 Wochen bis 20 mg/Tag aufdosiert; unter dieser Dosis lag der Serumspiegel dann im therapeutischen Bereich (53 ng/ml, gemessen 4 Monate nach Entlassung).

Diskussion

Als Ursache für die Entstehung eines Postinjektionssyndroms durch das Olanzapin-Depotpräparat wird ein unbeabsichtigter Eintritt eines Teils der Dosis in Blutgefäße, bedingt durch Gefäßverletzungen beim Eindringen der Kanüle, angenommen [6].

Welche Konsequenzen ein Eintritt einer Depot-Zubereitung in Blutgefäße hat, ist abhängig vom Sicherheitsprofil des Wirkstoffs und ganz wesentlich von der Formulierung, also ob es sich beispielsweise um eine ölige Zubereitung, eine Suspension oder eine wässrige Lösung handelt [3]. Zypadhera® enthält den Wirkstoff in Form eines Salzes, das sich in Muskelgewebe nur sehr langsam löst. Im Blut ist die Löslichkeit verglichen dazu deutlich höher, weshalb mit einer Überdosierung bis hin zu einer Intoxikation, verbunden mit einer starken Sedierung (bis hin zum Koma) und/oder einer deliranten Symptomatik zu rechnen ist, wenn ein Teil der Dosis versehentlich ins Blut anstatt ins Muskelgewebe gelangt [6].

Im Rahmen der Zulassungsstudien wurden bis zum 14. Oktober 2008 30 Fälle eines Postinjektionssyndroms durch Zypadhera® registriert; sie begannen innerhalb eines Zeitraums von bis zu 300 Minuten (Mittelwert 49 Minuten) nach der Injektion. Übereinstimmend mit unserem Fall wurden keine bedenklichen Veränderungen der Vitalzeichen (z.B. Hypotonie, Bradykardie, Ateminsuffizienz) beobachtet. In 77% der Fälle wurden die Patienten zur Überwachung stationär aufgenommen. Spezielle Risikofaktoren für das Auftreten eines Postinjektionssyndroms konnten bisher nicht identifiziert werden [3].

Im beschriebenen Fall kann vom Vollbild eines typischen Postinjektionssyndroms durch Zypadhera® ausgegangen werden: die vorgeschlagenen diagnostischen Kriterien [3] waren durch das Vorliegen von Sedierung im Wechsel mit Unruhe, (beginnendem) Delir, Ataxie, Schwäche und Bewusstseinsstörung erfüllt. Auch der zeitliche Verlauf (klinisch und im Hinblick auf den Serumspiegel) entsprach den bisherigen Erfahrungen [3, 6].

Ein möglicher Hinweis auf eine Verletzung eines Blutgefäßes bei der Injektion – trotz korrekter Technik mit ausgiebiger Aspiration – war das Austreten eines Blutstropfens beim Herausziehen der Kanüle. Dieses Phänomen wurde in unserer Ambulanz inzwischen jedoch häufiger beobachtet, ohne dass es zu weiteren Fällen eines Postinjektionssyndroms kam.

Obwohl nach der bisherigen Datenlage nicht mit einem erhöhten Risiko der betreffenden Patientin für weitere Zwischenfälle bei Fortführung der Injektionen zu rechnen war [3], erfolgte dennoch sicherheitshalber eine Umstellung auf orales Olanzapin.

Literatur

1. Cañas F, Möller HJ. Long-acting atypical injectable antipsychotics in the treatment of schizophrenia: safety and tolerability review. Expert Opin Drug Saf 2010;9:683–97.

2. Frampton JE. Olanzapine long-acting injection: a review of its use in the treatment of schizophrenia. Drugs 2010;70:2289–313.

3. Detke HC, McDonnell DB, Brunner E, Zhao F, et al. Post-injection delirium/sedation syndrome in patients with schizophrenia treated with olanzapine long-acting injection. I: analysis of cases. BMC Psychiatry 2010;10:43.

4. Kane JM, Detke HC, Naber D, Sethuraman G, et al. Olanzapine long-acting injection: a 24-week, randomized, double-blind trial of maintenance treatment in patients with schizophrenia. Am J Psychiatry 2010;167:181–9.

5. Lauriello J, Lambert T, Andersen S, Lin D, et al. An 8-week, double-blind, randomized, placebo-controlled study of olanzapine long-acting injection in acutely ill patients with schizophrenia. J Clin Psychiatry 2008;69:790–9.

6. McDonnell DP, Detke HC, Bergstrom RF, Kothare P, et al. Post-injection delirium/sedation syndrome in patients with schizophrenia treated with olanzapine long-acting injection. II: investigations of mechanism. BMC Psychiatry 2010;10:45.

7. Naber D. Olanzapine pamoate for the treatment of schizophrenia. Expert Opin Pharmacother 2011;12:627–33.

Dr. med. Carsten Steinmann, Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Gerd Laux, kbo-Inn-Salzach-Klinikum gemeinnützige GmbH, Gabersee 7, 83512 Wasserburg/Inn, E-Mail: dr.carsten.steinmann@iskl.de

Post injection syndrome caused by Zypadhera®

Before approval of the drug, 0.07% of Zypadhera® injections caused a so-called post injection syndrome with patients showing delirious/sedation symptoms. We report the first case of that kind in our clinic. The patient became delirious and vomited 40 minutes after getting an injection of Zypadhera®. We regard this event as a typical post injection syndrome.

Key words: Zypadhera®, olanzapine pamoate, post injection syndrome, case report

Psychopharmakotherapie 2011; 18(06)