Risperidon-Depot

Kein Therapievorteil gegenüber oralen Antipsychotika bei instabiler Schizophrenie


Dr. Tanja Saußele, Besigheim

Bei 369 Patienten mit einer instabilen Schizophrenie oder einer instabilen schizoaffektiven Störung, die ein erhöhtes Risiko für eine Krankenhauseinweisung hatten, war eine Therapie mit Risperidon als i.m. zu applizierende Depot-Formulierung einer Therapie mit oralen Antipsychotika nicht überlegen: das Risiko für eine Hospitalisierung innerhalb von 24 Monaten war unter beiden Therapien gleich hoch, auch die Schwere der Schizophrenie-Symptome entwickelte sich unter beiden Therapien vergleichbar.

Bei Schizophrenie-Patienten ist eine schlechte Adhärenz die häufigste Ursache für ein Therapieversagen. Durch langwirksame injizierbare Darreichungsformen, die gleichmäßige Blutspiegel der Antipsychotika garantieren, könnte die Symtomkontrolle verbessert werden; in der Folge könnten Rückfälle und Krankenhauseinweisungen verringert werden. Risperidon ist ein Antipsychotikum der zweiten Generation, das in einer langwirksamen injizierbaren Form zur Verfügung steht (Risperdal® Consta®), die Injektionen sollten bei diesem Präparat im Abstand von etwa zwei Wochen erfolgen. Die Wirksamkeit von Risperidon in der Depot-Formulierung bei stabiler Schizophrenie wurde in mehreren Studien gezeigt.

Nun wurde in einer amerikanischen Studie, an der Patienten mit einer instabilen Schizophrenie oder einer instabilen schizoaffektiven Störung teilnahmen, untersucht, ob die Zeit bis zu einer Hospitalisierung durch die Therapie mit langwirksamem injizierbarem Risperidon gegenüber einer Therapie mit oralen Antipsychotika nach Wahl des behandelnden Arztes verlängert wird.

Studienziel und -design

In die Studie wurden nur erwachsene Patienten aufgenommen, die ein erhöhtes Risiko für eine Aufnahme in ein psychiatrisches Krankenhaus hatten:

  • Patienten, die sich zurzeit stationär in einem psychiatrischen Krankenhaus befanden
  • Patienten mit einer Hospitalisierung während der letzten zwei Jahre
  • Patienten mit einer vermehrten Inanspruchnahme einer psychiatrischen Versorgung, um einen Rückfall zu vermeiden

Ausgeschlossen waren unter anderem Patienten, die im Vormonat eine Entzugstherapie gemacht hatten, Patienten mit instabilen Lebensumständen sowie Patienten mit suizidalem Verhalten, das eine umgehende Behandlung erforderte. Nach einer oralen Risperidon-Testdosis zum Ausschluss einer Allergie wurden die Patienten randomisiert einer Behandlung zugeteilt:

  • Risperidon intramuskulär (Risperidon-Depot, n=190) oder
  • orale Antipsychotika (n=192).

Die Patienten der Risperidon-Depot-Gruppe erhielten zu Beginn alle zwei Wochen 25 mg Risperidon intramuskulär. Die Dosis konnte dann alle vier Wochen um 12,5 mg bis zu einer maximalen Dosis von 50 mg gesteigert werden. Da nach der intramuskulären Applikation von Risperidon bis zum Erreichen eines Steady-State-Spiegels mehrere Wochen vergehen, nahmen die Patienten der Risperidon-Depot-Gruppe zu Beginn für mindestens drei Wochen zusätzlich orale Antipsychotika ein, einige Patienten auch noch deutlich länger. Während der gesamten Studie war die begleitende Einnahme anderer Psychopharmaka und Anticholinergika erlaubt. Außerdem konnten alle Patienten begleitende psychosoziale Behandlungen in Anspruch nehmen.

Primärer Endpunkt war die Zeit von der Randomisierung bis zur Aufnahme in ein psychiatrisches Krankenhaus. Bei den Patienten, die sich während der Randomisierung in einem Krankenhaus befanden, war dies die Zeit von der Entlassung bis zur nächsten Aufnahme in ein Krankenhaus. Die Beobachtungszeit betrug maximal zwei Jahre.

Ein sekundärer Endpunkt war die Veränderung der Schizophrenie-Symptome nach zwölf Monaten; sie wurden mithilfe der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS, Skala von 30–120, höhere Werte bedeuten stärker ausgeprägte Symptome) bestimmt. Weiterhin wurden untersucht: der klinische Gesamteindruck, die Lebensqualität, die Zufriedenheit mit der Medikation und die Therapieretention (Zeit bis zum Absetzen oder bis zu einem Wechsel der Medikation). Auch nach dem Konsum von Drogen wurde gefragt.

Studienergebnisse

Bei einem großen Teil der Studienteilnehmer handelte es sich um ältere männliche Veteranen: Die Patienten waren im Durchschnitt etwa 51 Jahre alt, 91% waren Männer. Sie hatten einen durchschnittlich PANSS-Gesamtscore von etwa 80 und waren in der Regel seit mehreren Jahren erkrankt. Zum Zeitpunkt der Randomisierung befanden sich 40% der Patienten in einem Krankenhaus, 55% waren während der letzten zwei Jahre in stationärer Behandlung und 5% nahmen vermehrt eine psychiatrische Versorgung in Anspruch. Beim Screening hatten 64% der Patienten Schwierigkeiten, ihre Arzneimittel korrekt einzunehmen; aktuelle Alkohol- oder Drogenprobleme wurden bei 37% der Patienten berichtet.

185 Patienten erhielten eine Therapie mit oralen Antipsychotika und 190 Patienten erhielten Risperidon-Injektionen. Genauere Angaben zur Medikation in der Risperidon-Depot-Gruppe sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1. Antipsychotische Medikation der Patienten der Risperidon-Depot-Gruppe

Nach 6 Wochen

Restlicher Studienzeitraum

Risperidon-Dosierung: Anteil der Patienten, die die jeweilige
Dosis erhielten, an der gesamten Gruppe [%]

  • 25 mg

86

17

  • 37,5 mg

11

31

  • 50 mg

3

50

Anzahl der Injektionen pro Monat (Mittelwert)

1,8

1,5

Anteil der Patienten, die begleitend mit oralen Antipsychotika behandelt wurden [%]

40

32

Nach einem Jahr standen noch 60% der Patienten für eine Befragung zur Verfügung, nach 18 Monaten 46% und nach zwei Jahren 29%. Die mittlere Dauer der Studienteilnahme und die Therapieretention unterschieden sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen. 12% der Patienten, die zu Studienbeginn mit oralen Antipsychotika behandelt wurden, wechselten im Verlauf der Studie zur parenteralen Behandlung mit Risperidon.

In der Risperidon-Depot-Gruppe wurden 39% der Patienten innerhalb von durchschnittlich 10,8 Monaten in ein Krankenhaus eingewiesen, von den Patienten der anderen Gruppe waren es 45% innerhalb von 11,3 Monaten (Abb. 1). Die Therapie mit langwirksamem parenteral appliziertem Risperidon verlängerte die Zeit bis zur Einweisung in ein Krankenhaus gegenüber einer Therapie mit oralen Antipsychotika nicht signifikant (Hazard-Ratio 0,87; 95%-Konfidenzintervall 0,63–1,20; p=0,39).

Abb. 1. Zeit bis zu einer stationären Aufnahme in ein psychiatrisches Krankenhaus. HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall

Auch beim Vergleich der PANSS-Scores zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Therapien, ebenso beim klinischen Gesamteindruck, bei der Lebensqualität und beim Drogenkonsum. Patienten der Gruppe mit der oralen Therapie hatten aber mehr Probleme mit Alkohol als die Patienten der anderen Gruppe (p=0,04). Patienten der Risperidon-Depot-Gruppe waren mit der Medikation etwas zufriedener als die Patienten, die die Antipsychotika oral einnahmen (p=0,02).

Neurologische Störungen (Kopfschmerzen, extrapyramidale Nebenwirkungen) sowie allgemeine Funktionsstörungen und Reaktionen an der Injektionsstelle (Schmerzen, Verhärtungen) traten bei den Patienten der Risperidon-Depot-Gruppe signifikant häufiger auf als bei Patienten des anderen Arms (p<0,001 bzw. p=0,03).

Diskussion

In dieser randomisierten, kontrollierten Studie mit Patienten, die an einer instabilen Schizophrenie oder schizoaffektiven Störung litten, war die Therapie mit langwirksamem Risperidon einer Therapie mit oralen Antipsychotika nicht überlegen. Das galt sowohl für die Zeit bis zu einer (erneuten) Hospitalisierung als auch für die Schwere der Symptome und andere sekundäre Endpunkte. Reaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen und extrapyramidale Nebenwirkungen wurden in der Risperidon-Depot-Gruppe häufiger beobachtet als unter den oralen Therapien. Grund hierfür könnte sein, dass die Medikation bei Patienten mit einer oralen Therapie kurzfristig angepasst werden kann, um unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeiden.

An der Studie können manche Punkte kritisiert werden, beispielsweise dass die Risperidon-Dosierung bei manchen Patienten zu niedrig gewesen sein könnte und dass manche Injektionen ausgelassen wurden. Da die Studie hauptsächlich mit älteren, männlichen Veteranen durchgeführt wurde, ist auch nicht klar, inwieweit die Ergebnisse auf andere Patienten übertragen werden können. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Rekrutierung wurden deutlich weniger Patienten eingeschlossen als geplant. Eventuell wären Unterschiede zwischen den Behandlungen deutlich geworden, wenn mehr Patienten an der Studie teilgenommen hätten. Allerdings stimmen die Ergebnisse dieser Studie mit denen von anderen Studien mit Patienten, die an einer stabilen Schizophrenie litten, überein: auch dort war eine parenterale Therapie mit Risperidon einer oralen Therapie nicht überlegen.

Quelle

Rosenheck RA, et al. Long-acting risperidone and oral antipsychotics in unstable schizophrenia. N Eng J Med 2011;364:842–51.

Psychopharmakotherapie 2011; 18(06)