Depression

Citalopram-Plasmakonzentrationen korrelieren mit klinischer Wirksamkeit


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

In einer offenen Studie wurden depressive Patienten unter naturalistischen Bedingungen mit Citalopram behandelt [1]. In wöchentlichen Abständen wurden die Citalopram-Plasmaspiegel bestimmt und die klinische Verbesserung mithilfe der Hamilton Depression Rating Scale, 17-Item-Version (HAMD-17), beurteilt. Patienten, die nach sieben Behandlungstagen einen Citalopram-Plasmaspiegel von ≥50 ng/ml hatten, verbesserten sich mehr (p≤0,019) und hatten einen signifikant kürzeren Klinikaufenthalt (p=0,033) als Patienten mit einem Spiegel von weniger als 50 ng/ml nach sieben Behandlungstagen. In der Gruppe der Patienten mit höheren Plasmaspiegeln traten weniger unerwünschte Wirkungen auf als bei Patienten mit niedrigen Spiegeln (p=0,02).

Therapeutische Plasmaspiegelkontrollen (therapeutic drug-monitoring, TDM) werden insbesondere bei Wirkstoffen mit geringer therapeutische Breite empfohlen, um die Behandlung zu optimieren und Intoxikationen zu vermeiden. Während therapeutische Plasmaspiegelkontrollen bei der Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva häufiger vorgenommen werden, sind Plasmaspiegelmessungen bei selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) wie Fluoxetin, Paroxetin oder Citalopram selten und werden nur gelegentlich bei Non-Response, vermuteter Non-Compliance oder Unverträglichkeit unter niedrigen Dosen durchgeführt.

Eine Schwierigkeit des therapeutischen Drug-Monitorings bei SSRI liegt darin, dass bisher nur ungenaue Vorstellungen über die Höhe wirksamer Plasmaspiegel bestehen. Neuere Untersuchungen sprechen dafür, dass die SSRI die besten klinischen Effekte haben, wenn wenigstens 80% der striatalen Serotonin-Transporter besetzt sind [2]. Um 80% der Transporterproteine mit Citalopram zu besetzen, waren in dieser Studie Citalopram-Plasmaspiegel von wenigstens 50 ng/ml erforderlich.

Studiendesign

In der vorliegenden Studie wurde die Hypothese geprüft, dass sich Patienten mit einem Citalopram-Plasmaspiegel von ≥50 ng/ml in der frühen Behandlungsphase deutlicher und schneller bessern als Patienten mit Spiegeln <50 ng/ml. Die vorliegenden Ergebnisse beruhen auf der Teilauswertung einer Studie, in der der klinische und ökonomische Nutzen des TDM bei der Therapie mit neuen und älteren Antidepressiva unter naturalistischen Bedingungen untersucht wurde.

Eingeschlossen wurden Patienten, die mit einer Depression nach ICD-10 in die Psychiatrischen Universitätskliniken Mainz und Bonn und in das Bezirksklinikum Gabersee in Wasserburg/Inn aufgenommen wurden. Ausschlusskriterien waren unter anderen Substanzabhängigkeit, Zwangserkrankung und eine Kurzzeitbehandlung im Rahmen einer Krisenintervention.

Die Behandlung erfolgte unter naturalistischen Bedingungen, es gab also keine Vorschriften zur Aufdosierung von Citalopram (empfohlener Dosisbereich: 20 bis 60 mg/Tag). Die gleichzeitige Behandlung mit anderen Medikamenten war erlaubt, ausgenommen waren jedoch zusätzliche Antidepressiva und die Anwendung von Augmentationsstrategien.

Die Beobachtungszeit war auf maximal zehn Wochen angesetzt. Die Visiten fanden nach dem Einschluss in wöchentlichen Abständen statt. Da ab Woche 6 mehr als 50% der Patienten aus der Klinik entlassen waren, wurden für die Analyse nur die Daten der ersten fünf Wochen herangezogen. Fehlende Werte wurden aus der letzten Messung ergänzt („Last observation carried forward“-Auswertung). Blutproben zur Bestimmung der Plasmakonzentration wurden morgens, wenigstens 12 Stunden nach Einnahme der letzten Dosis entnommen (Eliminationshalbwertszeit von Citalopram: 33 Stunden). Eine Woche nach Einschluss wurden die Patienten in die Hochspiegelgruppe (≥50 ng/ml) und die Niedrigspiegelgruppe (<50 ng/ml) unterteilt.

Zielparameter der vorliegenden Auswertung waren unter anderen der Verlauf des HAMD-17-Gesamtscores ab Einschluss und die prozentuale Änderung des HAMD-17-Gesamtscores ab Einschluss, jeweils nach Woche 5.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen 64 Patienten der Studie Citalopram in Monotherapie ein, von denen 55 ausgewertet werden konnten (28 weibliche und 27 männliche Patienten).

Hohe Spiegel (Medianwert: 64 ng/ml; Bereich: 52–112 ng/ml) wurden nach einer Behandlungswoche bei 19 Patienten und niedrige Spiegel (Medianwert: 31 ng/ml; Bereich: 10–48 ng/ml) bei 36 Patienten gemessen. Die demographischen und klinischen Daten beider Gruppen unterschieden sich nicht.

Der mittlere HAMD-Score bei Einschluss lag jeweils bei 24 Punkten.

In Abbildung 1 ist der zeitliche Verlauf des HAMD-Gesamtscores vom Einschluss bis Woche 5 dargestellt. Die Hochspiegelgruppe hatte bei jeder Visite signifikant niedrigere Scores als die Niedrigspiegelgruppe.

Abb. 1. Zeitlicher Verlauf des HAMD-17-Gesamtscores bei Patienten mit hohem (≥50 ng/ml) oder niedrigem (<50 ng/ml) Citalopram-Plasmaspiegel nach sieben Behandlungstagen [1]

Ebenso war die prozentuale Reduktion der HAMD-Scores in der Hochspiegelgruppe zu jeder Zeit der Studie signifikant größer als in der Niedrigspiegelgruppe (p≤0,019).

Die Patienten mit höherem Spiegel hatten einen um drei Wochen kürzeren Krankenhausaufenthalt als die Gruppe der Patienten mit niedrigem Spiegel (p=0,033).

Die Citalopram-Plasmaspiegel waren in der Niedrigspiegelgruppe nicht nur nach Woche 1, sondern zu jedem Zeitpunkt der Studie signifikant niedriger als in der Hochspiegelgruppe (p≤0,006).

Unerwünschte Wirkungen traten in der Hochspiegelgruppe nicht häufiger, sondern eher seltener auf als in der Gruppe mit niedrigen Spiegeln (p=0,02). Keine Nebenwirkungen berichteten 50% vs. 17% der Patienten, leichte Nebenwirkungen 50% vs. 72% und mäßige Nebenwirkungen 0% vs. 11%, jeweils hohe Spiegel vs. niedrige Spiegel.

Trotz niedriger Kohortenstärken fanden die Autoren die Ergebnisse überzeugend und empfehlen aus medizinischen Gründen und Kostengründen in der Anfangsphase der Behandlung die Durchführung therapeutischer Plasmaspiegelkontrollen, um die Pharmakotherapie zu optimieren.

Kommentar

Obwohl Citalopram im empfohlenen Dosierungsbereich (20–60 mg/Tag) eingesetzt wurde, waren niedrige Spiegel keine Ausnahmen. Vielmehr hatte die Mehrzahl (nahezu 2/3) dieser stationären Patienten niedrige Plasmaspiegel.

Es ist zu vermuten, dass bei ambulanter Behandlung in der psychiatrischen Praxis eher vorsichtiger dosiert wird als in der Fachklinik. Niedrige Plasmaspiegel dürften bei diesen Patienten daher wenigstens ebenso häufig vorkommen wie bei den hier beschriebenen stationären Patienten. Die Empfehlung einer frühzeitigen therapeutischen Spiegelkontrolle sollte daher auch für ambulante Patienten gelten.

Die gute Verträglichkeit höherer Citalopram-Plasmaspiegel könnte zu einer zügigen Aufdosierung ermutigen. In der vorliegenden Studie wurden die behandelnden Ärzte auf niedrige Spiegel bei ihren Patienten hingewiesen und gebeten, die Dosis zu steigern. Wie die bis zum Studienende konstant niedrigen Spiegel dieser Gruppe zeigen, wurden die Dosen dennoch nicht nennenswert erhöht.

Quellen

1. Ostad Haji E, et al. Association between citalopram serum levels and clinical improvement of patients with major depression. J Clin Psychopharmacol 2011;31:281–6.

2. Meyer JH, et al. Serotonin transporter occupancy of five selective serotonin reuptake inhibitors at different doses: an [11C]DASB positron emission tomography study. Am J Psychiatry 2004;161:826–35.

Die Psychopharmakotherapie im Internet:

Psychopharmakotherapie 2011; 18(06)