Akute Manie

Antipsychotika signifikant wirksamer als Stimmungsstabilisierer


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Mit der Methode der Multiple-Treatments-Metaanalyse (MTM) wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit verschiedener Antipsychotika und Stimmungsstabilisierer in Studien zur Behandlung der akuten Manie miteinander verglichen. Dazu wurden Daten aus 68 randomisierten kontrollierten Untersuchungen ausgewertet. Ziel der Analyse war es, eine Rangfolge der Wirksamkeit und Verträglichkeit der geprüften Substanzen zu erstellen. Verglichen mit einer Plazebo-Behandlung war Haloperidol am wirksamsten, gefolgt von Risperidon, Olanzapin und Lithium. Dagegen waren Gabapentin, Lamotrigin und Topiramat nicht wirksamer als Plazebo. Olanzapin, Risperidon und Quetiapin führten zu signifikant weniger Studienabbrüchen als Lithium, Lamotrigin, Topiramat, Gabapentin und Plazebo.

Zur Akutbehandlung der Manie werden hauptsächlich Antipsychotika, aber auch Lithium, Valproinsäure und gelegentlich auch andere Stimmungsstabilisierer eingesetzt. In klinischen Studien waren diese Substanzen wirksamer als Plazebo. Bisher gab es jedoch noch keine Versuche, diese Substanzen nach ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit zu ordnen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, unter Verwendung der MTM die in klinischen Studien geprüften Therapien vergleichend zu bewerten. Die MTM erlaubt die simultane Analyse mehrerer verschiedener Interventionen in einer Metaanalyse und die Zusammenfassung von Daten aus direkten und indirekten Vergleichen.

Methoden

In verschiedenen Literaturdatenbanken (unter anderen Medline, Embase, PsycINFO) wurde nach Studien recherchiert, die zwischen dem 1. Januar 1980 und 25. November 2010 publiziert worden waren. Ausgewertet wurden Doppelblindstudien, in denen in einer therapeutischen Dosis oral verabreichte antimanische Substanzen miteinander und/oder mit Plazebo verglichen wurden. Auch Kombinations- und Augmentationsstudien wurden eingeschlossen. Sowohl feste als auch flexible Dosen waren erlaubt.

Die Patienten waren weiblich oder männlich, 18 Jahre und älter und hatten die Diagnose einer Bipolar-I-Störung (manische oder gemischte Episode). Akutbehandlung war definiert als 3-wöchige Behandlung. Primäre Messparameter zur Beurteilung der Wirksamkeit und Verträglichkeit waren die Änderung des Scores auf der Young Mania Rating Scale und die Abbruchrate als Kriterium der Behandlungsakzeptanz. Behandlungsabbruch war definiert als vorzeitige Beendigung der Studie innerhalb der 3-wöchigen Behandlungszeit unabhängig vom Grund des Abbruchs.

Die Qualität der Studien wurde mit der Cochrane-Biasrisiko-Methode und der Einfluss des Sponsors auf die Studiendaten mit einer Meta-Regressionsanalyse beurteilt.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 68 Studien mit folgenden Substanzen in die Analyse eingeschlossen: Aripiprazol, Asenapin, Carbamazepin, Gabapentin, Haloperidol, Lamotrigin, Lithium, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Topiramat, Valproinsäure and Ziprasidon. Die Daten von Risperidon und seinem Metaboliten Paliperidon wurden zusammen ausgewertet.

Die meisten Studien (54 von 68) waren zweiarmig, die übrigen waren dreiarmig, meist mit Haloperidol als aktive Vergleichssubstanz. Siebzehn Studien hatten ein Kombinationsdesign. In ihnen wurde die Prüfsubstanz meist zusammen mit Lithium oder Valproinsäure gegeben. Die Wirksamkeit wurde aus den Daten von 63 Studien und die Verträglichkeit aus denen von 65 Studien analysiert. Im Mittel befanden sich 105,7 (7–458) Patienten in jedem Behandlungsarm. In den meisten Studien hatten die Patienten mäßige bis schwere manische Symptome. Daher wurden 76% der Untersuchungen (52 von 68) stationär in Kliniken durchgeführt. Insgesamt wurde die Studienqualität als gut beurteilt.

Im direkten Vergleich waren alle antimanischen Therapien mit Ausnahme von Topiramat und Gabapentin signifikant wirksamer als Plazebo. Im Direktvergleich zeigte Haloperidol am häufigsten signifikante Unterschiede zu anderen aktiven Substanzen, nicht zuletzt, weil es sehr häufig als aktive Vergleichssubstanz eingesetzt wurde. In der Multiple-Treatments-Metaanalyse war Haloperidol signifikant wirksamer als Lithium, Quetiapin, Aripiprazol, Carbamazepin, Asenapin, Valproinsäure, Ziprasidon, Lamotrigin, Topiramat und Gabapentin (geordnet nach zunehmender Differenz der Effektstärken). Risperidon und Olanzapin waren signifikant wirksamer als Valproinsäure, Ziprasidon, Lamotrigin, Topiramat und Gabapentin.

Die Analyse der Behandlungsakzeptanz zeigte unter anderem eine signifikante Unterlegenheit von Haloperidol gegenüber Risperidon und Olanzapin, von Lithium gegenüber Olanzapin, Risperidon und Quetiapin und von Topiramat gegenüber fast allen anderen antimanischen Therapien. Abbildung 1 zeigt eine Rangordnung der Therapien auf der Basis der Gesamtanalyse von Wirksamkeit und Behandlungsakzeptanz.

Abb. 1. Substanzen, geordnet nach ihrer möglichen Eignung als antimanische Therapie im Hinblick auf Wirksamkeit und Behandlungsakzeptanz (bestimmt anhand der Abbruchrate). Wiedergegeben ist der Beitrag beider Parameter zur Gesamtbeurteilung. Der maximale Gesamtscore beträgt 100 Punkte, zusammengesetzt aus den Scores für Wirksamkeit und Behandlungsakzeptanz mit jeweils maximal 50 Punkten.

Danach sind Haloperidol, Risperidon und Olanzapin die wirksamsten Therapien und Olanzapin, Risperidon und Quetiapin die verträglichsten.

Die Beurteilung der Wirksamkeit war in den Studien, die vom Hersteller gesponsert wurden, etwas höher als in anderen, jedoch scheint die Behandlungsakzeptanz in diesen Studien eher unterschätzt worden zu sein.

Die Autoren sind der Ansicht, dass die vorliegenden Ergebnisse von klinischer Bedeutung sind und bei der Entwicklung von Behandlungsrichtlinien berücksichtigt werden sollten.

Kommentar

Bei aller Vorsicht gegenüber Resultaten von Metaanalysen scheinen die Hauptaussagen der vorliegenden Auswertung plausibel zu sein. So ist allgemein bekannt, dass die neueren Antiepileptika (wie Topiramat, Gabapentin, Lamotrigin) eine sehr geringe Wirksamkeit in der Akutbehandlung der Manie haben und dass die Antipsychotika dafür die geeigneteren Substanzen sind. Weiterhin wird von vielen behandelnden Ärzten angenommen, dass Haloperidol ein sehr wirksames Mittel ist, das allerdings wegen der relativ häufig auftretenden extrapyramidal-motorischen Störungen weniger verträglich ist als neuere Antipsychotika. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass Haloperidol sehr oft in hohen Dosen (bis 30 mg) eingesetzt wird, was zu einer geringeren Verträglichkeit führen könnte. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit niedriger Dosen (<10 mg) ist noch nicht systematisch untersucht. Insgesamt dürften die hier vorgelegten Daten der Behandlungspraxis in vielen europäischen Kliniken entsprechen und mit den Empfehlungen forschender Psychiater weitgehend übereinstimmen.

Quelle

Cipriani A, et al. Comparative efficacy and acceptability of antimanic drugs in acute mania: a multiple-treatments meta-analysis. Lancet 2011; 378:1306–15 (Epub August 17,2011).

Kommentar

Die vorgestellte Metaanalyse ist eine sehr gute Entscheidungshilfe bei der Auswahl eines antimanischen Wirkstoffs in der Akuttherapie. In der gleichen Analyse werden sowohl die Wirksamkeit der Substanzen als auch die Akzeptanz durch die Patienten berücksichtigt. Hierdurch werden der theoretische Nutzen und die klinische Wirklichkeit in Beziehung gestellt. Dies führt zu einer klinisch interessanten Bewertung, bei der zwischen den Polen Wirksamkeit und Akzeptanz eine differenzierte Auswahl der Einzelwirkstoffe getroffen werden kann. Interessanterweise bildet das vorgestellte Ergebnis die klinische Verschreibungspraxis recht gut ab.

Gleichwohl wird die Aussagekraft der Studie durch folgende Punkte eingeschränkt: 1. Es können nur Aussagen zur Akutbehandlung getroffen werden; 2. eine individuelle Wirkstoffauswahl wird durch diese Studie nicht ersetzt; 3. grundsätzlich können die 68 Einzelstudien nicht direkt miteinander verglichen werden, da sie auf verschiedenen Grundgesamtheiten beruhen, und 4. führt die verwendete Methode dazu, dass Wirkstoffe mit höherer Studienanzahl besser abschneiden.

Priv.-Doz. Dr. med. Harald Scherk, Osnabrück

Kommentar

Gleichwohl wird die Aussagekraft der Studie durch folgende Punkte eingeschränkt: 1. Es können nur Aussagen zur Akutbehandlung getroffen werden; 2. eine individuelle Wirkstoffauswahl wird durch diese Studie nicht ersetzt; 3. grundsätzlich können die 68 Einzelstudien nicht direkt miteinander verglichen werden, da sie auf verschiedenen Grundgesamtheiten beruhen, und 4. führt die verwendete Methode dazu, dass Wirkstoffe mit höherer Studienanzahl besser abschneiden.

Priv.-Doz. Dr. med. Harald Scherk, Osnabrück

Psychopharmakotherapie 2011; 18(06)