Komplexes regionales Schmerzsyndrom

Schmerzlinderung durch intravenöse Immunglobuline?


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Eine kleine randomisierte Cross-over-Studie zeigt, dass intrvanöse Immunglobuline möglicherweise bei der Behandlung des chronischen komplex-regionalen Schmerzsyndroms wirksam sind.

Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS), früher als sympathische Reflexdystrophie oder Morbus Sudeck benannt, ist eine schmerzhafte Erkrankung mit ausgeprägten autonomen Störungen, meist posttraumatischer Natur. Unterteilt wird das komplexe regionale Schmerzsyndrom in den Typ 1 ohne und den Typ 2 mit Gewebeverletzung oder Läsionen von nervalen Strukturen. Ganz im Vordergrund stehen die Schmerzen. Besteht das Syndrom länger als sechs Monate, dann spricht man von einem chronischen CRPS.

Es gibt inzwischen eine Reihe von Hinweisen, dass beim chronischen CRPS immunologische und entzündliche Vorgänge eine wichtige Rolle spielen. Daher entschlossen sich die Autoren aus England, eine Pilotstudie zum Einsatz von hochdosierten intravenösen Immunglobulinen durchzuführen. Es handelt sich um eine randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Cross-over-Studie. Eingeschlossen wurden Personen, die ihre Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 10 mit mehr als 4 bewerteten und die seit 6 bis 30 Monaten unter einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom litten, das bis dahin therapierefraktär war. Die Patienten erhielten entweder eine Infusion mit 0,5 g/kg Körpergewicht intravenösen Immunglobulinen oder physiologische Kochsalzlösung. Nach einer Pause von mindestens 28 Tagen wurde die jeweils andere Therapie durchgeführt. Der primäre Endpunkt war die Schmerzintensität 6 bis 19 Tage nach der jeweiligen Behandlung.

13 Patienten nahmen an der Studie teil, von denen 12 die Studie beendeten. Das mittlere Alter betrug 41 Jahre und zehn der Patienten waren Frauen. Die mittlere Krankheitsdauer betrug 19 Monate. Alle Patienten hatten das Vollbild eines chronischen regionalen Schmerzsyndroms mit Allodynie, Hyperalgesie, veränderter Hauttemperatur, Ödemen, trophischen Störungen und Paresen.

Die mittlere Schmerzintensität zu Beginn der Studie betrug 8. Sie verbesserte sich um 1,55 Einheiten unter Immunglobulinen und blieb nach Kochsalzlösung weitgehend unverändert. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Bei drei Patienten reduzierte sich die Schmerzintensität nach Immunglobulinen um mehr als 50%. Bei zwei Patienten traten unter der Immunglobulin-Behandlung Kopfschmerzen auf.

Kommentar

Die Autoren haben einen ausgesprochen interessanten Ansatz zur Behandlung des chronischen regionalen Schmerzsyndroms gewählt. Das Ergebnis erscheint glaubhaft, da Patienten mit sehr langer Behandlungsdauer gewählt wurden, bei denen praktisch keine Spontanfluktuation mehr zu erwarten ist. Wie bei kleinen Patientenzahlen notwendig, haben die Untersucher ein Cross-over-Design gewählt. Hier zeigte nur die Gabe von Immunglobulinen eine Wirkung. Kritisch muss angemerkt werden, dass die Verbesserung um 1,55 Punkte bei einem Ausgangswert von 8 Punkten relativ gering ist. Weiterhin ist kritisch anzumerken, dass die Immunglobuline nur einmalig und in einer relativ geringen Dosis appliziert wurden. Dies ist allerdings mit dem Konzept einer kleinen Phase-II-Studie zu vereinbaren. Jetzt wäre interessant, dieses Konzept in einer größeren randomisierten Studie mit wiederholter Gabe von Immunglobulinen in höheren Dosierungen zu validieren. Noch interessanter wäre allerdings der Einsatz von Immunglobulinen in der Phase, in der das komplexe regionale Schmerzsyndrom zu chronifizieren droht, nämlich nach einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten.

Quellen

Goebel A, et al. Intravenous immunoglobulin treatment of the complex regional pain syndrome: a randomized trial. Ann Intern Med 2010; 152:152–8.

Psychopharmakotherapie 2010; 17(03)