Absencen-Epilepsie des Kindesalters

Ethosuximid vor Valproinsäure und Lamotrigin


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei der Behandlung von Absencen-Epilepsien des Kindesalters zeigten Ethosuximid und Valproinsäure eine größere Wirksamkeit als die neuere Substanz Lamotrigin. Ethosuximid war dabei mit weniger Aufmerksamkeitsstörungen verbunden als Valproinsäure.

Die kindliche Absencen-Epilepsie macht etwa 10 bis 17% aller in der Kindheit auftretenden Epilepsieerkrankungen aus. Sie beginnt meistens zwischen dem fünften und neunten Lebensjahr. Unbehandelt treten täglich zahlreiche Absencen auf, insbesondere in den Morgenstunden und bei Müdigkeit, ansonsten sind die Kinder meist völlig unauffällig. Das klassische Elektroenzephalogramm (EEG) zeigt bei normaler Grundaktivität während der Absencen ein regelmäßiges Muster mit pro Sekunde dreimal hintereinander auftretenden Spitzen und langsamen Wellen, das als Spike-wave-Muster bezeichnet wird. Die Remissionsraten sind bei dieser Erkrankung, die fälschlicherweise oft als gut zu behandeln eingestuft wird, recht unterschiedlich. Betroffene Kinder leiden häufig an kognitiven Störungen und haben langfristig psychosoziale Schwierigkeiten.

Als initiale Monotherapie bei der kindlichen Absencen-Epilepsie wird eine von drei Substanzen empfohlen: Ethosuximid (z.B. Petnidan®), Valproinsäure (z.B. Ergenyl®) oder Lamotrigin (z.B. Lamictal®). Bekannt sind Unterschiede bezüglich der Nebenwirkungen und Interaktionen, doch bislang gab es keine evidenzbasierten Studien, die die Wirksamkeit der drei Substanzen verglichen.

Studienziel und -design

In einer doppelblinden, randomisierten Studie wurden Wirksamkeit, Verträglichkeit und neuropsychologische Effekte von Ethosuximid, Valproinsäure und Lamotrigin verglichen, um eine optimale initiale empirische Monotherapie für die Absencen-Epilepsie des Kindesalters zu bestimmen. Durchgeführt wurde die kontrollierte Studie an 32 Zentren in den Vereinigten Staaten. Die Probanden waren zwischen 2,5 und 13 Jahre alt und an einer neu diagnostizierten kindlichen Absencen-Epilepsie (nach der International League Against Epilepsy classification of epilepsy syndromes) erkrankt, die noch nicht therapiert worden war. Die 453 Studienteilnehmer wurden zwischen Juli 2004 und Oktober 2007 randomisiert einem der drei Medikationsarme zugeteilt:

  • Ethosuximid-Gruppe (n=156)
  • Lamotrigin-Gruppe (n=149)
  • Valproinsäure-Gruppe (n=148)

Die Dosierungen der Arzneistoffe wurden über einen Zeitraum von 16 Wochen alle ein bis zwei Wochen schrittweise erhöht, bis das Kind anfallsfrei war oder dosislimitierende Nebenwirkungen auftraten. Patienten, die in Woche 16 nicht anfallsfrei waren und noch nicht die maximal erlaubte oder maximal verträgliche Dosis erreicht hatten, erhielten die Medikation noch für weitere 4 Wochen, wobei eine weitere Erhöhung der Dosis erlaubt war. Die maximale Tagesdosis betrug für Ethosuximid und Valproinsäure 60 mg/kg, für Lamotrigin 12 mg/kg, insgesamt pro Tag aber nicht mehr als 2000 mg Ethosuximid, 600 mg Lamotrigin oder 3000 mg Valproinsäure.

Primäres Studienergebnis war die Freiheit von Therapieversagen in Woche 16 oder 20. Der Anfallstatus wurde mithilfe von klinischen Berichten der Eltern, einem Hyperventilationstest und einem einstündigen Video-EEG bestimmt.

Therapieversagen war definiert als das Fortdauern von Absencen in Woche 16 beziehungsweise Woche 20, das Auftreten eines generalisierten tonisch-klonischen Anfalls, übermäßige systemische Toxizität in Verbindnung mit der Studienmedikation, dosisbegrenzende Toxizität sowie der Wunsch der Eltern oder Ärzte, die Studienmedikation abzubrechen.

Sekundäres Studienergebnis war das Auftreten von Aufmerksamkeitsstörungen, die mithilfe standardisierter, neurologischer, verbaler sowie Gedächtnis- und Verhaltenstests (The Conners’ continuous performance test) ermittelt wurden. Schwellenwert war ein Konfidenz-Index von 0,60 (das heißt 60%ige Wahrscheinlichkeit, dass eine klinisch signifikante Aufmerksamkeitsstörung vorliegt).

Studienergebnis

In Woche 16 oder 20 waren mehr Kinder aus der Ethosuximid- und der Valproinsäure-Gruppe anfallsfrei als aus der Lamotrigin-Gruppe. Die Raten für die Freiheit von Therapieversagen fielen für Ethosuximid (53%) und Valproinsäure (58%) vergleichbar aus, sie waren beide höher als die Raten für Lamotrigin (29%) (Tab. 1, Abb. 1).

Tab. 1. Vergleich von Ethosuximid, Valproinsäure und Lamotrigin bezüglich des primären Endpunkts Freiheit von Therapieversagen nach Woche 16 oder 20

Odds-Ratio

95%-Konfidenzintervall

p-Wert

Valproinsäure versus Ethosuximid

1,26

0,80–1,98

0,35

Ethosuximid versus Lamotrigin

2,66

1,65–4,28

<0,001

Valproinsäure versus Lamotrigin

3,34

2,06–5,42

<0,001

Abb. 1. Kaplan-Meier-Kurven für die Freiheit von Therapieversagen (definiert als das Fortdauern von Absencen in Woche 16 oder 20, das Auftreten eines generalisierten, tonisch-klonischen Anfalls, Toxizität oder der Wunsch von Eltern oder Ärzten, die Studienmedikation abzubrechen) [nach Glauser et al. 2010].

Die häufigsten Gründe für Therapieversagen waren ungenügende Anfallskontrolle (n=109) und nichttolerable Nebenwirkungen (n=97). Die meisten Kinder, bei denen die Anfälle weiter auftraten, waren in der Lamotrigin-Gruppe (n=69). Signifikante Unterschiede zwischen den drei Gruppen im Hinblick auf Therapieversagen aufgrund von Nebenwirkungen wurden nicht festgestellt.

In die Analyse des sekundären Endpunkts wurden die Ergebnisse der Tests in Woche 16 und 20 von insgesamt 316 der ursprünglich 453 randomisierten Probanden eingeschlossen.

Aufmerksamkeitsstörungen traten unter Valproinsäure bei 49% der Kinder und damit deutlich häufiger auf als unter Ethosuximid (33%) und Lamotrigin (24%).

Fazit

Nach den Ergebnissen der vorliegenden Studie ist Ethosuximid unter Berücksichtigung von Anfallskontrolle und Aufmerksamkeitsstörungen eine sinnvolle Wahl für die initiale Monotherapie bei kindlicher Absencen-Epilepsie. Im Vergleich zu Valproinsäure und Lamotrigin, die neueren Datums sind, wurde Ethosuximid, eines der ältesten Antiepleptika, bereits in den 50er Jahren eingesetzt.

Beachtet werden sollte, dass für eine Monotherapie mit Ethosuximid eine exakte Diagnosestellung notwendig ist: es ist wirksam bei der klassischen kindlichen Absencen-Epilepsie, jedoch nicht bei kindlicher Absencen-Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen,was ein Grund dafür sein könnte, warum in der Praxis bislang häufig mit Valproinsäure oder Lamotrigin therapiert wurde.

Beunruhigend bleibt, dass trotz einer intensiven medikamentösen Therapie bei etwa 40 bis 70% der Kinder weiterhin Anfälle auftraten – ein weiterer Hinweis darauf, dass Absencen-Epilepsien doch nicht so leicht zu behandeln sind, wie häufig angenommen wird.

Quellen

Glauser TA, et al. Ethosuximide, valproic acid, and lamotrigine in childhood absence epilepsy. N Engl J Med 2010;362:790–9.

Vining EPG. Ethosuximide in childhood absence epilepsy – older and better. N Engl J Med 2010;362:843–5.

Psychopharmakotherapie 2010; 17(03)