Akutbehandlung der Depression

Quetiapin wirkt in der Monotherapie


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Das Antipsychotikum Quetiapin ist in Deutschland auch zur Akutbehandlung manischer und depressiver Episoden im Rahmen einer bipolaren Störung zugelassen. In einer Phase-III-Studie wurden Patienten mit einer Major Depression 6 Wochen doppelblind mit zwei festen Dosen von Quetiapin-Retardtabletten, mit Duloxetin oder Plazebo behandelt. Beide Dosen von Quetiapin (150 mg/d und 300 mg/d) waren der Plazebo-Behandlung signifikant überlegen und ebenso wirksam wie Duloxetin. Signifikante Unterschiede zu Plazebo traten unter Quetiapin bereits nach einer Woche auf.

Neuere (atypische) Antipsychotika zur Behandlung von Episoden einer Major Depression wurden in doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studien bisher nur als Augmentation einer Antidepressiva-Therapie untersucht. Dies ist die erste größere Doppelblindstudie, in der Patienten mit einer Major Depression (MD) mit einem Antipsychotikum in Monotherapie behandelt wurden.

Quetiapin beeinflusst mehrere Neurotransmittersysteme. Die Substanz ist unter anderem ein moderater Antagonist von Dopamin-D2- und Serotonin- 5-HT2A-Rezeptoren. Der Hauptmetabolit Norquetiapin hemmt die Noradrenalin-Wiederaufnahme. Insbesondere die Blockade der 5-HT2A-Rezeptoren und des Noradrenalintransporters könnte zur antidepressiven Wirksamkeit von Quetiapin beitragen.

Studiendesign

Primäres Ziel der vorliegenden doppelblinden 4-armigen Studie war der Vergleich der Wirksamkeit und Verträglichkeit zweier Quetiapin-Dosen (Quetiapin-Retardtabletten; Seroquel® Prolong) mit Plazebo. Ein Duloxetin-Arm diente als Kontrolle des Studiendesigns.

Insgesamt wurden 612 ambulante Patienten (18–65 Jahre) mit einer Episode einer MD (erstmalig oder rezidivierend) eingeschlossen. Sie erhielten 150 mg/d Quetiapin (n=152), 300 mg/d Quetiapin (n=152), 60 mg/d Duloxetin (n=151) oder Plazebo (n=157).

Die Studie wurde von April 2006 bis Mai 2007 in 38 Zentren der Vereinigten Staaten durchgeführt. Sie bestand aus der Screening-Phase, der 6-wöchigen Behandlungsphase und der 2-wöchigen Follow-up-Phase. Klinische Beurteilungen wurden bei Einschluss und nach 1, 2, 4 und 6 Wochen vorgenommen.

Einschlusskriterien waren unter anderen:

  • Diagnose einer MD nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Auflage (DSM-IV),
  • Score von ≥22 auf der Hamilton Rating Scale for Depression, 17-Item-Version (HAMD-17)
  • Score von ≥2 im Item 2 der HAMD-17 (depressive Stimmung)

Ausschlusskriterien waren unter anderen:

  • Andere psychische Erkrankungen in den letzten 6 Monaten
  • Psychotische Merkmale in der jetzigen Episode
  • Akute Episode kürzer als 4 Wochen und/oder länger als 12 Monate
  • Therapieresistente Depression

Die Studienmedikation wurde einmal täglich eingenommen. Die Quetiapin-Behandlung wurde in beiden Armen mit 150 mg/d begonnen. In der 300-mg-Gruppe wurde die Dosis nach 3 Tagen auf die Zieldosis erhöht. Die Duloxetin-Behandlung wurde mit 60 mg/d begonnen.

Der primäre Wirksamkeitsparameter war die mittlere Änderung des MADRS-Scores vom Einschluss bis zum Endpunkt. Weitere Wirksamkeitsuntersuchungen waren unter anderen:

MADRS-Score an den Beurteilungsbesuchen (Wochen 1, 2, 4 und 6)

MADRS-Responder (≥50% Reduktion des Scores bei Einschluss)

MADRS-Remitter (Gesamtscore ≤8)

Verbessungen auf der Clinical Global Impression Scale, Teile Verbesserung (CGI-I) und Schweregrad der Erkrankung (CGI-S)

Beurteilung der Schlafqualität

Ergebnisse

Der Anteil der Patienten, der die 6-wöchige Behandlung abschloss, lag zwischen 65,8% (150 mg/d Quetiapin) und 79% (Plazebo).

Nach Woche 6 war der mittlere MADRS-Gesamtscore im Vergleich zu Plazebo unter beiden Quetiapin-Dosen und unter Duloxetin signifikant reduziert (Abb. 1). Verglichen mit Plazebo trat eine signifikante Abnahme des Scores unter beiden Quetiapin-Dosen – nicht aber unter Duloxetin – bereits nach der ersten Behandlungswoche auf.

Abb. 1. Abnahme des mittleren MADRS-Scores nach Einschluss bis zum Ende der Therapie bzw. Woche 6 (LOCF-Auswertung) unter Quetiapin (150 bzw. 300 mg/d), Duloxetin (60 mg/d) und Plazebo

Die Unterschiede zu Plazebo betrugen am Endpunkt der Studie für Quetiapin 3,63 (150 mg/d) und 4,11 Punkte (300 mg/d).

Auch der HAMD-Gesamtscore war nach Woche 6 in den Gruppen mit aktiver Behandlung gegenüber Plazebo signifikant verbessert. Die Differenzen zu Plazebo betrugen für Quetiapin 2,86 (150 mg/d) und 3,76 Punke (300 mg/d).

Der Anteil der MADRS-Responder war unter beiden Quetiapin-Dosen (54,4% bzw. 55,1%) und unter Duloxetin (49,6%) signifikant höher als unter Plazebo (36,2%).

Die Remissionsraten waren unter 300 mg/d Quetiapin (32,0%) und Duloxetin (31,9%) signifikant höher als unter der Plazebo-Behandlung (20,4%). Unter 150 mg/d Quetiapin (26,5%) war die Differenz nicht signifikant.

Signifikante Verbesserungen unter den drei aktiven Behandlungen gegenüber Plazebo traten auch im CGI-I und CGI-S auf.

Die Schlafqualität war nur in den Quetiapin-Gruppen signifikant verbessert.

Verträglichkeit. Die häufigsten unerwünschten Ereignissen unter Quetiapin waren Mundtrockenheit, Sedierung und Somnolenz (24,3–38,8%). Unter Duloxetin waren es Übelkeit (36,2%) und Insomnie (14,8%).

Einen vorzeitigen Abbruch der Studie wegen unerwünschter Ereignisse gab es bei 19,7% (150 mg/d Quetiapin), 15,2% (300 mg/d Quetiapin), 13,1% (Duloxetin) und 4,5% der Patienten (Plazebo).

Unerwünschte Ereignisse, die mit extrapyramidal-motorischen Störungen (EPMS) in Verbindung gebracht wurden, traten unter Quetiapin bei 4,6% bzw. 5,3% (150 mg/d bzw. 300 mg/d) und unter Duloxetin bei 8,1% der Patienten auf. Unter Plazebo berichteten 3,2% der Patienten Ereignisse wie Akathisie, Dyskinesie, Tremor, Unruhe oder psychomotorische Hyperaktivität.

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden nicht berichtet.

Nach Ansicht der Autoren zeigt diese Studie, dass Quetiapin in der Kurzzeitbehandlung von Episoden einer MD wirksam und gut verträglich ist.

Kommentar

In der vorliegenden Kurzzeitstudie hat sich Quetiapin als mögliche alternative Therapie zu den etablierten Antidepressiva ausgewiesen. Das zeigt nicht nur der Vergleich mit Duloxetin, auch wenn dieser Vergleich in der Studie nicht geplant war. Quetiapin – insbesondere die Dosis von 300 mg – war ebenso wirksam wie das Antidepressivum, und es war zudem gut wirksam. Das zeigen die Unterschiede zu Plazebo von 4,11 Punkten im MADRS-Score und von 3,76 Punkten im HAMD-Score. Das ist die Größenordnung der Effekte von Antidepressiva, die von der EMEA und der FDA zugelassen wurden. Auch die Verträglichkeit, beurteilt anhand der Abbruchrate wegen unerwünschter Ereignisse, erscheint sowohl mit Duloxetin als auch mit anderen Antidepressiva in Studien mit ähnlichem Design vergleichbar. Besonders auffallend war die geringe Inzidenz extrapyramidal-motorischer Nebenwirkungen, sexueller Dysfunktionen (Plazebo-Niveau) und von Schlafstörungen.

Diese ersten Ergebnisse mit Quetiapin in diesem Anwendungsgebiet sind vielversprechend und man darf auf weitere Daten aus Akutstudien und auch aus Langzeitstudien gespannt sein.

Quelle

Cutler AJ, et al. Extended release quetiapine fumarate monotherapy in major depressive disorder: a placebo- and duloxetine-controlled study. J Clin Psychiatry 2009;70:526–39.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(05)