Erstepisode Schizophrenie

Kognitive Effekte von Haloperidol und neueren Antipsychotika gleich


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

In einer randomisierten offenen Studie mit Patienten, die in ihrer ersten schizophrenen Episode waren oder eine schizoaffektive Störung hatten, führte die Behandlung mit Antipsychotika zu mäßigen Verbesserungen bei der Durchführung kognitiver Tests. Der Umfang der Verbesserungen zwischen der Behandlung mit Haloperidol und neueren (atypischen) Antipsychotika unterschied sich nicht.

Nach der Entwicklung neuerer Substanzen wurde die Untersuchung kognitiver Effekte von Antipsychotika intensiviert, da verschiedentlich angenommen wurde, dass neue Wirkungsmechanismen auch zu einer Verbesserung kognitiver Effekte führen könnten. Die Ergebnisse einzelner Studien und auch die Metaanalysen zu Vergleichen zwischen neueren und älteren Antipsychotika waren allerdings uneinheitlich.

In den Studien, in denen die neueren Substanzen eine Überlegenheit gegenüber den älteren zeigten, waren die Unterschiede eher gering. Nach Meinung der Autoren der vorliegenden Studie war in einigen der Untersuchungen die Fallzahl zu gering, die statistischen Analysemethoden waren nicht vorgeplant und das Ergebnis beeinflussende Störgrößen wurden nicht berücksichtigt. Weiterhin wurden oftmals hohe Haloperidol-Dosen untersucht. Dies könnte zu motorischen Störungen und zu einer gesteigerten Anwendung anticholinerger, also kognitiv beeinträchtigender Substanzen geführt und so die atypischen Antipsychotika begünstigt haben.

In einer neueren umfangreichen Studie (CATIE) zeigten sich keine Unterschiede in den kognitiven Effekten von Perphenazin und neueren Antipsychotika. Auch zu dieser Studie führen die Autoren mögliche Schwächen an. So wurden chronisch kranke Patienten eingeschlossen, die weniger von möglichen prokognitiven Vorteilen der neueren Antipsychotika profitieren könnten als Erstepisode-Patienten. Weiterhin sei Perphenazin kein typisches älteres Antipsychotikum, da es einige Eigenschaften neuerer Substanzen habe.

Studiendesign

Im Design ihrer Studie wollten die Autoren mögliche Schwächen vorausgegangener Untersuchungen vermeiden.

Die kognitiven Tests wurden im Rahmen der Studie „European First Episode Schizophrenia Trial (EUFEST)“ durchgeführt. Primäres Studienziel war der Vergleich der Wirksamkeit von Haloperidol mit der neuerer Antipsychotika (Amisulprid, Olanzapin, Quetiapin und Ziprasidon). Der primäre Wirksamkeitsparameter war die Zeit bis zum Abbruch der jeweiligen Therapie. Der vorliegende Vergleich der Effekte der Substanzen auf die kognitive Leistung der Patienten war eines der sekundären Studienziele.

Insgesamt wurden 498 Patienten zwischen 18 und 40 Jahren mit der Diagnose (DSM-IV) einer Schizophrenie, einer schizoaffektiven oder schizophreniformen Störung in die randomisierte offene Studie eingeschlossen. Die Studie wurde von 50 Zentren in 13 europäischen Staaten und Israel zwischen Dezember 2002 und Januar 2006 durchgeführt.

Einschlusskriterien:

  • Beginn der Psychose in letzter Zeit (<2 Jahre)
  • <2 Wochen Behandlung mit einem Antipsychotikum innerhalb des letzten Jahres
  • <6 Wochen antipsychotische Behandlung insgesamt.

Die Patienten wurden randomisiert einer offenen Behandlungen mit folgenden Antipsychotika zugeteilt: 1–4 mg/d Haloperidol (n=103), 200–800 mg/d Amisulprid (n=104), 5–20 mg/d Olanzapin (n=105), 200–750 mg/d Quetiapin (n=104), 40–160 mg/d Ziprasidon (n=82; Ziprasidon war nicht in allen Ländern erhältlich). Der behandelnde Arzt konnte die Dosis im vorgegebenen Rahmen selbst festlegen. Die mittleren gegebenen Dosen waren: 2,5 mg/d Haloperidol, 455 mg/d Amisulprid, 12 mg/d Olanzapin, 458 mg/d Quetiapin und 98 mg/d Ziprasidon.

Die zusätzliche Gabe von Stimmungsstabilisierern, Benzodiazepinen, Antidepressiva und Anticholinergika war erlaubt.

Die folgenden fünf kognitiven Tests wurden verwendet:

Rey Auditory Verbal Learning Test (Leistung des Kurzzeitgedächtnisses)

Trail Making Test, Teil A und Teil B (Erfassen komplexer visueller Verbindungen, motorische Schnelligkeit, Fähigkeit zu Strategieänderungen)

Purdue Pegboard Test (motorische Schnelligkeit und Koordination)

Digit Symbol Coding; Teil von WAIS-III (u.a. visuell-motorische Fähigkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeit, Konzentration, visuelles Kurzzeitgedächtnis)

Die Tests wurden bei Einschluss durchgeführt und nach 6 Monaten wiederholt. Der aus den Ergebnissen aller 5 Tests zusammengesetzte Score war der Wert, der in die statistische Analyse einging.

Von den 498 randomisierten Patienten wurden 212 wegen fehlender Baseline-Daten oder einer zu geringen Anzahl absolvierter Tests (≤ 2) von der Analyse ausgeschlossen. Es handelte sich dabei um Patienten mit geringerer Ausbildung und schlechteren Ergebnissen in den Tests.

Ergebnisse

Die Änderung im zusammengesetzten Score vom Einschluss bis zum Monat 6 zeigte in jeder der fünf Behandlungsgruppen eine Verbesserung (in jeder Gruppe p<0,001). Es gab keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen in den zusammengesetzten Scores (p=0,69) und in den einzelnen Tests (p>0,11).

Auch die Effekte von Haloperidol und die zusammengefasste Ergebnisse der vier neueren Antipsychotika unterschieden sich nicht signifikant. Weiterhin unterschieden sich die Änderungen in den zusammengesetzten Scores der Patienten, die während der Zeit vom Einschluss bis zur Abschlussbeurteilung nach 6 Monaten anticholinerg behandelt wurden (n=53), nicht von denen der übrigen Patienten.

Ein schlechteres Testergebnis bei der Eingangsuntersuchung war ein Prädiktor für ein besseres Abschneiden nach 6 Wochen.

Die Verbesserungen insgesamt wurden von den Autoren als mäßig eingestuft.

Kommentar

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie ergänzen diejenigen der CATIE-Studie mit Perphenazin, in die auch länger erkrankte schizophrene Patienten eingeschlossen wurden. Unabhängig von der Erkrankungsdauer unterschieden sich die kognitiven Effekte der neueren Antipsychotika nicht von denen der älteren Substanzen und sie unterschieden sich auch nicht untereinander. Die kognitiven Effekte sind danach kein Selektionskriterium für die Auswahl eines geeigneten Antipsychotikums.

Leider lassen die Ergebnisse der vorliegenden Studie nicht darauf schließen, welche Konsequenzen die gezeigten Verbesserungen für die Patienten auf deren Lebensqualität, Compliance (und damit Behandlungserfolg) oder Krankheitsbewältigung haben oder haben könnten.

Insgesamt werden die Verbesserungen als mäßig beurteilt. Daraus könnte man schließen, dass sie zwar statistisch signifikant, aber möglicherweise klinisch wenig relevant waren.

Es bleibt auch offen, welcher Anteil der gefundenen Verbesserungen der Wirkung der Substanzen zugeordnet werden kann und wie viel davon Trainingseffekt war.

Die Autoren diskutieren, dass ein Abstand von 6 Monaten zwischen erstem Test und Wiederholung relativ lang ist, so dass zumindest ein Teil der Verbesserungen auf die Substanzen zurückgehen könne.

Diese Überlegungen lassen darauf schließen, dass die Autoren die kognitiven Effekte der untersuchten Substanzen tatsächlich für recht gering halten.

Quelle

Davidson M, et al. Cognitive effects of antipsychotic drugs in first-episode schizophrenia and schizophreniform disorder: a randomized, open-label clinical trial (EUFEST). Am J Psychiatry 2009;166:675–82.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(05)