Grand-Mal-Anfall unter Bupropion, Fluspirilen, Amitriptylin, Cyproteronacetat und Schlafentzug


Dominik Dabbert, Manfred Feldmann und Martin Heinze, Bremen

Das prokonvulsive Risiko von Bupropion ist gut bekannt. Wir berichten in der vorliegenden Arbeit über einen Fall, bei dem es unter einer Kombinationstherapie von Bupropion, Amitriptylin, Fluspirilen, Cyproteronacetat sowie als Risikofaktor Schlafentzug zu einem Gelegenheits-Grand-Mal-Anfall kam. Dieser Fall weist auf das Risiko von Kombinationstherapien sowohl auf der pharmakokinetischen als auch auf der pharmakodynamischen Ebene hin.
Schlüsselwörter: Epileptischer Anfall, Interaktion, Bupropion, Amitriptylin, Fluspirilen
Psychopharmakotherapie 2009;16:218–9.

Fallbericht

Wir berichten über einen Fall aus dem AMSP(Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie)-Meldesystem, einem Erfassungs- und Bewertungsprojekt für unerwünschte Arzneimittelwirkungen in Europa, vornehmlich im deutschsprachigen Raum [3].

Der 29-jährige Patient kam im Anschluss an einen fremdbeobachteten Grand-Mal-Anfall in unsere stationäre Behandlung. Der Rettungsdienst beschrieb eine postiktale Reorientierungsphase, ein Zungenbiss wurde beobachtet, postiktal war der Prolactinspiegel mit 33,62 µg/l erhöht. Der Patient gab an, an einer Depression sowie an einer Achromatopsie erkrankt zu sein. Bei ihm war bis dato kein Krampfanfall aufgetreten, bei Nachverfolgung ein Jahr nach dem beschriebenen Ereignis war kein weiterer erfolgt. Der Patient berichtete weiter, dass er in der Nacht zuvor nur drei Stunden geschlafen habe und zudem eine Medikationsumstellung in den Wochen davor aufgrund einer Verschlechterung der vorbestehenden depressiven Symptomatik notwendig gewesen sei. Er werde seit längerem mit Amitriptylin 400 mg/Tag behandelt, seit einigen Wochen erhalte er zusätzlich 2 ml Imap® (=4 mg Fluspirilen) i. m. wöchentlich und seit etwa 14 Tagen vor dem Ereignis nehme er zusätzlich Elontril® (Bupropion) 150 mg/Tag ein. Zusätzlich werde er mit Androcur® (Cyproteronacetat) behandelt. Ein Rauchstopp sei vor vier Wochen erfolgt.

Das EEG erbrachte einen erhöhten Anteil langsamer Frequenzen als Ausdruck einer leichten diffusen Hirnfunktionsstörung. Ein Herd oder epilepsietypische Muster konnten nicht beschrieben werden. Im Labor fand sich bis auf die erhöhte Prolactin-Konzentration keine Auffälligkeit, in der körperlichen Untersuchung imponierte neben dem Zungenbiss und der postiktalen Dämmerung lediglich eine Adipositas.

Am Folgetag verließ der Patient das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat. Bei Kontaktaufnahme ein Jahr später berichtete er von einem MRT des Kopfes, welches unauffällig geblieben sei. Darüber hinaus sei im Verlauf lediglich eine depressive Dekompensation, jedoch keine weitere Komplikation aufgetreten. Er wurde ein Jahr nach dem Ereignis lediglich mit Venlafaxin behandelt.

Diskussion

Wir gehen von einem Gelegenheitskrampfanfall bei Senkung der Krampfschwelle aus. Diese ist vermutlich sowohl durch den Schlafentzug als auch durch die psychiatrische Medikation gesenkt worden.

Für die prokonvulsive Wirkung werden in der Literatur die antihistaminischen, antimuskarinischen und lokalanästhetischen Eigenschaften betont [2]. Das Risiko für iktale Ereignisse unter älteren Antidepressiva ist dosisabhängig, wobei Doxepin die geringste und Amitriptylin die höchste prokonvulsive Wirkung zu haben scheint [1]. Die Amitriptylin-Gabe führt bereits in therapeutischer Dosierung zu einer Senkung der Krampfschwelle [7], bei einer Dosierung von 400 mg/Tag ist ebenfalls davon auszugehen.

Es ist denkbar, dass die Krampfschwelle additiv durch die Fluspirilen-Gabe gesenkt worden ist. Der Patient gab an, seit sieben Wochen einmal wöchentlich Fluspirilen erhalten zu haben. In der Fachinformation ist außerdem die Erhöhung des Blutspiegels trizyklischer Antidepressiva durch Fluspirilen beschrieben [6].

Zusätzlich ist in diesem Fall die seit 14 Tagen vor dem Ereignis begonnene Bupropion-Gabe als kausal bedeutsam anzusehen. In der Literatur wird angegeben, dass Bupropion das Risiko für das Auftreten epileptischer Anfälle auf etwa das Fünffache der Spontaninzidenz von 0,08% erhöht [4, 5]. Insbesondere wird bei Risikofaktoren wie einer Komedikation auf das epileptogene Potenzial hingewiesen. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass Bupropion über eine Hemmung des Cytochrom-P450-Isoenzyms 2D6 in der Leber die Plasmakonzentration von Amitriptylin und Fluspirilen erhöht hat [8].

Im beschriebenen Fall waren bis zum Ereignis keine Hinweise auf ein erhöhtes Krampfanfallrisiko bekannt. Da die erfolgte Abklärung inklusive MRT und EEG ohne Befund blieb und im Follow-up von einem Jahr unter veränderter Medikation kein weiterer Grand-Mal-Anfall berichtet wurde, gehen wir von einem Gelegenheitsanfall bei pharmakodynamisch und pharmakokinetisch begründbarer Interaktion und zusätzlichem Schlafentzug aus. Dieser Fall weist auf die notwendige Sensibilisierung für das pharmakokinetische und pharmakodynamische Interaktionspotenzial bei Polypharmazie hin, wobei das Risiko für epileptische Anfälle unter antidepressiver Behandlung insgesamt eher überschätzt wird.

Literatur

1. Bazire S. Psychotropic drug directory. Salisbury: Fivepin, 2005:218–21.

2. Dailey JW, Naritoku DK. Antidepressants and seizures: clinical anecdotes overshadow neuroscience. Biochem Pharmacol 1996;52:1323–9.

3. Degner D, Grohmann R, Kropp S, Rüther E, et al. Severe adverse drug reactions of antidepressants: Results of the German Multicenter Drug Surveillance Program AMSP. Pharmacopsychiatry 2004;37(Suppl 1):S39–45.

4. Ganz M, Schmutz R. Anfallsinduktion durch Psychopharmaka? Neurologie 2008;2:25–7.

5. Fachinformation Elontril®: Stand September 2008.

6. Fachinformation Imap®: Stand März 2008.

7. Fachinformation Saroten®: Stand März 2008.

8. Faucette SR, Hawke RL, Lecluyse EL, Shord SS, et al. Validation of bupropion hydroxylation as a selective marker of human cytochrome P450-2B6 catalytic activity. Drug Metab Dispos 2000;28:1222–30.

Dr. med. Dominik Dabbert, Priv.-Doz. Dr. med. Martin Heinze, Klinikum Bremen-Ost, Psychiatrische Behandlungszentren Mitte und West, Züricher Str. 40, 28325 Bremen, E-Mail: dominik.dabbert@klinikum-bremen-ost.de Dr. med. Manfred Feldmann, Klinikum Bremen-Ost, Neurologische Klinik, Züricher Str. 40, 28325 Bremen

Case report: Epileptic seizure following treatment with bupropion, amitriptylin and fluspirilene

We report a case of epileptic seizure following treatment with bupropion, amitriptylin and fluspirilene. The first and so far only epileptic seizure in a 29-year-old patient may caused by a lack of sleep, a pharmacokinetic and a pharmacodynamic interaction. This case emphasizes the increased risk of polypharmacy.

Keywords: Seizures, interaction, bupropion, amitriptyline, fluspirilene

Psychopharmakotherapie 2009; 16(05)