Fortgeschrittenes Parkinson-Syndrom

Therapeutische Maßnahmen bei Wirkungsfluktuationen


Reimund Freye, Baden-Baden

Treten beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) Wirkungsfluktuationen trotz einer optimierten oralen Medikation auf, kann der Neurologe auf verschiedene Pumpensysteme oder die tiefe Hirnstimulation zurückgreifen. In einer Übergangsphase können Off-Zeiten mit der subkutanen Gabe von Apomorphin als Bedarfsmedikation effizient behandelt werden. Experten diskutierten auf dem Parkinson-Kongress in Marburg diese Optionen.

Schon nach wenigen Jahren der Erkrankung treten oft Wirkungsfluktuationen auf, die oral-medikamentös nicht mehr zu beherrschen sind. Dann steht mit dem Apomorphin-Pen (APO-go® Pen) eine Intervention bei Bedarf zur Verfügung. Ein gut unterrichteter Patient, der gelernt hat Off-Phasen rechtzeitig zu erkennen, kann sie damit schnell durchbrechen.

Der Pen ist indiziert bei Komplikationen mit einer geringeren Frequenz von bis zu fünf Off-Phasen am Tag. Durch das schnelle Anfluten von Apomorphin kann innerhalb von 5 bis 10 Minuten die Beweglichkeit wieder hergerstellt werden. Die invasiveren Verfahren wie Pumpensysteme und tiefe Hirnstimulation (THS) werden in diesem Stadium meist abgelehnt.

Eine Voraussetzung ist ein gutes Ansprechen auf Levodopa. Das Führen eines On-Off-Tagebuchs kann hilfreich sein. Der orthostatische Blutdruck sollte ebenso überprüft werden wie EKG, Blutbild und Enzym- und Nierenfunktionswerte. Wichtig ist, dass der Patient selbst oder sein soziales Umfeld in der Lage ist, die Indikation für eine Pen-Anwendung zu erkennen und diesen richtig zu handhaben. Dazu bedarf es einer entsprechenden Schulung.

Um der häufigsten Nebenwirkung des Apomorphins, nämlich Übelkeit, entgegenzuwirken, sollte der Patient vor Einleitung der Apomorphin-Therapie mit einem Vorlauf von drei Tagen Domperidon (z.B. Motilium®) 3-mal 20 mg/Tag erhalten.

Für jeden Patienten muss individuell die Schwellendosis des Apomorphins gefunden werden. Begonnen wird in einer Praxistestung mit einer Einzeldosis von 1 mg. Effekte sieht der Arzt oftmals bei 3 mg. Zeigt der Patient bei 7 mg keine Response, sind weitere Versuche meist nicht sinnvoll.

Um eventuellen Regressen wirksam vorzubeugen, ist eine akkurate Dokumentation der Indikation dieser Behandlung anzuraten. Ferner sollte bei der Quartalsabrechnung die Behandlung von Parkinsonpatienten im fortgeschrittenen Stadium als „Praxisbesonderheit“ deklariert werden.

Pumpen und THS bei starken Wirkungsschwankungen

Nehmen im weiteren Krankheitsverlauf die Wirkungsschwankungen und Dyskinesien zu, können die Apomorphin-Pumpe (APO-go®) oder die Levodopa-Carbidopa-Gel-Pumpe (Duodopa®) sowie die THS zu einer Minderung der Symptome führen.

Apomorphin-Pumpe und THS liegen in Bezug auf Off-Zeiten und Dyskinesien ungefähr gleich auf. Die Pumpe hat Vorteile bei der Sicherheit, die THS ist leichter zu bedienen und verfügt über eine bessere Datenlage. Die Apomorphin-Pumpe kann aber auch dann eingesetzt werden, wenn eine THS nicht durchführbar ist, etwa aufgrund des Operationsrisikos, des Alters oder gravierender neuropsychiatrischer Störungen wie Depression oder Demenz.

Beim Vergleich der Apomorphin-Pumpe mit der Levodopa-Carbidopa-Gel-Pumpe muss, da keine direkten Vergleichsstudien vorliegen, aus den vorliegenden Einzeldaten geschlussfolgert werden. Die Effekte bezüglich Off-Zeit und Dyskinesien sind bei beiden Systemen sehr ähnlich, mit jeweils leichten Vorteilen für die duodenale Levodopa-Applikation. Bei den nichtmotorischen Komponenten des IPS zeigt das Apomorphin-System signifikante Wirkungen auf depressive Störungen.

Die Apomorphin-Pumpe ist durch die subkutane Verabreichung ohne operativen Eingriff einfach testbar und vergleichsweise gut verträglich.

Mit der ab Mai 2009 zur Verfügung stehenden Apomorphin-Fertigspritze wird die Handhabung wesentlich vereinfacht. Sie beinhaltet eine gebrauchsfertig vorverdünnte Lösung, die über einen Adapter direkt in die Pumpe überführt und sofort verwendet werden kann. Der Entstehung von subkutanen Noduli am Infusionsort kann durch tägliches Wechseln der Einstichstelle und eine gute Injektionshygiene vorgebeugt werden.

Die häufigsten Probleme bei der duodenalen Levodopa-Therapie sind technische Störungen an der Infusionsausstattung, ebenso können Sondendislokationen oder Stomainfektionen auftreten. Die Apomorphin-Pumpe ist weniger invasiv und weniger kostenaufwendig.

Eine Zusammenfassung der Empfehlungen der DGN-Leitlinien für die invasive Parkinson-Therapie zeigt Tabelle 1.

Tab. 1. DGN-Leitlinien Empfehlungen für invasive Parkinson-Therapie

Kriterium

APO-go®1

Duodopa®2

THS3

Alter <70 Jahre

++

++

++

Alter >70 Jahre

+

++

Leichte bis mäßige Demenz

+

++*

Schwere Demenz (MME <10)

+**

+**

– – –

Tremor (pharmakoresistent)

+++

Medikamentös induzierte Psychose

+

++

++

Testbarkeit des Verfahrens

+++

+

– – –

Unabhängigkeit des Patienten

++

+

+++

Bedienbarkeit durch Patienten

+

0

Betreuungsumfeld nicht vorhanden

– –

– –

+

Vermeidung chirurgischer Komplikationen

0

– – –

1 Apomorphin-Ampullen (10 mg/ml)/Apomorphin-Fertigspritzen (5 mg/ml) zur kontinuierlichen Infusion

2 Levodopa-Carbidopa-Gel (20 mg/5 mg pro ml) zur intestinalen Anwendung über eine Intraduodenalsonde

3 Tiefe Hirnstimulation

+++ sehr gut geeignet, ++ gut geeignet, + mäßig geeignet, – nicht geeignet/unvorteilhaft, – – sehr ungeeignet/relative Kontraindikation, – – – absolut ungeeignet/strenge Kontraindikation, 0 unzutreffend/keine Angabe; * bei Neigung zu Psychosen, ** Einzelfallentscheidung: cave bei Agitiertheit

Quelle

Dr. med. Gottfried Schwartz, Hamburg, Prof. Dr. med. Rüdiger Hilker, Frankfurt/M., Prof. Dr.med. Per Odin, Bremerhaven, Satellitensymposium „Praktisches zur Therapie des fortgeschrittenen M. Parkinson“, veranstaltet von Cephalon im Rahmen des 7. Deutschen Parkinsonkongresses, Marburg, 5. März 2009.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(03)