Entzündliche Nervenerkrankung

Prednisolon bei der peripheren Facialisparese wirksam


Prof. Hans Christoph Diener, Essen

In einer randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie war die Gabe von Prednisolon bei der peripheren Facialisparese wirksam. Valaciclovir verbesserte die Prognose nicht.

Bei der peripheren Facialisparese kommt es zu einer einseitigen Schwäche der mimischen Gesichtsmuskulatur. Die Häufigkeit dieser entzündlichen Erkrankung der VII. Hirnnerven liegt bei 30 pro 100000. Bei etwa 70% der Patienten bilden sich die Symptome innerhalb von sechs Monaten ohne spezifische Therapie vollständig zurück. Bei den übrigen 30% kommt es nur zu einer partiellen Rückbildung mit zum Teil sehr unangenehmen Langzeitfolgen wie einer Keratitis durch den behinderten Lidschluss.

Eine derzeit gängige Hypothese ist, dass es sich bei der peripheren Facialisparese um die Reaktivierung einer Herpesinfektion handeln könnte. Daher wurde in einer großen internationalen Studie die Wirksamkeit des Virustatikums Valaciclovir untersucht. In Analogie zur Neuritis vestibularis, bei der Prednisolon wirksam ist, wurde auch Prednisolon untersucht.

Es handelt sich um eine randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte, multizentrische Studie, in die Patienten im Alter zwischen 18 und 75 Jahren eingeschlossen wurden, bei denen eine periphere Facialisparese vorlag. Diese durfte nicht länger als 72 Stunden bestehen. Die Studie dauerte von Mai 2001 bis September 2006. Die Patienten wurden in vier Gruppen eingeteilt:

  • Plazebo plus Plazebo (n=206)
  • Prednisolon plus Plazebo (n=210); die Prednisolon-Behandlung wurde für fünf Tage mit 60 mg/Tag durchgeführt, dann wurde die Dosis täglich um 10 mg reduziert
  • Valaciclovir plus Plazebo (n=207); die Valaciclovir-Dosis betrug dreimal täglich 1000 mg für sieben Tage
  • Kombination von Prednisolon (10 Tage) und Valaciclovir (7 Tage) (n=206)

Die Patienten wurden über 12 Monate weiter verfolgt. Der primäre Endpunkt der Studie war die Zeit bis zu einer vollständigen Wiederherstellung der mimischen Facialisfunktion.

829 Patienten schlossen die Studie ab. Die Zeit bis zur vollständigen Besserung war bei den 416 Patienten, die Prednisolon erhielten, signifikant kürzer als bei den 413 Patienten, die kein Prednisolon erhielten (Hazard-Ratio = 1,40; p<0,001). Die Zeit bis zur vollständigen Wiederherstellung betrug im Schnitt 75 Tage in der Prednisolon-Gruppe, 104 Tage in der Plazebo-Gruppe und 135 Tage in der Valaciclovir-Gruppe. Entsprechend ergab sich auch kein signifikanter Unterschied zwischen den Patienten, die Valaciclovir erhielten, und denjenigen, die die Substanz nicht erhielten.

Kommentar

Diese sehr große und gut durchgeführte Studie zeigt eindeutig, dass durch die Gabe von Prednisolon die Rückbildung einer peripheren Facialisparese positiv beeinflusst werden kann. Genauso eindeutig zeigt die Studie, dass ein Virustatikum in ausreichender Dosis und ausreichender Behandlungsdauer unwirksam ist, so dass praktisch auszuschließen ist, dass Herpesviren einen Zusammenhang mit der peripheren Facialisparese haben. Auch die Kombination des Virustatikums mit Prednisolon war nicht wirksamer als eine Prednisolon-Therapie allein. Dieses Ergebnis zeigte sich auch bei der Behandlung der Neuritis vestibularis.

Ein wichtiges Nebenergebnis war, dass sich bei 8% der Patienten eine Borrelieninfektion nachweisen ließ, die dann erfolgreich antibiotisch behandelt wurde.

Quelle

Engström M, et al. Prednisolone and valaciclovir in Bell’s palsy: a randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre trial. Lancet Neurol 2008;7:993–1000.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(03)