Kardiale Nebenwirkungen bei Therapie mit Ziprasidon und Olanzapin


Ein naturalistischer Vergleich

Markus Opgen-Rhein, Rainer Opgen-Rhein, Michael Riedel und Norbert Müller, München

Ein plötzlicher exzessiver Anstieg oder eine kritisch verlängerte QTc-Zeit kann mit malignen Herzrhythmusstörungen, Torsades de Pointes und plötzlichem Herztod assoziiert sein. Unter den atypischen Antipsychotika wurde eine Verlängerung der QTc-Zeit vor allem bei Sertindol und Ziprasidon beschrieben und kritisch diskutiert. Zur Einschätzung der klinischen Relevanz wurde eine Vergleichsuntersuchung von Ziprasidon und Olanzapin, welches nur einen geringen Einfluss auf die QTc-Zeit hat, unter naturalistischen Bedingungen vorgenommen. Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden die elektrokardiographischen Aufzeichnungen von 71 Patienten, die in Hinblick auf Kombinationstherapien und Begleitmedikation keinen Einschränkungen unterlagen, vermessen. 61 Patienten wurden nicht monotherapeutisch behandelt. Mit Ziprasidon behandelte Patienten wiesen eine signifikant längere QTc-Zeit gegenüber den Olanzapin-behandelten Patienten auf. Es zeigte sich allerdings kein Unterschied zwischen Ziprasidon und Olanzapin in Hinblick auf das Auftreten eines verlängerten QTc-Intervalls (QTc-Intervall > 440 ms). Eine Verlängerung des QTc-Intervalls wurde vor allem bei Frauen und im höheren Lebensalter beobachtet. In keinem Fall wurden maligne Herzrhythmusstörungen beobachtet. Vor der Verordnung eines Antipsychotikums sollte das individuelle Risikoprofil des Patienten in Hinblick auf die zu erwartenden Nebenwirkungen berücksichtigt werden.
Schlüsselwörter: QTc-Zeit, Olanzapin, Ziprasidon
Psychopharmakotherapie 2008;15:61–6.

Atypische Antipsychotika stellen heute bei der Behandlung der Schizophrenie die Therapie der ersten Wahl dar. Dies ist der besseren Verträglichkeit der atypischen Antipsychotika, besonders in Hinblick auf extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen, zu verdanken. Allerdings traten in den letzten Jahren andere unerwünschte Wirkungen stärker in den Fokus des Interesses, dazu gehören Gewichtszunahme [17], Hyperglykämie [14, 16], metabolisches Syndrom [12] und kardiale Nebenwirkungen [10]. Eine therapieassoziierte Verlängerung des QT-Intervalls im Oberflächen-EKG kann bei exzessiver Verlängerung in Einzelfällen zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen vom Typ der Torsade de Pointes und zum plötzlichen Herztod führen [5]. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Antipsychotikum Thioridazin das höchste Risiko für eine verlängerte QTc-Zeit aufweist [6], aber auch für Pimozid [7], Sertindol [3, 19] und Ziprasidon [5, 6] wurden Verlängerungen der QTc-Zeit beschrieben.

In Zulassungsstudien zeigte sich unter Therapie mit Ziprasidon eine Verlängerung des QTc-Intervalls von 20,3 ms gegenüber dem Ausgangswert [4], während in anderen Therapiestudien das Ausmaß der QT-Verlängerung mit 6 bis 11 ms geringer ausfiel [9]. Obwohl bis heute kein Fall von Torsade de Pointes beschrieben wurde, der durch atypische Antipsychotika ausgelöst wurde, wird dieses Risiko immer wieder als Argument gegen die Verschreibung dieser Antipsychotika angeführt. In einer retrospektiven naturalistischen Studie vergleichen wir die Auswirkungen der Einnahme von Ziprasidon beziehungsweise Olanzapin auf die QTc-Zeit, wobei die Komedikation keinen Einschränkungen unterlag.

Physiologische Grundlagen

Die QT-Zeit im EKG ist definiert als Intervall zwischen Beginn des QRS-Komplexes (repräsentiert die Ventrikeldepolarisation) und dem Ende der T-Welle (ST-Zeit, repräsentiert die Ventrikelrepolarisation). Die Depolarisation wird durch einen raschen Einstrom von Natriumionen durch selektive Natriumkanäle ausgelöst. An der Repolarisierung sind Natrium-, Calcium-, und Kaliumionen beteiligt. Eine zentrale Rolle spielt der Ausstrom von Kaliumionen aus der Zelle durch den Rapid-Rectifier-Kaliumkanal (IKr) und den Slow-Rectifier-Kaliumkanal (IKs). Der meist an einer medikamenteninduzierten QTc-Zeitverlängerung beteiligte Kaliumkanal ist der Rapid-Rectifier-Kaliumkanal (IKr) [2]. Medikamente, die den IKr-Kanal blockieren, können Torsade de Pointes und plötzlichen Herztod bei scheinbar gesunden Erwachsenen auslösen [20].

Aufgrund der Frequenzabhängigkeit der myokardialen Erregungsrückbildung (die Repolarisationsdauer verkürzt sich mit zunehmender Herzfrequenz und nimmt bei langsamer Frequenz zu) muss eine Frequenzkorrektur des gemessenen QT-Werts erfolgen, um eine Vergleichbarkeit der Werte bei unterschiedlicher Herzfrequenz zu gewährleisten [13]. Hierzu wird die QTc-Zeit als frequenzkorrigierte QT-Zeit, meist mit Hilfe der Bazett-Formel (QTc = QT/√RR) berechnet. Eine Verlängerung der QTc-Zeit liegt – unter Außerachtlassung geschlechtsspezifischer Unterschiede – vor, wenn die QTc-Zeit 440 ms überschreitet. Für die QTc-Zeit existieren jedoch keine gesicherten Grenzwerte. Die QTc-Zeit ist kein statischer Wert, sie unterliegt verschiedensten Einflussfaktoren (Tab. 1).

Tab. 1. Risikofaktoren für Verlängerung der QTc-Zeit [1, 7, 18]

Physiologische zirkadiane Schwankungen:

Sympathikus-/Parasympathikustonus

Weibliches Geschlecht

Zunehmendes Alter

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Elektrolytveränderungen: Hypokaliämie, Hypo-

magnesiämie, Hypokalziämie

Genetische Faktoren: z. B. kongenitales LQT-Syn-

drom (LQTS)

Pharmakokinetische Faktoren: Metabolisierungs-

und Ausscheidungsstörungen

Medikamentenwechselwirkungen

Methodik

Die Studie wurde retrospektiv an stationär behandelten Patienten der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt. Die Rekrutierung erfolgte anhand Durchsicht der Krankenakten stationärer Patienten aus den Jahrgängen 2002 bis 2005. Es wurden insgesamt 71 Patienten, darunter 43 Männer und 28 Frauen eingeschlossen. Das Durchschnittsalter betrug 40,1 Jahre (Männer: 36,3 Jahre, Frauen: 46,0 Jahre). Einschlusskriterium war eine medikamentöse Therapie mit Ziprasidon oder mit Olanzapin. Die gleichzeitige Einnahme beider Medikamente war ein Ausschlusskriterium. Für die Begleitmedikation wurde keine Beschränkung auferlegt, die Zusatzmedikation wurde erfasst und dokumentiert.In die Ziprasidon-Gruppe wurden 35 Patienten eingeschlossen, 22 Männer und 13 Frauen. Das Durchschnittsalter war 37,5 Jahre (Männer: 35,5 Jahre, Frauen: 40,7 Jahre). In die Olanzapin-Gruppe wurden 36 Patienten eingeschlossen, darunter 21 Männer und 15 Frauen. Ihr Durchschnittsalter betrug 42,7 Jahre (Männer: 37,1 Jahre, Frauen: 50,5 Jahre). Altersunterschiede wurden bei der Auswertung berücksichtigt.

Die während des stationären Aufenthalts im Rahmen der klinischen Routine durchgeführten EKG-Aufzeichnungen der Patienten wurden vermessen. Die erhaltenen QTc-Zeiten wurden in Abhängigkeit von der Dosierung der Studienmedikation dokumentiert. Die Messung der QT- bzw. der QTc-Zeit erfolgte computergestützt durch ein vollautomatisches 12-Kanal-EKG-Gerät, zusätzlich wurde eine manuelle Kontrolle der gemessenen Werte durchgeführt. Die Bewertung der EKGs erfolgte durch einen in der EKG-Auswertung geübten Arzt der Klinik unter Supervision der kardiologischen Abteilung der Medizinischen Klinik Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die QTc-Zeit wurde mit Hilfe der Bazett-Formel berechnet. Insgesamt wurden 190 EKG-Aufzeichnungen dokumentiert und vermessen. Wenn vorhanden, wurde eine Baseline-Messung, das heißt eine Bestimmung der QTc-Zeit vor Einnahme von Ziprasidon bzw. Olanzapin, durchgeführt. Insgesamt konnten 40 Baseline-Messungen (Männer: 23, Frauen: 17) analysiert werden.

In der Ziprasidon-Gruppe wurden 102 EKG-Aufzeichnungen vermessen, 23 waren Baseline-Messungen (Männer: 15, Frauen: 8), 79 Messungen (Männer: 51, Frauen: 28) erfolgten unter Medikation.

In der Olanzapin-Gruppe wurden 88 EKG-Aufzeichnungen vermessen, 17 waren Baseline-Messungen (Männer: 8, Frauen: 9), 71 Messungen (Männer: 37, Frauen: 34) erfolgten unter Medikation.

Zielgröße in der Studie war die Länge der QTc-Zeit, Variablen in der Auswertung waren die Art der Medikation (keine Medikation, Ziprasidon, Olanzapin), die Dosis, das Geschlecht und das Alter der Patienten.

Die statistische Auswertung der Messergebnisse erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Statistik der Ludwig-Maximilians-Universität München. An statistischen Methoden wurden der t-Test zum Mittelwertvergleich, der Chi-Quadrat-Test und Regressionsanalysen eingesetzt.

Ergebnisse

In die statistische Auswertung wurden die Daten aller in die Studie eingeschlossener Patienten einbezogen. Die Patienten erhielten vielfach Medikamentenkombinationen, Psychopharmaka und Internistika. 33 Patienten in der Ziprasidon-Gruppe und 28 Patienten in der Olanzapin-Gruppe erhielten zumindest ein weiteres Medikament. Es wurden zunächst die Mittelwerte der QTc-Zeiten der einzelnen Gruppen berechnet und mit Hilfe des t-Tests verglichen. Anschließend wurde der Einfluss der Medikation, der Dosis, sowie des Alters und des Geschlechts der Patienten auf das mittlere QTc-Intervall statistisch untersucht.

Der Mittelwert der QTc-Zeit ohne Studienmedikation betrug 406,0 ms, und zwar 406,8 ms vor Behandlung mit Ziprasidon und 404,9 ms vor Behandlung mit Olanzapin. Die Mittelwerte beider Gruppen unterschieden sich nicht signifikant. Nach Beginn der Medikation stieg die QTc-Zeit in der Ziprasidon-Gruppe im Mittel auf 410,3 ms, die mittlere QTc-Zeit in der Olanzapin-Gruppe betrug 399,4 ms. Beide Gruppen unterschieden sich signifikant im mittleren QTc-Intervall (p = 0,001) (Tab. 2 und 3). Im Vergleich der beiden Behandlungsgruppen gegenüber dem jeweiligen Ausgangswert zeigten sich keine signifikanten Veränderungen der QTc-Zeit (Tab. 3).

Tab. 2. Mittlere QTc-Zeit der untersuchten Gruppen

Gruppe

Anzahl der Patienten

Anzahl der
EKG-Messungen

Mittelwert der
QTc-Zeit [ms]

Ziprasidon
– behandelt
– unbehandelt

35
12
23

102

79

23

409,5
410,3
406,8

Olanzapin
– behandelt
– unbehandelt

36
19
17

88

71

17

400,5
399,4
404,9

Unbehandelt

40

40

406,0

Tab. 3. t-Test: Mittelwertvergleich der verschiedenen Gruppen

Gruppe

Gruppe

t

p-Wert

Ziprasidon behandelt

Olanzapin behandelt

3,258

0,001

Ziprasidon behandelt

Ziprasidon unbehandelt

0,451

Olanzapin behandelt

Olanzapin unbehandelt

0,433

Ein QTc-Intervall, das 440 ms überschreitet, gilt als klinisch auffällig. Mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests wurde untersucht, ob das Auftreten auffälliger QTc-Zeiten abhängig von der Therapie war. Unter Medikation mit Ziprasidon ließen sich acht auffällige EKG-Aufzeichnungen bei fünf verschiedenen Patienten registrieren, unter Medikation mit Olanzapin zwei bei zwei verschiedenen Patienten. Unter Medikation mit Ziprasidon war die Zahl auffälliger EKGs (8 EKGs) höher als statistisch erwartet (5,4 EKGs); signifikant war diese Abweichung nicht (χ = p = 0,20). Es ließ sich kein Zusammenhang zwischen auffälligen QTc-Zeiten (QTc > 440 ms) und der Behandlungsmethode feststellen (Tab. 4).

Tab. 4. Anzahl der auffälligen QTc-Zeiten (erwartete Fallzahl)*; Schwellenwert > 440 ms

QTc auffällig

Ziprasidon

Olanzapin

Ausgangswert

Ja

8 (5,4)

2 (4,86)

3 (2,7)

Nein

71 (73,6)

69 (66,1)

37 (37,2)

* Annahme, dass das Auftreten erhöhter QTc-Werte unabhängig von der Behandlungsmethode ist

Im nächsten Schritt wurde der Einfluss der Dosierung von Olanzapin und Ziprasidon auf die QTc-Zeit mittels Regressionsanalyse untersucht. Die Regressionsanalyse wurde für beide Medikamente getrennt durchgeführt. Zunächst wurden die QTc-Zeiten in Abhängigkeit der Dosierung betrachtet, ohne darauf einzugehen, ob sich in der einzelnen Person eine Veränderung der QTc-Zeit mit der Dosis ergab. Für das Medikament Ziprasidon ergab sich eine äußerst geringe Abhängigkeit der QTc-Zeit von der Dosierung. In diesem Modell führte eine Dosissteigerung von 10 mg zu einer Verlängerung der QTc-Zeit um 0,497 ms. Diese Abhängigkeit für Ziprasidon lag mit einem p-Wert = 0,065 unterhalb des gesetzten Signifikanzniveaus (p = 0,05). Für Olanzapin ließ sich keine Abhängigkeit der QTc-Zeit von der Höhe der Dosierung feststellen.

Im nächsten Modell wurde die Veränderung des QTc-Intervalls, in Abhängigkeit von der Dosierung, für die einzelne Person untersucht. Es wurden nur Patienten in die Analyse miteinbezogen, bei denen mehrere Messungen der QTc-Zeit bei unterschiedlicher Dosierung vorlagen. Als Basiswert der einzelnen Person diente die QTc-Zeit ohne Studienmedikation, wenn dieser nicht verfügbar war, die QTc-Zeit unter der niedrigsten Dosierung. Es ergaben sich weder für Ziprasidon (p = 0,77), noch für Olanzapin (p = 0,126) Hinweise für eine Abhängigkeit der QTc-Zeit von der Dosierung für den einzelnen Patienten.

In der Untersuchungspopulation lagen die QTc-Zeiten der Frauen (Mittelwert: 409,16 ms) signifikant höher als die der Männer (Mittelwert: 402,58 ms) (p-Wert = 0,039). Der Einfluss des Geschlechts auf die QTc-Zeit wurde in Abhängigkeit der Medikation ausgewertet (Tab. 5).

Tab. 5. Mittelwerte der QTc-Zeiten [ms] in Abhängigkeit vom Geschlecht

Geschlecht

Ziprasidon

Olanzapin

Ausgangswert

Männlich

405,82

398,08

402,61

Weiblich

418,46

400,79

410,59

Mit Ziprasidon behandelte Frauen (Mittelwert: QTc = 418,46 ms) hatten eine signifikant längere QTc-Zeit als mit Ziprasidon behandelte Männer (Mittelwert: 405,82 ms [p = 0,011]). Ein Vergleich der QTc-Zeiten innerhalb desselben Geschlechts zeigte, dass mit Ziprasidon behandelte Frauen (Mittelwert QTc = 418,46 ms) eine signifikant höhere QTc-Zeit aufwiesen als mit Olanzapin behandelte Frauen (Mittelwert QTc = 400,79 ms [p = 0,002]). Bei Männern war dieser Unterschied nur tendenziell nachweisbar (p = 0,063). Die QTc-Zeiten mit Ziprasidon behandelter Männer (Mittelwert: 405,82 ms) lagen über denen mit Olanzapin behandelter Männer (Mittelwert: 398,08 ms). In der Ausgangsmessung war der Unterschied in der QTc-Zeit zwischen Männern und Frauen statistisch nicht signifikant (p = 0,252) (Abb. 1).

Abb. 1. QTc-Zeit in Abhängigkeit von Medikation und Geschlecht

In der Gesamtpopulation der Studie stieg die QTc-Zeit, unabhängig von der Medikation, in Abhängigkeit vom Alter der Patienten (p = 0,00338). Der Regressionskoeffizient für das Alter betrug 0,3423. Pro 10 Lebensjahre nahm das QTc-Intervall also um 3,423 ms zu. Im Folgenden wurde der Einfluss des Alters auf die QTc-Zeit getrennt für eine Medikation mit Ziprasidon und Olanzapin betrachtet. Mit Ziprasidon nahm die QTc-Zeit mit dem Alter signifikant zu (p = 0,00004). Der Regressionskoeffizient betrug 0,8. Mit Olanzapin ließ sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Alter und QTc-Zeit nachweisen (p = 0,1137).

Kasuistiken

Zur Illustration der Befunde werden zwei Kasuistiken dargestellt, die typisch für das komplexe Bedingungsgefüge zur verlängerten QTc-Zeit sind.

Patient 1: 26 Jahre, männlich. Diagnosen: paranoide Schizophrenie, lymphoblastisches T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom; Größe 170 cm, Gewicht 58 bis 65 kg.

Es wurden insgesamt vier EKGs unter einer Medikation mit Ziprasidon aufgezeichnet, ein EKG war mit einem QTc-Intervall von > 440 ms auffällig. Der Patient erhielt als Medikation Ziprasidon 80 mg, Benperidol 2 mg, Biperiden 4 mg, Diazepam 5 mg, Pantoprazol 40 mg, Allopurinol 100 mg, Pirenzepin 50 mg, Acetylcystein 600 mg und Amphotericin B 10 mg Lutschtabletten 4 Stück. Die QTc-Zeit betrug 381 ms. Nach Dosissteigerung von Ziprasidon auf 120 mg und einer Erweiterung der Medikation um Mirtazapin 30 mg und um Amitriptylin ret. 75 mg betrug die QTc-Zeit 445 ms. Die QTc-Zeit wurde im Verlauf kontrolliert und normalisierte sich unter Beibehaltung der Medikation wieder. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Ziprasidon und der einmaligen Verlängerung der QTc-Zeit über 440 ms ließ sich aufgrund der Vielzahl der eingesetzten Medikamente schwer verifizieren. Gerade auch trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin stehen im Verdacht, die QTc-Zeit zu verlängern.

Patient 2: 48 Jahre, weiblich, paranoide Schizophrenie, Hydrozephalus internus ohne Hirndruckzeichen, inkompletter Linksschenkelblock im EKG.

Die Patientin wurde mit einer Monotherapie aus Olanzapin 20 mg behandelt. Es lagen zwei EKG-Aufzeichnungen vor. Die QTc-Zeiten lagen bei 431 ms, bei einer zweiten Messung drei Wochen später bei 460 ms. Bei der Patientin lag ein inkompletter Linksschenkelblock vor, der die Beurteilbarkeit der QTc-Zeit im Oberflächen-EKG zumindest erschwerte. In diesem Fall schien ein Zusammenhang zwischen Medikation und QTc-Zeit zu bestehen. Um diesen Zusammenhang zu verifizieren wäre eine EKG-Aufzeichnung ohne Medikation nötig gewesen. Diese lag allerdings nicht vor, so dass auch hier ein ursächlicher Zusammenhang nicht nachgewiesen werden konnte.

Diskussion

In dieser Studie wurde die Auswirkung der atypischen Antipsychotika Ziprasidon und Olanzapin auf das QTc-Intervall im Oberflächen-EKG in einer naturalistischen Studie verglichen. Wir analysierten retrospektiv EKG-Aufzeichnungen von Patienten unserer Klinik. Eine psychopharmakologische Kombinationsbehandlung ist im klinischen Alltag sehr häufig. Kombinationsbehandlungen führen zu Medikamenteninteraktionen, Veränderungen in der Proteinbindung, Hemmung oder Beschleunigung der Metabolisierung. So blockieren trizyklische Antidepressiva den Natriumkanal im Myokard und verlangsamen so die Depolarisierung, sie erweitern den QRS-Komplex und verlängern das QT-Intervall [5]. Atypische Antipsychotika verlangsamen die Repolarisierung über Hemmung des Kaliumkanals IKr [8]. Es besteht die Sorge, dass sich unerwünschte Wirkungen auf das QT-Intervall addieren und so die Gefahr steigt, maligne Herzrhythmusstörungen zu entwickeln. In einer von Harrigan et al. durchgeführten Studie wurde die Auswirkung von sechs verschiedenen Antipsychotika in Monotherapie auf das QTc-Intervall in Abwesenheit und Anwesenheit eines metabolischen Inhibitors getestet. Für alle sechs getesteten Antipsychotika ließ sich in Abwesenheit und Anwesenheit eines metabolischen Inhibitors eine Verlängerung des QTc-Intervalls nachweisen. Ziprasidon führte zu einer mittleren Erhöhung der QTc-Zeit um 15,9 ms, Olanzapin zu einer mittleren Erhöhung um 1,7 ms gegenüber Baseline [6]. In unserem Patientenkollektiv führte die Medikation mit Ziprasidon zu einer Verlängerung des QTc-Intervalls im Mittel um 4,3 ms gegenüber dem mittleren QTc-Intervall der Baseline-Messungen des Gesamtkollektivs. Die Medikation mit Olanzapin führte hingegen zu einer Verkürzung des QTc-Intervalls von im Mittel 6,6 ms. Diese Abweichungen waren statistisch allerdings nicht signifikant. Es ließ sich jedoch ein signifikanter Unterschied zwischen der mit Ziprasidon und der mit Olanzapin behandelten Gruppen nachweisen (p = 0,001). Hinsichtlich des Auftretens auffälliger QTc-Werte (Schwellenwert 440 ms), die mit einem erhöhten Risiko für maligne Herzrhythmusstörungen einhergehen, unterschieden sich Ziprasidon und Olanzapin in unserer Studie nicht signifikant. Ob bei einer höheren Fallzahl der numerische Unterschied Signifikanz erreicht hätte, muss offen bleiben. Weder Olanzapin noch Ziprasidon konnte bis heute eindeutig ein Fall von Torsade de Pointes oder maligner Herzrhythmusstörungen zugeordnet werden [6]. Eine Abhängigkeit der QTc-Zeit von der Dosierung der Medikamente ließ sich in unserem Kollektiv nicht nachweisen. Der Einfluss des Geschlechts auf die QTc-Zeit – weibliches Geschlecht als Risikofaktor für ein verlängertes QTc-Inter- vall – ließ sich in unserer Patientenpopulation hingegen beobachten. Dieser Effekt war unter Behandlung mit Ziprasidon besonders ausgeprägt und statistisch signifikant. Mit Ziprasidon behandelte Frauen (Mittelwert QTc = 418,46 ms) hatten eine signifikant längere QTc-Zeit als mit Ziprasidon behandelte Männer (Mittelwert QTc = 405,82 ms [p = 0,011]).

Im Alter nimmt das QTc-Intervall zu. Es ließ sich für die Gesamtpopulation eine Verlängerung der QTc-Zeit in Abhängigkeit vom Alter nachweisen (p = 0,00338; Regressionskoeffizient = 0,3423). Bei Behandlung mit Ziprasidon war dieser Zusammenhang stärker ausgeprägt (p = 0,00004, Regressionskoeffizient = 0,8).

Antipsychotische Medikation scheint das Risiko eines plötzlichen Herztods und ventrikulärer Herzrhythmusstörungen zu erhöhen [10, 15]. Ein verlängertes QTc-Intervall ist ein Risikofaktor für das Auftreten solcher kardialer Ereignisse [11]. Ziprasidon zeigte in unserer Studie gegenüber Olanzapin einen stärkeren Effekt auf das QTc-Intervall. Neben der direkten Auswirkung der Medikation auf die QT-Zeit sollte jedoch bedacht werden, dass die Gefahr, plötzliche kardiale Ereignisse zu entwickeln, beispielsweise auch durch eine koronare Herzkrankheit erhöht wird. Risikofaktoren für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit sind unter anderem Übergewicht, Hyperglykämie und Diabetes mellitus. Olanzapin kann zu einer signifikanten Gewichtszunahme führen. Auch über eine Assoziation von Olanzapin und Hyperglykämie wird berichtet [14], desgleichen über eine erhöhte Inzidenz von Diabetes [16]. Ziprasidon scheint hingegen nicht zu einer Gewichtszunahme zu führen [17] und auch in Hinblick auf das Auftreten eines metabolischen Syndroms das geringere Risiko zu haben. Die Auswahl des geeigneten Antipsychotikums zur Behandlung einer psychischen Störung in Hinblick auf QTc-Zeitveränderungen und mögliche kardiale Ereignisse, wie plötzlicher Herztod, sollte also in Abwägung des Risikoprofils des einzelnen Patienten und des Nebenwirkungsprofils des Antipsychotikums erfolgen.

Die Aussagekraft der Studie wird limitiert durch die geringe Fallzahl. Ein weiteres Problem waren die EKG-Aufzeichnungen. Da die Untersuchung retrospektiv durchgeführt wurde, konnten nur in der klinischen Routine aufgezeichnete Kontroll-EKGs zur Auswertung herangezogen werden; nicht für alle Patienten lag eine Baseline-Messung vor, auch erfolgten die Aufzeichnungen nicht in konstanten Abständen oder bei Dosissteigerung der Medikation. Zudem divergierte die Zahl der aufgezeichneten EKGs von Patient zu Patient und zwischen den beiden Medikamentengruppen stark. Dadurch kann es zu einer Verzerrung der errechneten Ergebnisse kommen. Die multiple Zusatzmedikation, hier zur Darstellung der klinischen Realität bewusst in Kauf genommen, erschwert zusätzlich die Interpretation der Ergebnisse.

Schlussfolgerung

Der Unterschied von Ziprasidon und Olanzapin hinsichtlich einer Veränderung der QTc-Zeit war in unserer Studie gering ausgeprägt. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Applikation eines Studienmedikaments und der QTc-Zeitänderung war aufgrund der zahlreichen Begleitmedikation nur schwer herstellbar, da Medikamenteninteraktionen die Interpretation der Befunde erschwerten. Die weit verbreitete Sorge, maligne Herzrhythmusstörungen durch Gabe von Ziprasidon auszulösen, wird durch unsere Ergebnisse nicht bestärkt. Hinsichtlich der Auslösung kritischer QTc-Zeiten unterschieden sich beide Pharmaka in unserer Studienpopulation nicht signifikant. Im Einzelfall sollten Vor- und Nachteile jedes Medikaments gegeneinander abgewogen werden. Ziprasidon schien vor allem im Alter und bei Frauen die QTc-Zeit zu verlängern. Ein direkter Einfluss von Olanzapin auf die QTc-Zeit war nicht gegeben. Im klinischen Alltag sollte vor Verabreichung von Neuroleptika eine Familienanamnese zum Ausschluss eines kongenitalen LQT-Syndroms durchgeführt werden. Es sollte vor Therapiebeginn ein EKG aufgezeichnet werden, um bereits vorhandene QTc-Zeitveränderungen auszuschließen. Ebenso sollte eine Blutentnahme stattfinden, um Elektrolytveränderungen, insbesondere eine Hypokaliämie zu erkennen. Ziel einer medikamentösen Therapie sollte eine psychopharmakologische Monotherapie sein, diese ist aber in der Klinik nicht immer realisierbar. In der Kombinationsbehandlung scheinen sich Ziprasidon und Olanzapin hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das EKG nur gering zu unterscheiden.

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Markus Opgen-Rhein, Dr. med. Michael Riedel, Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Norbert Müller, Psychiatrische Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität, Nussbaumstr. 7, 80336 München, E-Mail: norbert.mueller@med.uni-muenchen.de Rainer Opgen-Rhein, Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Statistik, Akademiestraße 1, 80799 München


Cardiac adverse reactions under therapy with ziprasidone and olanzapine: a naturalistic comparison

Atypical antipsychotics are nowadays the therapy of choice in the treatment of psychiatric disorders. This is mainly due to the lower adverse reactions, especially in terms of extrapyramidal motoric side effects. However, in the last years, other adverse reactions became the focal point of interest, e.g. weight increase, hyperglycaemia, metabolic syndrome and cardiac side effects. An abrupt rise in the QTc-interval, as well as a critically prolonged QTc-interval is associated with ventricular arrhythmia, torsade de pointes and sudden death. Among the atypical antipsychotics these adverse reactions were discussed mainly for sertindole and ziprasidone. In addition to side effects of drugs, risk factors for a prolongation of QTc-intervals are (among others) female sex, older age, electrolyte changes (e.g. hypokaliaemia) and genetic factors (e.g. congenital LQT syndrome).

To assess the clinical relevance, a naturalistic comparison of ziprasidone and olanzapine, of which the latter has only a small influence on the QTc-interval, was conducted. Within a retrospective study, the ECG measurements of 71 inpatients (43 male and 28 female) were analysed. The mean age of the patients was 40.1 years. No restrictions were imposed in terms of combination therapy or comedication.

Our study revealed a sigificantly larger QTc-time of patients treated with ziprasidone compared to the group treated with olanzapine (p-value: 0.001). However, no significant difference was found for the occurrence of prolonged QTc-intervals (QTc-interval >440 ms). A longer QTc interval was mainly observed for female patients and for higher age. In the ziprasidone group, female patients (mean QTc = 418.46 ms) had a significant larger QTc interval than male patients (mean QTc = 405,82 ms, p-value = 0.011). If only female patients are taken into view, we found a significant larger QTc-interval for the patients treated with ziprasidone (mean QTc = 418.46 ms) compared to the olanzapine group (mean QTc = 400.79 ms, p-value = 0.002). For all patients, the QTc-time increased significantly with age (p-value 0.00338). Under medication of ziprasidone this age effect was highly significant (p-value 0.00004) with a regression coefficient of 0.8. For the olanzapine group, no significant relation between age and QTc-interval was found (p-value 0.1137).

Our naturalistic study revealed a stronger effect of ziprasidone compared to olanzapine on the length of the QTc-interval. Especially the risk factors “older age” and “female sex” seem to increase the effect of ziprasidone on the QTc-interval. Altogether, no significant difference of both groups was found with respect to their potential to cause critical QTc-intervals larger than 440 ms. Neither under medication of ziprasidone nor olanzapine malignant cardiac arrhythmia were observed.

Keywords: QTc interval, olanzapine, ziprasidone

Psychopharmakotherapie 2008; 15(02)