Schizophrenie

Differenzialtherapie auch unter allgemeinmedizinischen Gesichtspunkten


Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Zur Schizophrenietherapie werden heute Neuroleptika der zweiten Generation – die so genannten „Atypika“ – favorisiert. Bei der Wahl der Substanz sollte jedoch auch ihr potenziell ungünstiger Einfluss auf die physische Gesundheit berücksichtigt werden. Als diesbezüglich „neutral“ gilt Aripiprazol.

Das große Plus der modernen „Atypika“ gegenüber den etablierten „Typika“ ist ihre bessere extrapyramidal-motorische Verträglichkeit. Auf die Minusseite zu verbuchen ist dagegen ihre Tendenz, das Körpergewicht zu erhöhen oder den Lipid- und Glucosestoffwechsels zu stören (Tab. 1). Diese Nebenwirkungen gelten einzeln und mehr noch in Kombination (metabolisches Syndrom) als wesentliche Trigger der kardiovaskulären Morbidität und Letalität.

Tab. 1. Einfluss von atypischen Antipsychotika auf das Körpergewicht sowie den Lipid- und Glucosestoffwechsel [nach Agelink et al.]

Antipsychotikum

Gewicht

Diabetes mellitus

Dyslipidämie

Zotepin

xxx

D

D

Clozapin

xxx

x

x

Olanzapin

xxx

x

x

Quetiapin

xx

D

D

Risperidon

xx

D

D

Amisulprid

x

D

D

Ziprasidon

o

o

o

Aripiprazol

o

o

o

D = diskrepante Befunde, o = nicht oder sehr selten zu beobachten, x = selten, xx = gelegentlich, xxx = häufig

Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass es sich bei den „Atypika“ um eine sehr heterogene Substanzgruppe handelt, die einen differenzierten Einsatz erfordert – und erlaubt. Zu den Optionen mit niedrigem metabolischem Risiko zählt Aripiprazol (Abilify®). Die Erkenntnisse aus den Zulassungsstudien mit ihren selektierten Patientenkollektiven wurden kürzlich durch die Ergebnisse einer breit angelegten Untersuchung unter den weitaus variableren Bedingungen des klinischen Alltags bestätigt. Instrument zur Erfassung der therapeutischen Effektivität war das „Investigator Assessment Questionnaire“ (IAQ), das ein breites Spektrum von erwünschten und unerwünschten Wirkungen abdeckt.

Für die STAR-Studie (Schizophrenia trial of aripiprazole) waren in 98 Zentren in zwölf europäischen Ländern insgesamt 555 (nicht akut psychotische) Schizophreniekranke rekrutiert worden. Vorbedingung war die Notwendigkeit einer Therapiemodifikation wegen unzureichender Symptomkontrolle oder Unverträglichkeit. Die Medikation wurde offen, aber randomisiert umgestellt auf entweder Aripiprazol oder den so genannten „Standard of Care“ (Olanzapin, Quetiapin oder Risperidon).

Am Ende der sechsmonatigen Studienlaufzeit zeigte sich beim primären Endpunkt – Veränderung des IAQ-Gesamtscores – ein statistisch signifikanter Unterschied (p<0,001) zugunsten der Therapieumstellung auf Aripiprazol. Der Vorteil gegenüber den anderen Atypika zog sich relativ gleichmäßig durch alle Items (Abb. 1). Darüber hinaus war im Aripiprazol-Arm seltener ein klinisch bedeutsamer Anstieg des Körpergewichts (7% versus 21%) und/oder der Lipidwerte (Gesamtcholesterol 53% versus 70%, LDL-Cholesterol 39% versus 60%, Triglyceride 48% versus 60%) dokumentiert worden.

Abb. 1. Schizophreniepatienten, die in der STAR-Studie bei der letzten Kontrolluntersuchung für die einzelnen IAQ-Items eine leicht bis starke Verbesserung angaben; Standardtherapie = Olanzapin, Quetiapin oder Risperidon [nach Kerwin et al.]

Noch aktueller ist die Studie CN138-169, in der man multizentrisch zwei Umstellungsstrategien – in diesem Fall von Risperidon – auf Aripiprazol untersucht hatte. Randomisiert war in der einen Gruppe die Dosis von Aripiprazol innerhalb von fünf Wochen stufenweise auf 15 mg/d hochtitriert (n=200) und in der anderen Gruppe von Anfang an mit der Zieldosis von 15 mg/d behandelt worden (n=200), während parallel dazu Risperidon ausschleichend abgesetzt wurde. Beide Verfahren erwiesen sich als gleichermaßen wirksam, sicher und verträglich, wie sich an der nahezu identisch niedrigen Rate von vorzeitigen Therapieabbrüchen innerhalb des Beobachtungszeitraums von 16 Wochen ablesen lässt.

Quellen

Prof. Dr. med. Christoph Correll, Glen Oaks/USA, Dr. med. Gerhard Roth, Ostfildern, Satellitensymposium „Frühzeitig langfristig denken: Prävention, Behandlung und Prophylaxe in der Schizophrenietherapie“, veranstaltet von Bristol-Myers Squibb anlässlich des DGPPN-Kongress 2007, Berlin, 23. November 2007.

Agelink MW, et al. Allgemeinmedizinische Aspekte der Therapie mit Antipsychotika der zweiten Generation. Dtsch Arztebl 2006;103:A2802–8.

Kerwin R, et al. A multicentre, randomized, naturalistic, open-label study between aripiprazole and standard of care in the management of community-treated schizophrenic patients. Schizophrenia Trial of Aripiprazole (STAR) study. Eur Psychiatry 2007;22:433–43.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(02)