Escitalopram

Depression und Angst gleichzeitig angehen


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Escitalopram hat seine Wirksamkeit bei Depressionen in zahlreichen kontrollierten Doppelblindstudien und unter Praxisbedingungen unter Beweis gestellt. In einer aktuellen Anwendungsbeobachtung profitierten auch Patienten mit komorbider Angst und Depression von der Behandlung.

In der Behandlung einer Major Depression war Escitalopram (Cipralex®) in klinischen Studien besser wirksam als andere SSRI einschließlich Citalopram und mindestens so wirksam wie Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Venlafaxin, Duloxetin). Das zeigte sich zum Beispiel in einer Metaanalyse von zehn randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudien, in denen Escitalopram – meist über 8 Wochen und teilweise zusätzlich Plazebo-kontrolliert – mit verschiedenen SSRI oder prolongiert freigesetztem Venlafaxin (Venlafaxin XR) verglichen wurde (Kennedy et al., 2006).

In der Gesamtauswertung sprachen die Depressionssymptome gemäß Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) bei Escitalopram-Behandlung besser an und es kam häufiger zur Remission; besonders deutlich wurde dies bei schwer depressiven Patienten (Tab. 1). Im Vergleich mit Venlafaxin XR war Escitalopram mindestens gleich wirksam. Eine mindestens gleiche, teilweise bessere Wirksamkeit von Escitalopram zeigte sich in zwei randomisierten Doppelblindstudien auch im Vergleich mit Duloxetin (Khan et al., 2007; Wade et al. 2007).

Tab. 1. Metaanalyse zum Vergleich von Escitalopram mit SSRI (Citalopram, Sertralin, Fluoxetin, Paroxetin) oder Venlafaxin XR bei Major Depression. „Ansprechen“ bedeutet eine mindestens 50%ige Reduktion des MADRS-Gesamtscores, „Remission“ einen MADRS-Gesamtscore ≤12 [Kennedy et al., 2006]

Vergleich

Odds-Ratio (95%-Konfidenzintervall)

Ansprechen

Remission

Alle Patienten

Escitalopram vs. alle Vergleichssubstanzen

1,29 (1,07–1,56)

1,21 (1,01–1,46)

Escitalopram vs. SSRI

1,31 (1,06–1,60)

1,20 (0,97–1,47)

Escitalopram vs. Venlafaxin XR

1,23 (0,80–1,89)

1,29 (0,84–1,98)

Schwer depressive Patienten (MADRS-Ausgangsscore ≥30)

Escitalopram vs. alle Vergleichssubstanzen

1,93 (1,41–2,64)

1,59 (1,16–2,16)

Escitalopram vs. SSRI

2,03 (1,42–2,92)

1,56 (1,09–2,26)

Escitalopram vs. Venlafaxin XR

1,61 (0,85–3,04)

1,72 (0,90–3,25)

Die Wirksamkeitsvorteile von Escitalopram auch im Vergleich zu seiner Muttersubstanz Citalopram werden mit seinem molekularen Wirkungsmechanismus am Serotonintransporter erklärt. Nur Escitalopram (S-Citalopram) verstärkt durch Bindung an die sekundäre Bindungsstelle seine eigene Bindung und Wirkung an der primären Bindungsstelle. Das im Razemat Citalopram ebenfalls enthaltene R-Citalopram bindet zwar auch an die sekundäre Bindungsstelle, übt dort aber keinen synergistischen Effekt aus, vielmehr behindert es den Zutritt von S-Citalopram, so dass dessen verstärkende Wirkung entfällt.

Bewährung in der Praxis

Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Escitalopram unter naturalistischen Bedingungen wurde in einer großen Anwendungsbeobachtung bei über 11000 Patienten mit depressiver Erkrankung erhoben (Psychopharmakotherapie 2007;14:149–56). Die Patienten wurden 8 Wochen lang beobachtet. Die meisten Patienten erhielten eine Tagesdosis von 10 mg Escitalopram (zu Beginn 82,8%, am Ende 64%), ein Drittel der Patienten erhielt am Ende 20 mg/d.

Der Schweregrad der Depression wurde mit einer modifizierten Version der MADRS (svMADRS) erhoben. Gemessen am svMADRS wurden bei der Abschlussbeobachtung fast 60% der Patienten als geheilt eingestuft, bei einem Viertel der Patienten bestand nur noch eine leichte Depression. Deutliche Verschiebungen in Richtung Besserung waren bereits bei der ersten geplanten Folgebeobachtung nach etwa 2 Wochen festzustellen. Vergleichbare Ergebnisse lieferte die CGI-Skala (Clinical global impressions): Nach 8 Wochen war der Zustand bei über 80% der Patienten viel oder sehr viel besser als zu Beginn. Die Besserungsquoten sind somit deutlich besser als in randomisierten Studien, dabei ist allerdings das offene Design der Anwendungsbeobachtung zu berücksichtigen.

Auch bei angstgeprägter Depression

Angsterkrankungen treten häufig gemeinsam mit einer Depression auf. Escitalopram ist zugelassen für die Anwendung bei Episoden einer Major Depression, Panikstörungen mit und ohne Agoraphobie, sozialer Angststörung und generalisierter Angststörung sowie Zwangsstörungen. Es liegt daher nahe, die Substanz bei Depressionen mit komorbider Angst einzusetzen. Zu diesem Therapieansatz wurde von November 2005 bis Dezember 2006 eine multizentrische, 16-wöchige Anwendungsbeobachtung mit 2911 Patienten durchgeführt. Die Patienten (68% weiblich) waren im Durchschnitt 47,5 Jahre alt, eine Depression war im Median erstmals mit 35 Jahren aufgetreten, Angst mit 38 Jahren. Bei über zwei Drittel der Patienten lag eine schwere Depression gemäß svMADRS vor.

Die Patienten erhielten Escitalopram anfangs überwiegend in einer Tagesdosis von 10 mg (70,4%; bei über der Hälfte im Verlauf erhöht), 21,5% erhielten anfangs 20 mg/d. Im Verlauf der Anwendungsbeobachtung besserten sich die psychometrischen Zielgrößen wie folgt:

Der svMADRS-Score als Ausdruck des Depressionsschweregrads besserte sich von 33,0±9,4 Punkten auf 8,9±8,7 Punkte. In Remission waren am Ende 72,9% der Patienten.

Der Schweregrad der Angst gemäß Hamilton-Angstskala (HAMA) besserte sich von 28,8±8,6 auf 8,8±7,9 Punkte. Eine Remission (HAMA-Score <10) erreichten 63,9% der Patienten.

Die Patienten beurteilten ihre Angst- und Depressionssymptome anhand der Hospital Anxiety Depression Scale (HADS-D). Der HADS-D-Wert sank von 29,6±6,4 auf 10,7±7,8 Punkte. Eine Remission (HADS-D <10) erreichten 55,2%.

Sowohl Ärzte als auch Patienten beurteilten die Wirksamkeit von Escitalopram zu rund 90% als gut oder sehr gut. In Bezug auf die Verträglichkeit wurde dieses Urteil sogar noch häufiger vergeben. Bei 87,5% der Patienten wurde die Escitalopram-Behandlung in Anschluss an die Anwendungsbeobachtung weitergeführt.

Quellen

Prof. Dr. med. Hans-Peter Volz, Werneck, Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Möller, München, Pressegespräch „Chancen nutzen! Innovative SSRI-Therapie in Zeiten ökonomischer Zwänge“, Berlin, 23. November 2007, veranstaltet von Lundbeck GmbH.

Kennedy SH, et al. Efficacy of escitalopram in the treatment of major depressive disorder compared with conventional selective serotonin reuptake inhibitors and venlafaxine XR: a meta-analysis. J Psychiatry Neurosci 2006;31:122–31.

Laux G, et al. Anwendungsbeobachtung zu Escitalopram bei komorbider Angst und Depression. DGPPN-Kongress 2007, Berlin, 21.–24. November 2007, Poster P-003-02.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(02)