Depression

Bupropion bei Patienten mit prädominanter Anhedonie und Apathie


Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Nur bei jedem zweiten bis vierten depressiven Patienten wird mit den verfügbaren psychopharmakologischen – vorwiegend „serotoninfokussierten“ – Therapieoptionen eine komplette Remission erreicht. Residual sind vor allem Symptomkomplexe wie Apathie und Anhedonie, bei denen eine Fehlfunktion der dopaminergen Neurotransmission postuliert wird. Daher scheint in diesen Fällen die Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmung mit Bupropion die bessere Wahl zu sein.

Die Hypothese, dass für den „Verlust an positivem Affekt“ dem Dopaminsystem eine Schlüsselrolle zukommt, ist nicht neu. Zielgebiete der vom ventralen Tegmentum ausgehenden dopaminergen mesolimbischen und mesokortikalen Bahnen sind im Wesentlichen der Nucleus accumbens und der dorsolaterale präfrontale Kortex. Diese Strukturen gelten als „Schaltstellen“ zur Regulation von Belohnungsmechanismen (Erleben von Freude und Genuss) und Exekutivfunktionen (Antrieb und Motivation). Im Umkehrschluss wird postuliert, dass die Depressionsmerkmale „Anhedonie“ und „Apathie“ aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Hypoaktivität der dopaminergen Neurotransmission beruhen.

Das einzige Antidepressivum, das regulierend in das dopaminerge System eingreift ist Bupropion. Der Nordrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (NDRI) ist in den USA bereits seit 1989 unter dem Namen Wellbutrin® zugelassen. In Deutschland kann diese therapeutische Alternative seit Mitte 2007 als Elontril® (in „XR“-Galenik mit protrahierter Freisetzung zur einmal täglichen Einnahme) verordnet werden.

Wie sich das Wirkungsspektrum des NDRI von dem der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) abgrenzt, lässt die gemeinsame Auswertung von sechs doppelblinden Vergleichsstudien (n=1882) erkennen. Wurde für das Kriterium „Remission“ der übliche Maßstab angelegt (HAMD-17-Gesamtscore ≤7 Punkte), dann ergab sich für beide Therapieoptionen ein nahezu identischer Vorteil gegenüber Plazebo (p<0,0001). Der Unterschied zeigte sich erst bei einer differenzierteren Analyse. Die Symptomkomplexe „Fatigue/Energiemangel“ und „Hypersomnie/Tagesmüdigkeit“ hatten statistisch signifikant besser auf Bupropion als auf die SSRI angesprochen und waren in diesen Kollektiven dementsprechend häufiger (p=0,002 und p=0,0014) nach Remission nicht mehr vorhanden.

Diese retrospektiv erhobenen Daten werden durch die Ergebnisse einer prospektiven Untersuchung untermauert. Voraussetzung für den Einschluss in die Multicenterstudie war das Vorhandensein von mindestens vier der folgenden psychopathologischen Merkmale: Interessen-/Teilnahmslosigkeit, Energiemangel/Erschöpfung, Gefühlsarmut/Genussunfähigkeit, Libidoverlust, psychomotorische Verlangsamung. Dass eine solche Symptomkonstellation eher die Regel als die Ausnahme darstellt, lässt sich daran erkennen, dass von den 690 gescreenten Patienten 76% diese Voraussetzungen erfüllt hatten.

Zur Erfolgskontrolle eingesetzt wurde das Inventory of Depressive Symptomatology in den (inhaltlichen identischen) Versionen zur Beurteilung durch den Patienten (IDS-IVR-30) und durch den Arzt (IDS-C-30). Bereits nach einer Woche hatten im Bupropion-XR-Arm statistisch signifikant mehr Patienten das Kriterium für eine Response (mindestens 50%ige Reduktion der Gesamtscores) erfüllt als in der Kontrollgruppe (Abb. 1). Ebenfalls statistisch signifikant höher waren die Remissionsraten nach achtwöchiger Therapie mit 41% versus 27%/p=0,01 (IDS-IVR-30-Score ≤15 Punkte) und 32% versus 18%/p=0,005 (IDS-C-30-Score ≤13 Punkte). Das entspricht einer NNT (Number needed to treat) von 8.

Abb. 1. Ansprechen auf Bupropion XR oder Plazebo bei präselektierten Patienten mit den Depressionsmerkmalen Apathie und Anhedonie; a) Selbstbeurteilung durch den Patienten (IDS-IVR-30-Score ≤15), b) Beurteilung durch den Arzt (IDS-C-30-Score ≤13) [nach Jefferson JW, et al.]

Quellen

Prof. Dr. med. James Jefferson, Madison/USA, Prof. Dr. med. Angel Montejo, Salamanca/Spanien, Prof. Dr. med. David Nutt, Bristol/Großbritannien, Satellitensymposium „The other face of depression – apathy and anhedonia: The role of noradrenaline and dopamine in causation and care”, veranstaltet von GlaxoSmithKline im Rahmen des 20th ECNP Congress, Wien, 16. Oktober 2007.

Nutt D, et al. The other face of depression, reduced positive affect: the role of catecholamines in causation and cure. J Psychopharmacol 2007;21:461–71.

Papakostas GI, et al. Resolution of sleepiness and fatigue in major depressive disorder: a comparison of bupropion and the selective serotonin reuptake inhibitors. Biol Psychiatry 2006;60:1350–5.

Jefferson JW, et al. Extended-release bupropion for patients with major depressive disorder presenting with symptoms of reduced energy, pleasure, and interest: findings from a randomized, double-blind, placebo-controlled study. J Clin Psychiatry 2006;67:865–73.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(01)