Schlaganfall-assoziierte Infektionen

Nutzt eine präventive Antibiotika-Therapie?


Bakterielle Infektionen sind eine häufige Komplikation bei Schlaganfällen. Ihre Inzidenz bei Patienten mit einem frischen schweren Mediainfarkt wurde durch die fünftägige Behandlung mit dem Fluorchinolon Moxifloxacin reduziert. Was das für die Prognose der Patienten bedeutet, soll nun in einer größeren Studie untersucht werden.

Nach einem Schlaganfall kommt es häufig (21 bis 65%) auch zu einer schweren bakteriellen Infektion, vor allem zu Pneumonien (7 bis 22%) oder und Harnwegsinfektionen. Es gibt eine Korrelation mit der Schwere des Infarkts, und Patienten mit einer Infektion haben eine schlechtere Prognose. Eine Pneumonie ist für etwa ein Drittel der Todesfälle nach einem Schlaganfall verantwortlich und ist damit die häufigste Todesursache bei diesen Patienten.

Als Ursache für das erhöhte Infektionsrisiko wird ein Zusammenwirken von Immobilität, Dysphagie, Bewusstseinsstörung und reduzierten Schutzreflexen (Aspirationsrisiko!) angenommen. Tierexperimente geben außerdem Hinweise auf eine Schlaganfall-induzierte Immunsuppression. Weitere Tierexperimente deuten darauf hin, dass mit einer präventiven antibakteriellen Therapie Schlaganfall-assoziierte Infektionen verhindert werden können. Dies war verbunden mit einem reduzierten Infarktvolumen, einem besseren neurologischen Behandlungsergebnis und einer verringerten Letalität. Ob dieses Prinzip auch beim Menschen funktioniert, wurde in einem ersten Ansatz in der Pantheris-Studie (Preventive antibacterial therapy in stroke) untersucht.

An dieser doppelblinden, randomisierten Phase-IIb-Studie nahmen 80 Patienten mit einem frischen ischämischen Mediainfarkt (NIHSS-Score >11, im Durchschnitt 16) teil. Spätestens 36 Stunden nach dem Schlaganfall wurde eine fünftägige Behandlung mit 400 mg/d Moxifloxacin (Avalox®) oder 20 mg/d Riboflavin als Plazebo begonnen. Falls eine Infektion auftrat, wurde sie ohne Entblindung antibakteriell behandelt (Pneumonie mit Ceftazidim + Tobramycin, Harnwegsinfekte [HWI] mit Ciprofloxacin). Die Patienten wurden sechs Monate lang nachbeobachtet. Für die Intention-to-treat-Analyse standen Daten von 79 Patienten zur Verfügung, für die Per-Protocol-Analyse Daten von 66 Patienten.

Primärer Endpunkt waren Infektionen in den ersten 11 Tagen nach dem Schlaganfall. In der Plazebo-Gruppe traten 13 Infektionen auf (8 Pneumonien, 5 HWI), in der Moxifloxacin-Gruppe 6 Infektionen (je 3 Pneumonien und HWI). Der Unterschied manifestierte sich vor allem drei bis fünf Tage nach dem Schlaganfall. In der Per-Protocol-Analyse ergab sich ein statistisch signifikanter Unterschied (Tab. 1).

Tab. 1. Primärer Endpunkt Infektion in den ersten 11 Tagen

Infektion

[n]

Keine Infektion

[n]

Gesamt

[n]

Statistik

Intention-to-treat-Analyse

Plazebo

13

27

40

Fisher-exact-Test:

p=0,114

Odds-Ratio:

2,86 (0,95–9,45)

Moxifloxacin-Prävention

6

33

39

Gesamt

19

60

79

Per-Protocol-Analyse

Plazebo

13

18

31

Fisher-exact-Test:

p=0,032

Odds-Ratio:

3,45 (1,11–11,52)

Moxifloxacin-Prävention

6

29

35

Gesamt

19

47

66

Das C-reaktive Protein stieg in der Plazebo-Gruppe ab Tag 3 und war bis Tag 7 höher als in der Verum-Gruppe. Bei Patienten, die eine Infektion erlitten, trat bereits einen Tag nach dem Schlaganfall eine Deaktivierung der Monozyten (verminderte HLA-DR-Expression) auf. Dabei war eine HLA-DR-Abnahme auf <20000 Moleküle/Monozyt einen Tag nach dem Schlaganfall prädiktiv für eine Infektion innerhalb der nächsten 10 Tage. Diese Beobachtung stützt die Vermutung, dass auch beim Menschen eine Schlaganfall-induzierte Immunsuppression auftreten kann, die zum erhöhten Infektionsrisiko beiträgt. Eine Abnahme der HLA-DR-Expression auf <10000 Moleküle/Monozyt drei Tage nach dem Schlaganfall sagte ein Versterben innerhalb der nächsten sechs Monate voraus. Die Monozytendeaktivierung korrelierte allerdings nicht mit der Schwere des Schlaganfalls (wobei zu berücksichtigen ist, dass alle Patienten mindestens einen NIHSS-Score von 12 aufwiesen). Die Studie bestätigte, dass Infektionen die Überlebensprognose von Schlaganfall-Patienten verschlechtern: Nach sechs Monaten waren gut 40% der Patienten, die eine Infektion erlitten hatten, verstorben, aber nur etwa 20% der Patienten ohne Infektion. In einer größeren Phase-III-Studie soll nun geprüft werden, ob die präventive Antibiotika-Behandlung sich günstig auf die klinisch-neurologische Prognose und das Überleben von Schlaganfallpatienten auswirkt.

Präventive Antibiotika-Gabe?

Moxifloxacin (Avalox®) ist als Infusionslösung zugelassen zur Therapie von ambulant erworbener Pneumonie sowie komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen. Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG) empfiehlt die 7- bis 10-tägige Therapie mit Moxifloxacin i.v. unter anderem als eine Alternative zu Betalactam plus Makrolid bei hospitalisierten Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie.

Für den präventiven Einsatz liegt keine Zulassung vor. Grundsätzlich ist der breite Einsatz von Antibiotika ohne therapeutische Indikation mit einem erhöhten Risiko der Resistenzentwicklung bei den Zielorganismen behaftet. Ob dieses Risiko durch den erhofften günstigen Einfluss auf die Prognose von Schlaganfallpatienten aufgewogen wird, wird im Rahmen der Phase-III-Studien sorgfältig zu prüfen sein.

ho

Quellen

Meisel C. Präventive antiinfektive Therapie nach akutem Schlaganfall: Die klinischen Ergebnisse der Pantheris-Studie. Neurowoche 2006, Mannheim, 21. September 2006.

Meisel A. Schlaganfallinduzierte Immunsuppression als Ursache Schlaganfall-assoziierter Infektionen: Die immunologischen Ergebnisse der Pantheris-Studie. Neurowoche 2006, Mannheim, 22. September 2006, Poster P448.

Harms H, et al. Preventive antibacterial therapy in stroke – the Pantheris trial [Poster]. 46th Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy, San Francisco, 27. bis 30. September 2006. ho

Psychopharmakotherapie 2007; 14(02)