Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen
Gewalttätiges und aggressives Verhalten von Patienten mit Schizophrenie hat schwerwiegende klinische und gesellschaftliche Folgen. Es ist der häufigste Grund für die Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Abteilung. Setzt sich das aggressive Verhalten fort, verlängert es den Klinikaufenthalt und kann eine wichtige Barriere für eine angemessene Eingliederung in die Gesellschaft darstellen. Nur ein kleiner Teil der schizophrenen Patienten ist gewalttätig, dennoch stigmatisiert dieses Verhalten die vielen nicht aggressiven Patienten. Obwohl Gewalttätigkeit einen großen Einfluss auf das Leben schizophrener Patienten nimmt, gibt es bislang nur wenige Untersuchungen zu einer geeigneten Medikation.
Die atypischen Neuroleptika unterscheiden sich pharmakologisch von herkömmlichen Neuroleptika durch eine geringere Affinität zu Dopamin-D2-Rezeptoren sowie eine höhere Affinität zu Serotonin(5-HT1A, 2A, 2C, 3, 6, 7)- und Noradrenalin-alpha-1- und -alpha-2-Rezeptoren. Noradrenalin und insbesondere Serotonin werden mit gewalttätigem Verhalten in Verbindung gebracht. Substanzen, die 5-HT1A- und 5-HT2-Rezeptoren blockieren, scheinen selektive antiaggressive Wirkungen zu besitzen.
Studienziel und -design
Erstmals wurde in einer randomisierten, klinischen Doppelblindstudie die Wirksamkeit atypischer Antipsychotika auf gewalttätiges und aggressives Verhalten hospitalisierter Patienten mit Schizophrenie und schizoaffektiven Erkrankungen untersucht. Die Studie wurde in Parallelgruppen über 12 Wochen durchgeführt. Verglichen wurden die beiden atypischen Neuroleptika Clozapin (Leponex®) und Olanzapin (Zyprexa®) sowie Haloperidol (Haldol®). Die Patienten, die alle stationär in einer staatlichen psychiatrischen Einrichtung untergebracht waren und für die in dieser Zeit ein körperlicher Angriff auf andere Personen sowie anhaltendes aggressives Verhalten (physisch, verbal oder auf Gegenstände gerichtet) belegt waren, wurden folgendermaßen in drei Gruppen randomisiert:
Clozapin (n=37)
Olanzapin (n=37)
Haloperidol (n=36)
Die drei Studiengruppen waren in den Ausgangscharakteristika, wie Alter, Geschlecht, Rasse, aber auch in anderen Parametern wie Länge der Hospitalisierung vor Studieneintritt (durchschnittlich 48 Tage) oder Anzahl der gewalttätigen Episoden vergleichbar.
Die 12-wöchige Studienphase setzte sich aus einer sechswöchigen Eskalationsperiode mit fixer Dosierung und einer sechswöchigen Periode mit variabler Dosierung zusammen. Während der ersten sechs Wochen wurde die vorangegangene antipsychotische Medikation allmählich abgesetzt, während die Dosen von Olanzapin, Clozapin und Haloperidol auf ihre Zielwerte (20, 500 und 20 mg/d) erhöht und bis zum Ende der ersten Studienperiode beibehalten wurden. Während der zweiten sechs Wochen konnte die antipsychotische Dosierung in folgenden Bereichen schwanken:
Clozapin: 200–800 mg/d
Olanzapin: 10–35 mg/d
Haloperidol: 10–30 mg/d
Anzahl und Schwere der körperlichen Angriffe wurden mit Hilfe der Subskala körperliche Aggression der Modified Overt Aggression Scale (MOAS) ermittelt, die Schwere aller aggressiven Ereignisse mit der Gesamtpunkteskala auf der MOAS. Psychiatrische Symptome wurden mit Hilfe der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) erfasst.
Studienergebnis
Durch eine Behandlung mit Clozapin konnten die Anzahl und Schwere körperlicher Angriffe der Patienten sowie die Gesamtaggression signifikant stärker reduziert werden als durch Gabe von Olanzapin oder Haloperidol. Olanzapin wiederum erwies sich Haloperidol überlegen. Deutliche Unterschiede bei der Besserung psychiatrischer Symptome ließen sich in den drei Studiengruppen nicht erkennen.
Fazit
Atypische Neuroleptika, insbesondere Clozapin, eignen sich zur Behandlung gewalttätiger und aggressiver Patienten mit Schizophrenie oder schizoaffektiven Erkrankungen. Sie können die Entlassung der Patienten aus der Klinik und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtern. Die Überlegenheit der atypischen Antipsychotika betraf allerdings nur ihre antiaggressiven Effekte, in ihren antipsychotischen Eigenschaften zeigten sie gegenüber Haloperidol keine signifikanten Vorteile.
Quelle
Krakowski MI, et al. Atypical antipsychotic agents in the treatment of violent patients with schizophrenia and schizoaffective disorder. Arch Gen Psychiatry 2006;63:622–9.
Psychopharmakotherapie 2007; 14(02)