Major Depression

Weniger sexuelle Dysfunktion bei der Therapie mit Duloxetin?


Dr. Annemarie Musch, Stuttgart

Patienten mit Major Depression, die mit Duloxetin behandelt wurden, zeigten keine Verschlechterung ihrer sexuellen Funktion im Vergleich zu Patienten der Plazebo-Gruppe, während bei Patienten, die Escitalopram einnahmen, eine signifikant schlechtere sexuelle Funktion im Vergleich zu Plazebo beobachtet wurde. Die Ergebnisse dieser randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie über insgesamt 8 Monate wurden auf einer Pressekonferenz der Firmen Lilly und Boehringer Ingelheim im Mai 2006 in Toronto vorgestellt.

Sexuelle Dysfunktion tritt sowohl häufig in Zusammenhang mit einer Depression an sich als auch als eine unerwünschte Wirkung einer antidepressiven Therapie auf. Bei der Therapie mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) kann beispielsweise bei bis zu 75% der Behandelten eine sexuelle Dysfunktion auftreten. Dies trägt entscheidend dazu bei, dass die Therapietreue der Patienten abnimmt, wenn die antidepressive Therapie nicht sogar abgebrochen wird.

In einer multizentrisch, doppelblind und Plazebo-kontrolliert durchgeführten Studie wurde über einen Zeitraum von acht Monaten die Wirkung von zwei Arzneistoffen unterschiedlicher Antidepressiva-Klassen auf die sexuelle Funktion von Patienten mit Major Depression untersucht. Bei den beiden Arzneistoffen handelte es sich um den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Duloxetin (Cymbalta®) und den SSRI Escitalopram.

In der initialen Behandlungsphase von acht Wochen erhielten die Patienten randomisiert im Verhältnis 2:2:1:

 Duloxetin (60 mg/d, n=273)

 Escitalopram (10 mg/d, n=274)

 Plazebo (n=137)

In einer anschließenden sechsmonatigen Verlängerungsphase konnte die Dosis der Arzneistoffe nach vordefinierten Kriterien gesteigert werden (Duloxetin: von 60 auf 90 und 120 mg/d; Escitalopram: von 10 auf 20 mg/d). Patienten der Plazebo-Gruppe konnten eine Verum-Behandlung erhalten.

Einschlusskriterien für die Patienten war eine Major Depression entsprechend der DSM-IV-Kriterien (DSM-IV=Diagnostic and statistical manual of mental disorders, revision IV) sowie ein Wert von ≥15 auf der Montgomery-Asberg-Depressions-Skala (MADRS) und ein Wert ≥4 im klinischen Globalurteil der Schwere der Erkrankung (CGI-S=Clinical global impression – severity) bei den ersten beiden Studienvisiten.

Die sexuelle Funktion der Patienten wurde mit den beiden Fragebögen

 CSFQ (Changes in sexual functioning questionnaire, 14-item self-report) und

 Q-LES-Q-SF (Quality of life enjoyment and satisfaction questionnaire – short form)

sowie anhand von auftretenden sexuellen Nebenwirkungen und Therapieabbrüchen aufgrund dieser Nebenwirkungen beurteilt.

Die Charakteristika der eingeschlossenen Patienten waren bis auf einen signifikanten Unterschied im Alter (mittleres Alter in der Duloxetin-Gruppe 41,1 Jahre vs. 43,3 Jahre in der Escitalopram-Gruppe, p=0,036) vergleichbar.

In der initialen achtwöchigen Behandlungsphase schnitten die Patienten der Escitalopram-Gruppe im CSFQ am schlechtesten ab (vs. Plazebo p≤0,01) (Abb. 1). Zwischen der Behandlung mit Duloxetin und der Plazebo-Gabe konnten über den gesamten Studienzeitraum keine signifikanten Unterschiede im CSFQ festgestellt werden. Bei Männern, nicht aber bei Frauen konnte zu diesem Zeitpunkt beim Vergleich der beiden Verum-Behandlungen ein signifikanter Unterschied zugunsten der Behandlung mit Duloxetin festgestellt werden (p=0,019).

Abb. 1. Sexuelle Funktion von Patienten mit Major Depression, die mit Duloxetin, Escitalopram oder Plazebo behandelt wurden: Veränderungen im CSFQ (Changes in sexual functioning questionnaire, 14-item self-report) (initiale Behandlung von acht Wochen, mögliche Verlängerung der Therapie über weitere sechs Monate) [nach Clayton et al]

In der anschließenden Verlängerungsphase zeigten Patienten, die Duloxetin einnahmen, zum Zeitpunkt 12 und 20 Wochen signifikant höhere CSFQ-Werte und damit eine signifikant bessere sexuelle Funktion als die Patienten der Escitalopram-Gruppe (p≤0,05). Zum Studienende nach acht Monaten waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen festzustellen.

Im Fragebogen zur Lebensqualität (Q-LES-Q-SF) zeigten sich im Item „Zufriedenheit mit Sexualtrieb, Interesse und/oder Performance“ von Woche 12 bis Woche 28 signifikante Unterschiede zwischen der Behandlung mit Duloxetin und Escitalopram zugunsten von Duloxetin (p≤0,05). Zum Studienende waren auch hier die Unterschiede nicht signifikant.

Bei den sexuellen Nebenwirkungen trat Anorgasmie signifikant häufiger bei Behandlung mit Duloxetin oder Escitalopram auf als bei Gabe von Plazebo (4,8% und 7,0% vs. 0%, p<0,05). Therapieabbrüche waren in beiden Verum-Gruppen vergleichbar häufig.

Fazit

In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass die Therapie mit Duloxetin bei Patienten mit Major Depression nicht zu einer Verschlechterung der sexuellen Funktion führt. Es konnten keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zu Plazebo gezeigt werden. In der initialen Behandlungsphase war eine Verbesserung der sexuellen Funktion erkennbar. Dagegen zeigte sich bei Gabe von Escitalopram eine signifikant schlechtere sexuelle Funktion gegenüber Plazebo.

Eine abschließende Bewertung der Wirkung beider Arzneistoffe auf die sexuelle Funktion der Patienten ist aber mit diesen Ergebnissen nicht möglich: Zum Studienende waren keine signifikanten Unterschiede in den Behandlungsgruppen erkennbar. Limitierend für die Auswertung der Ergebnisse der Verum-Behandlung im Vergleich zur Gabe von Plazebo war die geringe Patientenzahl in der Plazebo-Gruppe: Nach acht Wochen verblieben 100 Patienten (Duloxetin, n=195; Escitalopram, n=216) und nach acht Monaten 15 Patienten in der Plazebo-Gruppe (Duloxetin, n=105; Escitalopram, n=124).

Quelle

Michael Thase, MD, Pittsburgh, Anita Clayton, MD, Charlottesville, Joel Raskin, MD, Indianapolis. Pressekonferenz „Duloxetine data vs SSRIs: Efficacy and sexual functioning“, veranstaltet von Lilly und Boehringer Ingelheim, anlässlich der 159. Jahrestagung der American Psychiatric Association, Toronto, 23. Mai 2006.

Clayton AH, et al. Sexual functioning in long-term treatment of MDD : duloxetine, escitalopram, and placebo. 159th American Psychiatric Association annual meeting, Toronto: Abstract NR199.

Psychopharmakotherapie 2006; 13(06)