Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg
Den überwiegenden Teil der Entscheidungen trifft der Mensch emotional und intuitiv – nicht durch Kognition. Das allein grenzt ihn jedoch noch nicht vom Tier ab. Was dagegen die beiden Spezies unterscheidet, ist die Vielfalt an Emotionen. Je differenzierter jemand Emotionen selbst leben, bei anderen erkennen und kommunikabel machen kann, desto eher gelingt es ihm, Beziehungen herzustellen und ein zufriedenes Leben in einer komplexen Gesellschaft zu führen. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass bereits geringe Veränderungen der Emotionalität massive Einbußen bei der Fähigkeit, Bindungen einzugehen, zu halten und sich sozial aufgehoben zu fühlen, nach sich ziehen können.
Schizophreniekranke haben erhebliche Probleme bei der Wahrnehmung von Emotionen – und zwar ganz spezifisch bei der Interpretation der Gesichtsmimik. Die kognitive Fähigkeit, Emotionen zu erkennen, beispielsweise im gesprochenen Wort, ist dagegen nicht gestört. Ebenfalls ein Manko besteht beim Zeigen von Emotionen. Die Hypomimie betrifft stärker positive (Freude) als negative Stimuli (Trauer). Als hirnorganische Korrelate wurde mit Hilfe der funktionellen Bildgebung eine verminderte Aktivierbarkeit emotionsrelevanter limbischer und paralimbischer Strukturen inklusive des ventralen Striatums nachgewiesen.
Weil zum einen die emotionale „Starre“ nicht selten in die Isolation und Ausgrenzung aus Lebensgemeinschaften mündet und zum anderen gerade bei schizophrenen Patienten die Einbindung in ein soziales Gefüge ganz wesentlich Verlauf und Rückfallgefährdung mitprägt, wird seit einiger Zeit dem Einfluss von Neuroleptika auf den Funktionsbereich der Emotionen vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt.
Es gibt aus verschiedenen Untersuchungen übereinstimmende Hinweise, dass Sedierung, extrapyramidal-motorische Störungen, Positivsymptomatik, Depression und – als mit Abstand wichtigstes Kriterium – das Negativsyndrom mit der gestörten Emotionalität der Schizophreniekranken zusammenhängen.
Der stärkere Effekt auf die Negativsymptomatik erklärt möglicherweise, warum atypische Neuroleptika (z.B. Risperdal® Consta®) auch im Bereich „Emotion“ den typischen Neuroleptika überlegen sind. In einem Pilotprojekt wurden Schizophreniekranken zu verschiedenen Zeitpunkten nach Beginn der Therapie mit einem atypischen Neuroleptikum Bilder mit fröhlichen Inhalten vorgelegt; gleichzeitig wurde mit einer innovativen EMG-Methode ihr Verhalten dokumentiert. Dabei ließ sich in Hinblick auf die Lächelhäufigkeit ein positiver Trend erkennen (Abb. 1).
Abb. 1. Lächelhäufigkeit als Reaktion auf emotional positive Bilder bei Schizophreniekranken unter Therapie mit den atypischen Neuroleptika Risperidon oder Olanzapin (dunkelrot) im Vergleich zu Patienten unter konventionellen Neuroleptika (hellrot) oder gesunden Kontrollen (grau); T0 = vor Therapiebeginn, T1/T2 = nach der 1. bzw. 2. Therapiewoche [nach Wolf et al. 2005/Schneider et al. 1992]
Quellen
Dr. med. Karsten Wolf, Marienheide, Pressekonferenz „Langzeittherapie der Schizophrenie – Mit Risperdal®Consta® neue Ziele erreichen“, Veranstalter Janssen Cilag GmbH, Hamburg, 6. September 2006.
Herbener ES, et al. Effects of antipsychotic treatment on emotion perception deficits in first-episode schizophrenia. Am J Psychiatry 2005;162:1746–8.
Schneider F, et. al. The effects of neuroleptics on facial action in patients with schizophrenia. Pharmacopsychiatry 1992;25:233–9.
Taylor SF, et al. Neural response to emotional salience in schizophrenia. Neuropsychopharmacology 2005;30:984–95.
Wolf K, et al. The influence of olanzapine versus risperidone on facial expression of emotions in schizophrenia – A facial EMG study. J Clin Psychopharmacol 2005;25:278–81.
Wolf K, et al. Characterization of the facial expression of emotions in schizophrenia: First results with a new EMG method. Canad J Psychiatry 2006;51:335–41.
Psychopharmakotherapie 2006; 13(06)