Antidepressiva

Escitalopram bei generalisierter Angststörung


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Escitalopram (Cipralex®) war bereits zur Behandlung von Depressionen (Major Depression), Panikstörungen und sozialer Phobie zugelassen. Seit kurzem liegt auch die Zulassung für die Behandlung der generalisierten Angststörung vor.

Während es bei Panikstörungen aus normaler Befindlichkeit heraus zu kurz dauernden Attacken massivster Angst kommt, besteht bei Patienten mit generalisierter Angststörung (ICD-10: F41.1) ständig eine gewisse Angst und Sorge, verbunden mit Anspannung und Schreckhaftigkeit sowie entsprechenden somatischen Symptomen wie Zittern, Muskelspannung, Herzklopfen und Schwindelgefühl. Das Vorherrschen der Sorge wird auch in dem englischen Kürzel WAT (worry, anxiety, tension) deutlich.

Wichtiger Bestandteil der Therapie ist die kognitive Verhaltenstherapie. Dazu kommt eine medikamentöse Therapie. Wirksamkeitsnachweise aus kontrollierten Studien existieren dabei für die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Escitalopram, Paroxetin und Sertralin, für trizyklische Antidepressiva, Venlafaxin, Buspiron, Benzodiazepine, Pregabalin, Opipramol und Hydroxyzin. Escitalopram (Cipralex®) wurde unter anderem in drei 8-wöchigen randomisierten Doppelblindstudien im Vergleich zu Plazebo auf die Wirksamkeit bei generalisierter Angststörung untersucht. Die Tagesdosis betrug anfangs 10 mg und konnte nach vier Wochen auf 20 mg erhöht werden. Escitalopram führte zu einer signifikant stärker ausgeprägten Verbesserung des Punktwerts auf der Hamilton-Angstskala (HAMA) als Plazebo, und zwar in jeder einzelnen Studie sowie bei gemeinsamer Auswertung der Studien (Abb. 1). Ein Unterschied war statistisch bereits nach einer Woche nachweisbar. Bei einzelnen Patienten kann es aber auch vier Wochen dauern, bis ein Ansprechen auf die Therapie erkennbar wird.

Abb. 1. Mittlere Veränderung des HAMA-Gesamtscores während der Therapie mit Escitalopram oder Plazebo. Gepoolte Daten aus 3 randomisierten Doppelblindstudien [Goodman et al., J Affect Disord 2005]

In einer 24-wöchigen randomisierten Doppelblindstudie wurde Escitalopram (mittlere Tagesdosis 14,4 mg) mit Paroxetin (mittlere Tagesdosis 29,9 mg) verglichen. Der HAMA-Score, anfangs 23,7 bzw. 23,4 Punkte, sank in der Escitalopram-Gruppe um 15,3 und in der Paroxetin-Gruppe um 13,3 Punkte. Deutlich seltener kam es in der Escitalopram-Gruppe zu nebenwirkungsbedingtem Studienabbruch, nämlich bei 6,6% vs. 22,6% der Patienten.

Erhaltungstherapie mit Escitalopram

Bei erfolgreicher Behandlung einer generalisierten Angststörung empfehlen Experten eine Fortsetzung der medikamentösen Therapie für etwa ein Jahr. Dass mit einer Escitalopram-Erhaltungstherapie Rückfälle verhindert werden können, wurde in einer Studie mit anfänglich 491 Patienten (HAMA-Score ≥20) gezeigt. Sie erhielten zunächst 12 Wochen lang offen deklariert 10 bis 20 mg Escitalopram täglich. Die Patienten, die auf die Behandlung angesprochen hatten, erhielten dann randomisiert und doppelblind 20 mg/d Escitalopram oder Plazebo (nach ausschleichendem Absetzen von Escitalopram). Unter fortgesetzter Escitalopram-Einnahme kam es wesentlich seltener und später zu Rückfällen – definiert anhand eines HAMA-Werts ≥15 oder laut Arzturteil – als nach Absetzen der aktiven Medikation (Abb. 2). Nach 76 Wochen ergab sich sogar eine Minderung des Rückfallrisikos um den Faktor 4.

Abb. 2. Verringertes Rückfallrisiko für generalisierte Angststörung unter fortgesetzter Behandlung mit Escitalopram. Die Patienten hatten zuvor auf eine 12-wöchige Behandlung mit Escitalopram angesprochen. [Nach Allgulander et al., Int J Neuropsychopharmacol 2005]

Insgesamt hat sich Escitalopram in einer Dosis von 10 bis 20 mg/d als wirksam bei der Behandlung und zu Rückfallprophylaxe der generalisierten Angststörung erwiesen, wobei für die Erhaltungstherapie nach Expertenmeinung und Studienlage möglichst 20 mg/d eingesetzt werden wollten. Die Eindosierung sollte, wie mit anderen SSRI, bei Patienten mit generalisierter Angststörung vorsichtig erfolgen, denn die zu erwartenden Nebenwirkungen, insbesondere Unruhezustände oder Schlafstörungen, können von den Patienten als Verschlimmerung ihre Erkrankung interpretiert werden, was ihr Vertrauen in die Therapie untergräbt. Um mögliche Unruhezustände zu verhindern, kann eine anfängliche Begleittherapie mit Benzodiazepinen hilfreich sein.

Quellen

Prof. Dr. med. Borwin Bandelow, Göttingen, Prof. Dr. med. Hans-Peter Volz, Werneck, Pressekonferenz „Cipralex® – die neue Kraft bei Depression und generalisierter Angststörung“, Frankfurt/M., 17. November 2005, veranstaltet von Lundbeck GmbH.

Bandelow B, et al. Medikamentöse Behandlung von Angst- und Zwangs- und posttraumatischen Belastungsstörungen. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2005.

Psychopharmakotherapie 2006; 13(01)